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Handbuch zeigt Lösungen für nachhaltiges Bauen

Der Bausektor steht unter Druck: Angesichts eines wachsenden Treibhausgasausstoßes, knapper werdender Ressourcen und einer stetig steigenden Weltbevölkerung sind nachhaltige Lösungen gefragt. Antworten liefert das Handbuch „Nachhaltigkeit, Ressourceneffizienz und Klimaschutz“. Herausgeber sind Dr. Bernhard Hauke (Editorial Director, Verlag Ernst & Sohn), die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V. und das Institut Bauen und Umwelt – IBU e.V.

01.06.2021

Handbuch zeigt Lösungen für nachhaltiges Bauen
Alnatura Campus Außenansicht

Bauen verantwortet hierzulande rund 30 Prozent der CO2-Emissionen und des Energieverbrauchs, circa 50 Prozent des Abfallaufkommens und etwa 90 Prozent der gesamten inländischen Entnahme mineralischer Rohstoffe. Darauf weist Lamia Messari-Becker, Professorin für Gebäudetechnologie und Bauphysik an der Universität Siegen, im Einführungskapitel hin. Die Branche spielt deshalb eine zentrale Rolle bei der Erreichung nationaler und internationaler Klimaziele.

Lasst uns einfach anfangen!

Und sie ist sich dieser Verantwortung auch bewusst, sagt Hans R. Peters, Vorstandsvorsitzender des IBU: „Die Baubranche setzt sich vermehrt für einen nachhaltigeren Umgang mit Ressourcen, Energie und für den Klimaschutz ein.“ Das beobachtet auch Dr. Christine Lemaitre, die die DGNB als Mitherausgeberin vertritt: „Hört man sich in der Baubranche um, sind sich alle einig: Es muss sich was ändern!“ Doch nach wie vor zögerten viele Architekten, Bauingenieure und Bauherren mit der konsequenten Umsetzung. Deshalb fordert sie: „Nachhaltigkeit muss noch viel mehr raus aus der Nische.“ Und weiter: „Geforscht wurde genug, erprobt wurde genug. Es ist Zeit zum Handeln, und das müssen wir endlich einfach tun.“

Alnatura Campus Innenansicht mit Birnbaum
Alnatura Campus Innenansicht mit Birnbaum

Wie sich dieses theoretische Wissen in ein konkretes Projekt umwandeln lässt, weiß man im Architekturbüro haascookzemmrich STUDIO2050, das die Alnatura Arbeitswelt in Darmstadt konzipiert hat. Mit ihrer Stampflehmfassade, dem großen, lichtdurchfluteten Atrium ohne starre Wände, der Holzlamellendecke und der natürlichen Innenausstattung wirkt sie nicht wie ein herkömmliches Bürogebäude. Sie ist vielmehr ein Beispiel dafür, was derzeit in Sachen nachhaltiges Bauen möglich ist. Das LowTech-Gebäude mit niedrigem Energieverbrauch und sehr guter Ökobilanz, hergestellt aus gesundheitlich und ökologisch unbedenklichen Baustoffen, erhielt wegen seiner „außerordentlichen Nachhaltigkeitsqualität“ den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur 2020. Abgebildet auf dem Cover des neuen Handbuchs, lädt dieses Beispiel dazu ein, sich mit konstruktiven Lösungen für mehr Nachhaltigkeit beim Planen und Bauen auseinanderzusetzen – auch abseits solcher Leuchtturmprojekte.

„Die Betrachtungsweise muss ganzheitlicher werden“

Maßnahmen zur Energieeffizienz und CO2-Reduktion im Betrieb sind dabei wichtige Stellschrauben. Sie allein reichen aber nicht aus, wie Martin Haas und Lynn Mayer von haascookzemmrich STUDIO2050 erläutern. „In Deutschland steht der Betrieb des Gebäudes im Vordergrund. Oftmals bezieht sich Nachhaltigkeit auf eine effiziente Anlagentechnik. Dabei wird vergessen, dass der Materialeinsatz und die damit verbundene graue Energie einer Bauaufgabe wesentlich sind und für die CO2-Bilanz der gebauten Umwelt gemeinsam betrachtet werden müssen.“ Als graue Energie wird die Energie bezeichnet, die benötigt wird, um ein Gebäude zu errichten – von der Energie zur Gewinnung von Materialien und zum Herstellen und Verarbeiten von Bauteilen über den Transport von Menschen, Maschinen, Bauteilen und Materialien zur Baustelle bis hin zum Einbau der Bauteile und der Entsorgung. Bei einem Neubau fielen mehr als 70 Prozent der Treibhausgase in der Bauphase an, bei einem Umbau seien es 50 Prozent. Erst die ganzheitliche Betrachtung über den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes hinweg – von der Errichtung über den Betrieb bis hin zum Rückbau – gibt Aufschluss darüber, wie nachhaltig ein Gebäude ist, und wie die einzelnen Bauprodukte hinsichtlich ökologischer, sozialer und ökonomischer Aspekte optimiert werden können.

Schon heute gebe es eine Reihe von standardisierten Methoden und Datenbanken, die bei dieser Analyse unterstützen und den Aufwand reduzieren können, erklärt Diplom-Ingenieur Hans R. Peters. Für die Bewertung der Umweltauswirkungen etwa habe sich die Ökobilanzierung als Werkzeug etabliert. Um eine Ökobilanzierung durchführen zu können, bedarf es wiederum bestimmter Daten, wie zum Beispiel zum ökologischen Fußabdruck der verwendeten Baumaterialien, wie sie in den Umweltproduktdeklarationen (Environmental Product Declarations, kurz: EPDs) dokumentiert sind. Die EPDs mit Angaben zu den Grundstoffen, zur Stoffherkunft, zur Ressourcennutzung oder auch zu gesundheitsbezogenen Aspekten werden in der Datenbank des IBU oder der deutschen Baustoffdatenbank ÖKOBAUDAT veröffentlicht.

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Nachhaltiges Bauen braucht Transparenz

Zum Messen, Evaluieren und Bewerten der Nachhaltigkeitsqualität von Gebäuden haben sich in Deutschland und weltweit verschiedene Gebäude- beziehungsweise Green-Building-Zertifizierungssysteme entwickelt. In Deutschland gibt es seit 2009 das Deutsche Gütesiegel Nachhaltiges Bauen des DGNB e.V. Deren Geschäftsführerin Dr. Christine Lemaitre ist überzeugt: Es braucht „die ehrliche und vielleicht auch unbequeme Transparenz, um zu sehen, was funktioniert und was nicht.“ Genau das sei die Philosophie des DGNB-Zertifizierungssystems. Zu den Funktionen von Produktdeklarationen und Zertifikaten ergänzt DGNB-Präsident Prof. Alexander Rudolphie in seinem Beitrag: Die Menge der zu beachtenden Kriterien wachse ständig, die Bewertung und Auswahl der Materialien und Produkte erscheine immer komplexer und sei mit zahlreichen Zielkonflikten behaftet. Durch ein System wie das des DGNB e.V. werde dieser Prozess einfacher und praktikabel.

Visionen vom Bauen für die Welt von morgen

Neben steigenden Umwelt- und Klimaschutzanforderungen kommen künftig weitere Herausforderungen auf die Branche zu. Dazu zählt der steigende Bedarf an zusätzlicher Gebäudefläche für eine wachsende Weltbevölkerung. Professor Werner Sobek mahnt in seinem Artikel „Bauen für die Welt von morgen“: „Wir verfügen nicht über die benötigten Baustoffmengen, um so für die nächste Generation zu bauen, wie wir selbst es bisher getan haben.“ Die Konsequenz: „Für mehr Menschen mit weniger Material bauen.“ Zudem fordert er einen zügigen Umstieg auf eine „umweltkompatible Energieversorgung“.

Einen positiven Wandel kann die Circular Economy herbeiführen, wie Martin Pauli ausführt. Er leitet das Foresight Beratungsgeschäft für Arup in Deutschland. Bei der Circular Economy handelt es sich um ein System, „in welchem Materialressourcen innerhalb geschlossener biologischer und technischer Kreisläufe zirkuliert werden können (Cradle-to-Cradle-Prinzip).“ So bestehe die Möglichkeit, diese unendlich wiederzuverwenden. Für Gebäude bedeutet das: Alle verbauten Produkte sind biologisch abbaubar und haben somit keine negativen Auswirkungen mehr auf die Menschen und die Umwelt. Abfall gibt es im Cradle-to-Cradle-Szenario nicht.

Gute Beispiele aus der Industrie

Mit Blick auf die Praxisbeispiele, die in dem Handbuch versammelt sind, entsteht der Eindruck, dass sich das Prinzip der Kreislaufwirtschaft immer stärker durchsetzt. So können die Ziegelwerke Leipfinger-Bader neuerdings einen geschlossenen Wertstoffkreislauf für ihre massiven Mauerziegel gewährleisten. Um den auf Baustellen anfallenden Ziegelbruch wieder in die Wertschöpfungskette zurückzuführen, hat das Unternehmen eine eigene Recyclinganlage entwickelt. Neben dem Recycling und einer hochwertigen Wiederverwertung von Materialien wie Aluminium und Glas gewinnen auch traditionelle Materialien wie Lehm sowie nachwachsende Rohstoffe wie Stroh und Hanf, etwa zur Dämmung, an Bedeutung. Auch Holz, einer der ältesten Baustoffe der Welt, erlebt zurzeit eine Renaissance. Für Beton wiederum, wichtigster Baustoff für moderne Gebäude, werden Alternativen wie Infraleichtbeton oder Carbonbeton entwickelt, die eine bessere CO2-Bilanz versprechen.

Und für die Zukunft gilt: Es muss nicht immer Hightech sein. Im Gegenteil wird betont, dass es bei einer Material- und Ressourcenoptimierung auf Einfachheit ankomme. Das kann zum Beispiel bedeuten, wie im Fall des Alnatura Campus, dass passive Maßnahmen zur Belüftung und Kühlung einem hohen technischen Aufwand vorgezogen werden. Gleichzeitig verspricht die Robotik für das nachhaltige Bauen von Nutzen zu sein: So wird zum Beispiel an intelligenten Verfahren für die Fertigung und Montage auf der Baustelle sowie ihre digitale Verknüpfung mit Planung und Vorfertigung geforscht.

Über das Buch

Hauke, Bernhard (Hrsg.): Nachhaltigkeit, Ressourceneffizienz und Klimaschutz. Konstruktive Lösungen für das Planen und Bauen. Aktueller Stand der Technik. Berlin: 2021. Wilhelm Ernst & Sohn, Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG. Mitherausgeber sind die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V., vertreten durch Dr. Christine Lemaitre, und das Institut Bauen und Umwelt – IBU e.V., vertreten durch Dr. Alexander Röder.

Über Dr. Bernhard Hauke

Dr. Bernhard Hauke ist Bauingenieur sowie DGNB-Consultant und war eine Dekade als Tragwerksplaner in leitender Funktion in der Bauindustrie tätig. Anschließend hat er als Verbandsgeschäftsführer maßgeblich die Erstellung von Umwelt-Produktdeklarationen der deutschen Stahlindustrie vorangetrieben und war in zahlreichen Gremien aktiv, unter anderem als Vorstand des IBU und als Bauproduktebeirat der DGNB.

Quelle: UmweltDialog
 

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