Circular Economy

„Circular Economy ist kein Selbstzweck“

Müllvermeidung und Recycling: Das sind die Grundgedanken hinter der Circular Economy. Die dafür nötigen Prozesse sind für Unternehmen aber oft komplex. Daran forscht das „Christian Doppler Labor für Nachhaltiges Produktmanagement in einer Kreislaufwirtschaft“. UmweltDialog hat mit dem Laborleiter Prof. Dr. Rupert Baumgartner und Andreas Schiffleitner, Leiter Competence Center Sustainability von iPoint Austria, über das Forschungsvorhaben gesprochen.

29.07.2019

UmweltDialog: Die Circular Economy (CE) gilt als ressourcenschonendes Wirtschaftsmodell der Zukunft. Davon ist man auch bei iPoint-systems überzeugt. Aber was steckt eigentlich hinter dem Begriff „Kreislaufwirtschaft“, Herr Schiffleitner?

Andreas Schiffleitner: Kreislaufwirtschaft kennt keine Müllhalde und kein Verschiffen von „wertlosen“ Gegenständen in andere Länder für deren Entsorgung. Dort, wo in der linearen Wirtschaft Produkte nach der Gebrauchsphase entsorgt werden, findet in der Kreislaufwirtschaft die Sammlung oder Rücknahme der Gegenstände statt, welche dann durch Recycling oder Demontage so zerlegt werden, dass ihre Einzelteile wieder Eingang in den Wirtschaftskreislauf finden, nämlich in die Produktion. Der Kreislaufwirtschaftsgedanke ist mindestens 40 Jahre alt. Leasingsysteme für z.B. Druckerstationen sind gebräuchlich.

Andreas Schiffleitner, Leiter Competence Center Sustainability von iPoint Austria.
Andreas Schiffleitner, Leiter Competence Center Sustainability von iPoint Austria.

Das hört sich wirklich nachhaltig an. Ganz so einfach ist das aber nicht. Ab einem bestimmten Punkt ist beispielsweise Recycling energieintensiver als die Primärgewinnung von Rohstoffen. Herr Prof. Dr. Baumgartner, wann macht CE Sinn?

Prof. Dr. Rupert Baumgartner: Das ist ein wichtiger Punkt: CE ist kein Selbstzweck, sondern ein Weg, um eine nachhaltigere Wirtschaft und Gesellschaft zu erreichen. CE macht dann Sinn, wenn die ökologischen und sozialen Vorteile einer CE-Aktivität, beispielsweise Recycling, größer sind als die entsprechenden Aufwendungen. Wenn jedoch Recycling zu höheren Umweltauswirkungen führt als eine Entsorgung, dann macht dies ökologisch keinen Sinn. Um dies beurteilen zu können, brauchen wir aber eine gute Nachhaltigkeitsbewertung. Deshalb legen wir auf dieses Thema einen großen Schwerpunkt im Rahmen unserer Forschung im Christian Doppler Labor (CD-Labor) für Nachhaltiges Produktmanagement in einer Kreislaufwirtschaft.

Prof. Dr. Rupert Baumgartner, Leiter des Christian Doppler Labors für Nachhaltiges Produktmanagement in einer Kreislaufwirtschaft.
Prof. Dr. Rupert Baumgartner, Leiter des Christian Doppler Labors für Nachhaltiges Produktmanagement in einer Kreislaufwirtschaft.

Das CD-Labor wurde Anfang April eröffnet. Was erforschen Sie hier genau?

Baumgartner: Wir wollen in den kommenden Jahren erforschen, wie man sich die Digitalisierung zu Nutze machen kann, um Produkte und Dienstleistungen nachhaltig zu gestalten und um besser beurteilen zu können, wie nachhaltig ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Dienstleistung ist. Zusätzlich sehen wir uns an, wie Entscheidungsprozesse innerhalb und zwischen Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit ablaufen. Damit wollen wir einen Beitrag zur Entwicklung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft leisten.

Das klingt kompliziert. Wie genau funktioniert das?

Baumgartner: Am Anfang steht die Erhebung von Informationen durch Umfragen bei Unternehmen mit Schwerpunkt in der Automobil- und der Verpackungsindustrie, die sich in Richtung Kreislaufwirtschaft weiterentwickeln wollen. Wir möchten wissen, welche Daten, die für eine Nachhaltigkeitsbewertung interessant sein könnten, von den Unternehmen gesammelt werden. Beispiele dafür sind etwa Energiebedarf, Emissionen, Herkunft der Rohstoffe, Arbeitsbedingungen, Abfall, Transportwege. Zu ermitteln wird auch sein, ob die bisherigen Aufzeichnungen ausreichen oder wichtige Informationen noch gar nicht erhoben wurden. Nach Klärung der Frage, welche Anforderungen ein nachhaltiges Produkt zu erfüllen hat, werden wir uns der Entwicklung effizienter Methoden zur Sammlung, Vernetzung und Auswertung der relevanten Daten widmen. Und wir planen auch Experimente zur Analyse des Entscheidungsverhaltens.

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Dazu arbeiten Sie unter anderem auch mit iPoint zusammen. Wie kann man sich diese Zusammenarbeit vorstellen?

Schiffleitner: Es gibt einen intensiven Wissensaustauch zwischen iPoint und dem CD-Labor. iPoint trägt mit seinem Wissen über Softwarelösungen und Dienstleistungen im Bereich der Datenerfassung in der Lieferkette, der Ökobilanz, der Einhaltung von Umwelt- und Sozialvorschriften und der End-of-Life-Simulation zu den Forschungsaktivitäten und zur erfolgreichen Umsetzung der CD-Labor Ziele bei. Diese Kenntnisse und Erfahrung basieren hauptsächlich auf den vielen Projekten mit 55.000 Kunden von iPoint weltweit. Dieser Kundenstamm ist auch ein wichtiger Beitrag zum CD-Labor: iPoint-Austria ermöglicht es dem CD-Labor, Online-Befragungen und Experteninterviews mit diesem Kundenstamm zu führen, Anforderungen zu sammeln, Konzepte zu validieren und Prototypen zu testen.

Baumgartner: Durch die enge Zusammenarbeit des CD-Labors mit iPoint und der ARA Altstoff Recycling Austria kann sichergestellt werden, dass die Ergebnisse nicht nur von wissenschaftlicher, sondern auch von praktischer Relevanz sind und in innovative Produkte und Dienstleistungen münden, z.B. in neue Softwarelösungen zur Bewertung und zum nachhaltigkeitsorientierten Design von Produkten im Kontext der Kreislaufwirtschaft. Der regelmäßige Austausch mit unseren direkten Unternehmenspartnern und unserem erweiterten Industrienetzwerk ermöglicht es uns, forschungsrelevante Problemstellungen in betrieblichen Abläufen zu erkennen und unsere Forschungsergebnisse, etwa in Form von Konzepten und Methoden zur nachhaltigkeitsorientierten Entscheidungsunterstützung, anhand von Anwendungsfällen zu testen und weiterzuentwickeln.

Herr Schiffleitner, welche Vorteile ergeben sich dadurch für Unternehmen?

Schiffleitner: iPoint hat es sich zum Ziel gesetzt, eine Lösung für Produkt-Compliance und Nachhaltigkeitsanforderungen für den gesamten Produktlebenszyklus bereitzustellen. Eine große Herausforderung im Hinblick auf eine Kreislaufwirtschaft ist während der Nutzungsphase, die Produkte über die Jahre hinweg im Auge zu behalten. Dies behindert die nachfolgenden Prozesse des Recyclings, der Reparatur, der Verwertung oder des Upcyclings und damit der Wiederverwendung. Dies in Kombination mit neuen, sich schnell verändernden Technologien stellt Unternehmen vor große Herausforderungen, bei der Produktentwicklung in die richtige Richtung zu arbeiten. Durch Kooperationen wie sie im CD-Labor möglich sind, profitieren Unternehmen von den Ergebnissen der Grundlagenforschung, um den Fokus richtig zu legen.

Vielen Dank für das Gespräch!

 
 

Was machen CD-Labors?

An Christian Doppler Labors wird praxisorientierte Grundlagenforschung für konkrete unternehmerische Forschungsfragen betrieben. Dazu arbeiten die Wissenschaftler eng mit Unternehmen zusammen. Das CD-Labor für Nachhaltiges Produktmanagement in einer Kreislaufwirtschaft forscht an Lösungen für die Nachhaltigkeitsbewertung von Produkten sowie Dienstleistungen, und will entsprechende Grundprinzipien formulieren. Die Forschungseinrichtung wurde im April 2019 an der Universität Graz eröffnet, die Laufzeit geht bis 2025.

Quelle: UmweltDialog
 

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