Circular Economy

Nach dem Abriss ist vor dem Recycling

Bauherren sollten im Sinne der Kreislaufwirtschaft bereits bei der Errichtung von Häusern mit derem späteren Abriss rechnen. Denn vorausgesetzt, alle Materialien wurden bereits beim Bau erfasst und so montiert, dass sie gut demontierbar sind, können sie später zu neuen Baustoffen werden. Wie groß das Potenzial des Baustoff-Recyclings ist, zeigen einige Modellprojekte.

18.08.2021

Nach dem Abriss ist vor dem Recycling

Mittelalterliche Burgen sind ein frühes Beispiel für die Kreislaufwirtschaft. Viele der Trutzbauten wurden, wenn sie ihre Funktion verloren hatten, „zum Abbruch freigegeben“. „Die Bewohner der Umgebung waren froh über das günstige Baumaterial“, heißt es etwa in der Geschichte der Burg Hohen Neuffen.

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Die Wiederverwendung von Baustoffen ist immer noch ein drängendes Thema. Laut dem 12. Monitoring-Bericht der Initiative Kreislaufwirtschaft Bau gab es 2018 insgesamt 218,8 Millionen Tonnen Bauabfälle. Davon werden zwar nahezu 90 Prozent „umweltverträglich verwertet“, ein zweites Leben als Baustoff erhalten aber nur geringe Mengen. Das gilt gerade für die größte Abfallfraktion „Boden und Steine“. Von den insgesamt 130 Millionen Tonnen wurden nur zehn Prozent zum Recycling-Baustoff. 99 Millionen Tonnen landeten als Füllmaterial in Gruben, Tagebauen und Brüchen. Der Rest wurde als Sondermüll deponiert, schreibt der bvse-Fachverband „Mineralik – Recycling und Verwertung“.

„Urban Mining“ bietet enormes Potenzial

Dabei ist Bauschutt viel zu wertvoll zum Wegwerfen. Das Umweltbundesamt (UBA) nennt den Gebäude- und Infrastrukturbestand ein „bedeutendes, menschengemachtes Rohstofflager“. Es plädiert für „Urban Mining“, also die Nutzung von Bauabfällen als sekundäre Rohstoffe. Dies belaste die Umwelt weniger als anthropogener Rohstoffabbau, der mancherorts zudem unter problematischen Arbeitsbedingungen geschehe.

Damit mehr Alt-Baustoffe recycelt werden können, müsse sich die bisherige Praxis auf dem Bau komplett ändern, betont das Bündnis „Kreislaufwirtschaft auf dem Bau": „Die Aufbereitung von mineralischen Bauabfällen ist in vielen Fällen noch ‚steinzeitlich‘ und im Wesentlichen auf Brechen und Sieben beschränkt.“ Dies zu ändern, ist unter anderem das Ziel der 25 Fachunternehmen, die im April 2021 das Kooperationsnetzwerk RecyBau gegründet haben. Ihr Ziel: die Entwicklung innovativer Herstellungsprozesse und kreislaufgerechter, nachhaltiger Baustoffe entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Obwohl nationale und europäische Gesetze und Verordnungen die effizientere Verwertung von Bauabfällen verlangen – erst im Juni 2020 trat beispielsweise eine „Mantelverordnung“ mit bundesweiten Regelungen zum Baustoff-Recycling und dem Einsatz von Ersatzbaustoffen in Kraft –, verhindern andererseits Bauvorschriften genau dies. So darf beispielsweise derzeit nicht mit Beton gebaut werden, dem feine recycelte Gesteinskörnungen beigemengt sind. Das vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt „R-Beton“ will das ändern und Verfahren entwickeln, um Altbaustoff-Rezyklate in der Beton- und Zementproduktion weiterzuverarbeiten.

UMAR kann nach dem Abbruch sortenrein getrennt werden

Wie die Zukunft des Recycling-Baus aussehen könnte, zeigen Pilotprojekte wie das schweizerische „Urban Mining and Recycling“ (UMAR). Dabei handelt es sich um ein mit vielen Recycling-Baustoffen gebautes Wohnmodul aus komplett wiederverwendbaren Materialien. Laut Lead Innovation Blog wurden recycelte Steine und wiederverwendete Isolationsmaterialien verbaut. Für die Fassadeneinfassungen wurden Kupferplatten wiederverwendet. Das UMAR-Modul ist sortenrein demontierbar. Nichts wurde verklebt, stattdessen wurde gesteckt, verschränkt und verschraubt.

In Spanien und Großbritannien errichtete das EU-Projekt „RE4“ wiederum Wohngebäude aus recycelten und recycelbaren Materialien, berichtet Euronews. Bis zu 80 Prozent Recyclingbeton wurde verbaut, Sandwich-Konstruktionsplatten bestehen zu bis zu 90 Prozent, Holzplatten für die Fassadenverkleidung zu 75 Prozent und Fassadenplatten aus gepressten mineralischen Baustoffen sogar zu 100 Prozent aus recycelten Bauabfällen. Der DGNB (Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen) war das Projekt eine Würdigung bei der „Sustainability Challenge“ 2020 wert.

In Hannover steht bereits seit 2018 ein Recycling-Wohnhaus. Über die Hälfte des darin verbauten Materials hat schon ein Vorleben. So stammten die Holztüren etwa von einem alten Bauernhof und die Fensterrahmen aus einem ehemaligen Jugend-Haus. Das Fundament wurde aus Recyclingbeton gegossen, und die Fassade mit Isolationsmaterial aus alten Jutesäcken gedämmt, berichtet „Immobilienwirtschaft“. Das Massivholz-Gerüst wurde leimfrei gesteckt und geschraubt.

BIM und EPDs bringen Ordnung in die Materialerfassung

Damit Baumaterialien fachgerecht recycelt werden können, müssen sie bereits beim Einbau erfasst werden. Dabei geht es vor allem um die Materialeigenschaften, aber auch um die Umweltauswirkungen über den Lebenszyklus hinweg und die Wiederverwendbarkeit. Hierbei können das Building Information Modeling (BIM) und die auf Ökobilanzierungen beruhenden Umweltproduktdeklarationen (Environmental Product Declarations, EPDs) für Bauprodukte gute Dienste leisten.

Mittels BIM werden Bau-Daten digital standardisiert, so dass Architekten, Bauingenieure und Bauherren darauf zugreifen können. BIM eigne sich grundsätzlich auch zur Darstellung von Daten, die für die Nachhaltigkeitszertifizierung von Gebäuden benötigt werden, merkte die DGNB bereits 2018 an. Sie bietet mittlerweile ein eigenes Zertifikat für den nachhaltigen Rückbau von Gebäuden an.

In Deutschland stellt das Institut Bauen und Umwelt e.V. (IBU) Nachhaltigkeitsinformationen zu Baustoffen in Form von EPDs bereit. Das IBU verifiziert die EPDs und veröffentlicht sie in seiner Datenbank IBU.data. Über standardisierte Schnittstellen greifen auch Gebäudezertifizierungssysteme wie das der DGNB darauf zu.

Bislang enthalten EPDs keine spezifischen Informationen zum Lebensende eines Bauproduktes und seine Wiederverwertbarkeit. Die zugrundeliegende Norm EN 5804 verlangt lediglich Angaben zur Rohstoffversorgung, zum Transport und zur eigentlichen Herstellung eines Produktes. Daten zum weiteren Lebenszyklus sind optional. Dies wird sich aber 2023 ändern. Dann müssen auch die Entsorgungsphase sowie das Wiederverwendungs-, Rückgewinnungs- und Recyclingpotenzial der meisten Produkte deklariert werden.

Darauf hat sich das IBU im Rahmen eines Forschungsprojektes mit dem Umweltbundesamt vorbereitet und das Circularity Module for EPDs (CMEPD) entwickelt. Dieses erweitert die EPDs um die benötigten Informationen für die Kreislauffähigkeit.

Vonovia auf dem Weg zu mehr Kreislaufwirtschaft

Dem nachhaltigeren Bauen fühlen sich immer mehr Bauherren verpflichtet. Das Wohnungsunternehmen Vonovia führt in seinem aktuellen Nachhaltigkeitsbericht beispielsweise detailliert auf, welche Schritte in Richtung einer Kreislaufwirtschaft unternommen werden.

Bereits bei der Planung und beim Bau von Gebäuden soll ein späterer Rückbau mit bedacht werden. Vonovia spricht sich deswegen für ressourcenschonende Holzmodul- oder Hybridbauweisen aus. Diese Konstruktionen sollen demontierbar bleiben, also nur verschraubt oder gesteckt werden, damit alle Ausgangsmaterialien später getrennt und recycelt werden können.

Das für jedes Haus erstellte Produkthandbuch erweitert Vonovia künftig um ein Kapitel zur Kreislaufwirtschaft. Im Produkthandbuch wie auch in den Planungsrichtlinien werden darüber hinaus die Lebenszykluskosten der jeweils verwendeten Materialien definiert.

Seit Anfang 2021 ist Vonovia außerdem Partner des Online-Katasters für Baustoffe Madaster. Alle in einem Gebäude verbauten Materialien werden darin detailliert auch mit ihrem Wiederverwendungs- und Recyclingpotenzial erfasst. Ein webbasierter Material-Passport informiert dann über den materiellen, zirkulären und finanziellen Rohstoff-Restwert des Gebäudes.

Quelle: UmweltDialog
 

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