Circular Economy

Gebäude sollen zu „Material-Banken“ werden

Ist es ökologisch sinnvoller, neue, besonders energieeffiziente Gebäude zu errichten oder Bestandsgebäude zu sanieren? Das hat das Wuppertal Institut untersucht. Auf jeden Fall verringern Ersatz- und Recyclingbaustoffe die Umweltauswirkungen von Bauprodukten. In Deutschland bietet das IBU wichtige digitale Tools an, um den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft auf dem Bau zu unterstützen.

01.07.2022

Gebäude sollen zu „Material-Banken“ werden

Auf dem Bau benötigte Rohstoffe werden immer teurer. Oft sind sie knapp und ihre Gewinnung schädigt darüber hinaus die Umwelt. Recycelte und wiederverwendete Produkte wären eine gute Alternative. Das hat auch die Bundespolitik erkannt. Erst im Herbst 2021 vereinheitlichte die Bundesregierung die bis dato in allen Bundesländern unterschiedlich gehandhabten Regelungen für das Baustoff-Recycling mit einer neuen Mantelverordnung für Ersatzbaustoffe und Bodenschutz. Die darin enthaltene Ersatzbaustoffverordnung definiert Standards für die Herstellung und Verwertung mineralischer Ersatzbaustoffe.

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Allerdings sind Planende und Bauherren beim Thema Ersatzbaustoffe oft noch skeptisch. Das betrifft vor allem die Qualität und die zugesicherten Produkteigenschaften. Wo genau die Knackpunkte bei Recyclingbaustoffen liegen und wie sie besser und effizienter eingesetzt werden könnten, untersucht derzeit das Wuppertal Institut im Auftrag des IBU. Erste Einblicke in die Studie, die noch in diesem Jahr vorliegen soll, gab Michael Ritthoff von der Research Unit Circular Economy am Wuppertal Institut im vorigen Herbst auf dem IBU-Symposium „Guided by the future“: So erschweren ganz praktische Probleme das Recycling von Bauprodukten. Die Hersteller haben beispielsweise keinen Einfluss darauf, wie ihre Erzeugnisse im Bau verwendet und wie sie gegebenenfalls wieder ausgebaut werden. Zudem sind Gebäude eher langlebig. Das heißt, dass für viele Produkte, die heute eingebaut werden, noch überhaupt nicht absehbar ist, ob es dafür später einen Bedarf und die Technologie zur Wiederverwertung geben wird.

Rücknahmegarantien und Kreislauf-Label

Der Experte regte einige Verbesserungsmaßnahmen an: Zuallererst müsse es verlässliche Informationen zur Lebensdauer der Produkte geben. Dies sei die Voraussetzung für das spätere Recycling. Auch müsse bereits beim Einbau darauf geachtet werden, die Produkte möglichst wenig zu verunreinigen. Insgesamt müssten also Informationen zu den eingesetzten Stoffen, dem korrekten Einbau und ihrer Demontage bereitgestellt werden. Um die Sammelqualität und -menge zu erhöhen, sollte außerdem über die Einführung von Rücknahmegarantien nachgedacht werden.

Für den stärkeren Einsatz von Recycling-Baustoffen sprechen sich auch der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft (BNW) und der Bundesverband der Deutschen Entsorger (BDE) in einer gemeinsamen Stellungnahme aus. Noch viel zu selten forderten Bauplaner den Einsatz von Recycling-Produkten ein, meinen die Verbände. Bundesbehörden sollten bei öffentlichen Ausschreibungen Vorgaben für eine nachhaltige Beschaffungspraxis machen.

Zudem sprechen sich BNW und BDE für die Einführung eines Kreislauflabels des Umweltbundesamts auch für Bauprodukte aus. Es soll über Wiederverwendbarkeit, Reparierbarkeit, die Recyclingfähigkeit und den Rezyklatanteil der jeweiligen Produkte informieren. Die Bundesregierung solle außerdem den gesetzlichen Rahmen für Datenbanken schaffen, in denen Ressourcen erkundet, verfolgt und inventarisiert werden können. Die Baubranche sei in diesem Punkt bereits recht weit. Bauwerke würden so dank digital erfasster Rohstoffe faktisch zu „Material-Banken“.

Das IBU betreibt wichtige Bau-Datenbanken

Eine der wichtigsten Datenbanken für die Baubranche betreibt in Deutschland das Institut Bauen und Umwelt (IBU). Es veröffentlicht Umwelt-Produktdeklarationen (EPDs) deutscher Bauprodukthersteller in seiner Datenbank ibu.data und stellt sie über standardisierte Schnittstellen auch anderen Systemen wie etwa ÖKOBAUDAT oder dem Gebäude-Bilanzierungstool „eLCA“ des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung zur Verfügung. Weil EPDs bislang aber kaum Informationen zu Nachnutzungsoptionen der Produkte enthielten, legte das IBU vor einiger Zeit mit dem „Circularity Module für Umwelt-Produktdeklarationen“ (CMEPD) ein standardisiertes Format vor, das konkrete Informationen zum Recycling enthält. CMEPDs reduzieren somit die Unsicherheit, wie ein Bauprodukt nach seinem Ausbau verwertet und entsorgt wird. Derartige End-of-life-Informationen werden ab 2022 auch durch die EN 15804+A2 gefordert. Zudem berücksichtigen CMEPDs bereits die kommenden Anforderungen der Norm EN 5804. Ab 2023 müssen nämlich auch die Entsorgungsphase sowie das Wiederverwendungs-, Rückgewinnungs- und Recyclingpotenzial der meisten Produkte deklariert werden. Diese und weitere Nachhaltigkeitsinformationen von Bauprodukten hat das IBU außerdem in der neuen Datenbank SuPIM (Sustainable Product Information Module) hinterlegt.

Auch wenn das Wiederverwertungspotenzial von Bauprodukten mit Deklarationen wie CMEPD gekennzeichnet wird, bleibt die Frage: Wie lassen sich die Materialien beim Rückbau von Gebäuden wiederfinden? Bereits 2018 hat deshalb die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) auf die Vorteile hingewiesen, die sich bieten, wenn Nachhaltigkeits- und End-of-Life-Informationen im sogenannten Building Information Modelling (BIM) hinterlegt werden. Das BIM sei im „Prinzip der digitale Zwilling des Gebäudes“, erläuterte IBU-Geschäftsführer Dr. Alexander Röder im Interview mit UmweltDialog. Damit werden Baudaten dreidimensional und digital standardisiert für Architekten, Bauingenieure und Bauherren aufbereitet – einzelne Produkte können also identifiziert und gegebenenfalls gezielt entnommen werden.

Ein Haus wird abgerissen - es entsteht Bauschutt.

Sanierte Gebäude hinterlassen kleineren Fußabdruck

Mit Produktdeklarationen, Standards und Datenbanken kann also der umweltverträgliche Rückbau von Gebäuden gemanagt werden. Allerdings bleibt offen, wie sinnvoll es überhaupt ist, ältere Bestandsgebäude abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen. Wäre eine energetische Sanierung nicht ökologisch vorteilhafter? Das Wuppertal Institut kommt in seiner im Frühjahr 2022 im Auftrag des Wohnungsunternehmens LEG veröffentlichten Studie „Energetische Sanierung von Bestandsgebäuden oder Neubau“ zu einem eindeutigen Ergebnis: „Wird der gesamte Lebenszyklus berücksichtigt, verursacht die energetische Sanierung nur die Hälfte der CO2-Fußabdrücke eines Neubaus.“ Untersucht worden waren drei Beispielgebäude aus dem Bestand der LEG, die zwischen 1949 und 1978 gebaut worden waren. Über den gesamten Lebenszyklus analysierte das Wuppertal Institut den Primärenergieverbrauch sowie die durch die Gebäude verursachten CO2-Emissionen.

Neubauten – verbunden mit dem Abriss des Altgebäudes – verursachen demnach in der Erstellungsphase die meisten Auswirkungen auf den bis zum Jahr 2070 prognostizierten CO2-Fußabdruck des Gebäudes. Vor allem fällt dabei die Herstellung der Baumaterialien ins Gewicht. Das Wuppertal Institut beziffert die Menge der benötigten Neu-Rohstoffe für die drei Gebäude auf zwischen 1.276 und 7.070 Tonnen. Bei energetischen Sanierungen werden hingegen lediglich 2,3 bis 46 Tonnen Neu-Rohstoffe benötigt. Optimiert werden kann die Umweltbilanz hier noch durch den Einsatz von Recycling-Baustoffen: „Insgesamt sind die Umweltwirkungen, die mit Abfallaufbereitung und Beseitigung selbst verbunden sind, im Vergleich zu den Umweltwirkungen, die mit der Herstellung der Baumaterialien einhergehen, gering“, heißt es in der Studie.

Bei den energetisch sanierten Gebäuden tritt der größte Effekt bei der Senkung des CO2-Fußabdrucks wiederum nicht in der Erstellungs-, sondern in der Nutzungsphase beim Primärenergieverbrauch auf. Hier hat das Wuppertal Institut einen klaren Rat: „Die Daten der Nutzungsphase zeigen den notwendigen Umstieg der Wärme- und Warmwasserbereitstellung von fossilen Quellen hin zu Fern- und Nahwärme sowie effizienten Wärmepumpen und Ökostrom“, meint Sören Steger, Senior Researcher im Forschungsbereich Stoffkreisläufe und Projektleiter der Studie. Dann sei die Ressourceneffizienz der sanierten Altgebäude langfristig auf jeden Fall besser als beim Neubau.

Quelle: UmweltDialog
 

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