Produktion

„Bis 2025 sollen 90 % unserer Produkte kreislauffähig sein.“

Der Markt für Berufsbekleidung wächst stetig. Alleine in Deutschland auf mehr als eine Milliarde Euro im Jahr. Der niederländische Marktführer HAVEP punktet mit Nachhaltigkeit. UmweltDialog sprach darüber mit der Geschäftsführerin Anna van Puijenbroek.

27.11.2019

Anna van Puijenbroek
Anna van Puijenbroek

UmweltDialog (UD): Rana Plaza war in Deutschland so etwas wie 9/11 im Textilsektor. Ist das in den Niederlanden ähnlich?

Anna van Puijenbroek: Rana Plaza war sicherlich ein Wendepunkt für uns alle. Es hat gezeigt, dass wir alle, Produzenten wie auch Konsumenten, eine Verantwortung haben und nicht die Augen verschließen dürfen. Als Unternehmen haben wir einen direkten Einfluss auf die Lieferkette. HAVEP besitzt eine arbeitsintensive Produktion, und deshalb sorgen wir gut für unsere Leute. Als Familienbetrieb mit 150 Jahren Geschichte war uns immer bewusst, dass wir unternehmerische Verantwortung tragen. In unseren Produktionsstätten zahlen wir zum Beispiel statt Mindestlöhnen so genannte „Living Wages“, also existenzsicherende Löhne. Das ist deutlich mehr.

UD: Nachhaltige Ideen sind im Verbraucherbereich derzeit beliebt. Sie arbeiten aber eher im B2B-Geschäft. Können Sie auch dort mit Nachhaltigkeit punkten?

van Puijenbroek: Wir sehen definitiv eine erhöhte Nachfrage. Was uns von Wettbewerbern unterscheidet, ist, dass wir nicht nur eine ökologische Linie neben vielen anderen haben. Wir wollen unsere gesamte Kollektion umfassend nachhaltiger machen. Auch am Markt sehen wir inzwischen eine Veränderung in Form wachsender Nachfrage nach solchen Produkten. Zum Beispiel liefern wir jetzt die Arbeitskleidung für den Rettungsdienst in den Niederlanden. Das war eine öffentliche Ausschreibung, und bei den Auswahlkriterien spielten nachhaltige Bekleidung und Transparenz über die Bedingungen in der Lieferkette eine sehr große Rolle.

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UD: Aus diesem Grund haben Sie auch die Initiative #havepositiveimpact ins Leben gerufen. Worum geht es dabei?

van Puijenbroek: Wir möchten mit unserer Geschäftstätigkeit Positives bewirken – das ist mehr als nur Schadensbegrenzung. Das heißt, wir wollen einen positiven Impact für Umwelt und Gesellschaft schaffen. Lassen Sie mich das am Beispiel Klimaschutz erläutern. Als Beitrag zur Lösung der Klimakrise wollen wir langfristig Bekleidung herstellen, die nicht nur klimaneutral ist, sondern sogar CO2 aus der Atmosphäre absorbiert. Derzeit ist „Zero Emissions“ zwar das realistischere Ziel, aber wir versuchen auch hier weiterzugehen und eine Richtung vorzugeben. 

UD: Wie soll das gehen? 

van Puijenbroek: Bis 2025 sollen 90 Prozent unserer Produkte kreislauffähig sein. Das ist sehr ambitioniert, ich weiß. Unsere erste so genannte Cradle-to-Cradle-Linie haben wir bereits 2012 auf den Markt gebracht. Wichtig sind uns dabei nicht nur die Materialien, sondern auch die eingesetzten Farbstoffe. So konnten wir erstmals eine Linie mit einem sehr ökologischen Färbungsprozess vorstellen.

UD: Wie messen Sie Nachhaltigkeit?

van Puijenbroek: Mittels eines eigens entwickelten „Environmental Cost Indicators“. Wir haben in jedem Produktionsschritt die Kosten in Euros ermittelt und können so ganz genau simulieren, wie sich die umweltbezogenen Kosten, je nach Maßnahme, verändern. Daraus leiten wir Optimierungsmöglichkeiten ab. Wir sehen zum Beispiel, dass wir in unseren Färbeprozessen schon sehr gut sind. Deshalb war das Siegel „Bluesign“ für uns ein logischer Schritt. Der nächste ist für uns das Thema Baumwolle: Was sind bezahlbare, ökologisch positive Alternativen zu Baumwolle? Aber auch Fragen zur Sicherheit: Wenn etwa ein Stoff schwer entflammbar sein soll, dann braucht es dafür ein bestimmtes „Finish“. Derzeit gibt es dafür keine nachhaltigen Alternativen. Hier muss noch viel entwickelt werden. Zum Beispiel von Universitäten, mit denen wir an dieser Stelle auch zusammenarbeiten.

UD: Nachhaltiger wäre es, weniger Kleidung herzustellen. Aber ruiniert das nicht Ihr Geschäft?

van Puijenbroek: Die gesamte Textilindustrie ist auf Effizienz getrimmt. Wenn wir auf Dauerhaftigkeit umstellen würden, wird vieles teurer. Und nicht jeder Kunde ist bereit, diese kurzfristige Investition zu tätigen. Aber längeres Tragen von Kleidung ist durchaus ein sinnvoller Weg für HAVEP. Dann verkaufen wir zwar weniger Neuware, aber dafür lassen sich neue Dienstleistungen damit verknüpfen: Reparaturen nehmen zu. Außerdem haben wir eine Retourenlogistik für Endkunden eingeführt, über die sie ihre Bekleidung zurückgeben können. Eigentlich wäre das eine Aufgabe des Handels, der ist aber noch nicht so weit. So geben wir als Produzenten halt unseren Partner direkt die Möglichkeit zum Recycling an die Hand. So kommt die Kreislaufwirtschaft in Schwung. Und viele Städte und Kommunen fragen gerade danach.

Produktion von Ambulanzkleidung im Atelier in Skopje
Produktion von Ambulanzkleidung im Atelier in Skopje

UD: Sie produzieren in Tunesien, Marokko und Mazedonien. Wettbewerber setzen eher auf Billigstandorte in Asien. Warum Sie nicht?

van Puijenbroek: In den 60er Jahren haben meine Großeltern die Produktion nach Tunesien und Mazedonien gebracht, und bis heute arbeiten wir zu 70 Prozent noch mit den gleichen Betrieben von damals. Wir haben über die letzten 60 Jahre mit den Menschen dort eine enge Partnerschaft aufgebaut. Quasi über Generationen hinweg. Auch das ist Nachhaltigkeit. Gerade aufgrund dieser gewachsenen Beziehungen können wir von unseren Partnern vor Ort auch fordern, dass sie „Living Wages“ zahlen, um die Lebensqualität der Arbeitenden und ihrer Familien zu verbessern. 

UD: Gute Arbeitsbedingungen überprüft die Fair Wear Foundation. Was lernen Sie als Unternehmen von den NGOs? 

van Puijenbroek: Wenn wir mit den Unternehmen reden, dann meist mit der Geschäftsführung. Wir können nicht einfach direkt zu den Arbeitern gehen und sagen: Zeig mir mal deine Lohnabrechnung! Aber die Kontrolle der geforderten Standards ist wichtig und das macht die Fair Wear Foundation für uns.

UD: Vielen Dank für das Gespräch!

Über HAVEP:

Die niederländische Firma HAVEP ist ein Spezialanbieter von Arbeitsbekleidung. Hauptabsatzmärkte sind die Benelux-Staaten als Stammgebiet und künftig Deutschland, Österreich und die Schweiz als neuer Zielmarkt. HAVEP gehört zur VP Capital, einer Unternehmensgruppe der van Puijenbroek-Familie. Diese besitzt auch Anteile am belgisch-niederländischen Medienkonzern Mediahuis, zu dem Hollands führende Tageszeitung De Telegraaf gehört.

Quelle: UmweltDialog
 

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