Business Case

Wie Versicherer nachhaltiger werden wollen

In der Versicherungsbranche kommt Bewegung in den Nachhaltigkeitsdiskurs. Immer mehr Versicherer schließen zum Beispiel Geschäfte mit der Kohleindustrie aus. Als Rahmenwerk für die Umsetzung von ESG-Themen im Kerngeschäft in der Branche haben sich die Principles for Sustainable Insurance (PSI) etabliert.

06.01.2022

Wie Versicherer nachhaltiger werden wollen

Ob Privatpersonen, Unternehmen oder sonstige Institutionen: Alle benötigen Versicherungen, um sich gegen unterschiedliche Risiken zu schützen. Doch für manche Firmen, die sich zum Beispiel an der Kohleverstromung beteiligen oder ihr Geld mit anderen fossilen Rohstoffen verdienen, könnte es zukünftig schwieriger werden, passende Versicherer zu finden. Der Energieriese RWE musste diese Erfahrung schon machen. Denn das französische Versicherungsunternehmen AXA versichert den Konzern aufgrund seiner Kohlegeschäfte nicht mehr, berichtete Anfang 2021 die Nachrichtenagentur Bloomberg. AXA werde bis Ende 2022 alle Verbindungen zu RWE abbrechen und auch keine Projekte des Energiekonzerns im Bereich der erneuerbaren Energien versichern.

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Mehr Nachhaltigkeit im Kerngeschäft

So wie der französische Versicherer halten es auch immer mehr deutsche Versicherungsunternehmen, denn die Branche will insgesamt nachhaltiger werden. „Langfristig wollen die Versicherer keine gewerblichen und industriellen Risiken mehr zeichnen, die den Transformationsprozess zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Wirtschaft negieren. Damit leistet die Branche einen Beitrag zum nachhaltigen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft“, erklärt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) in einem Positionspapier. Bis 2025 streben die Unternehmen an, ESG-Kriterien (also ökologische und soziale Kriterien sowie Aspekte guter Unternehmensführung) weiter in ihre Zeichnungsrichtlinien zu integrieren, nachhaltigere Versicherungsprodukte auszubauen und ihre Geschäftspraktiken „grüner“ zu gestalten.

Um ihr Engagement zu unterstreichen, sind viele Versicherungsunternehmen (und auch der GDV) Mitglied bei den Principles for Sustainable Insurance (PSI), einer Initiative des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP FI). Vorgestellt wurden die PSI im Jahr 2012 auf der UN-Konferenz für Nachhaltige Entwicklung (Rio +20). Laut eigenen Angaben ist dies sogar die größte gemeinsame Initiative der UN und der Versicherungsbranche. Mehr als 200 Versicherungsunternehmen und Organisationen sind mit dabei. Ziel der PSI ist es, ESG-Risiken in der Versicherungsbranche besser zu verstehen, ihnen vorzubeugen und sie zu verringern. Außerdem soll auch der Risikoschutz so besser werden.

Vier Prinzipien für nachhaltige Versicherungen

ESG

Dazu hat die Initiative vier Grundsätze aufgestellt, die als Leitfaden und Rahmenwerk Versicherungen dabei helfen sollen, mit ESG-Risiken und -Chancen im gesamten Geschäftsbetrieb richtig umzugehen. So lautet das erste Prinzip: „Wir werden Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen, die für unser Versicherungsgeschäft relevant sind, in unsere Entscheidungsfindung einbeziehen.“ Dazu kann zum Beispiel gehören, ESG-Aspekte in Investitionsentscheidungen einfließen zu lassen, entsprechende Prozesse im Risikomanagement und im Underwriting zu etablieren, um ESG-Themen zu identifizieren und zu bewerten oder auch Produkte und Services zu entwickeln, die ein geringeres Risiko oder sogar positive Auswirkung auf ESG-Themen haben. Prinzip zwei besagt, auch mit Kunden und Geschäftspartnern zusammenzuarbeiten, um das Bewusstsein für diese Themen zu schärfen und neue Lösungen zu entwickeln. So sollen auch andere mit ins Boot geholt werden.

Das dritte Prinzip umfasst zudem die Zusammenarbeit mit Regierungen, Aufsichtsbehörden und anderen wichtigen Stakeholdern. Unternehmen können zum Beispiel Regierungen dabei helfen, neue rechtliche Rahmenbestimmungen auf den Weg zu bringen. Mit dem vierten Prinzip verpflichten sich die Mitglieder der PSI schließlich dazu, regelmäßig öffentlich über ihre Fortschritte in dem Bereich zu berichten. Die Prinzipien sind aber alle freiwillig, und jedes Unternehmen kann die Maßnahmen ergreifen, die es für angemessen und umsetzbar hält. Der Vorstand der Initiative behält sich vor, Mitglieder im Zweifelsfall auch auszuschließen.

Versicherer ziehen sich aus Kohle zurück

Wie das dann in der Praxis aussieht, zeigt eben das Beispiel von AXA. Der Versicherer ist Gründungsunterzeichner der PSI und somit schon von Anfang an mit dabei. In diesem Zusammenhang führte das Unternehmen auch die Zeichnungsbeschränkungen für die Kohle- und Ölsandindustrie ein. 2019 beschleunigte AXA seine Bemühungen und kündigte an, ab 2030 in den OECD-Ländern und der EU keine Kohleprojekte mehr neu zu versichern und auch nicht in sie zu investieren. Bis 2040 will der Versicherer sogar ganz aus Kohle aussteigen. Der Ausschluss von RWE war hier für AXA also die logische Konsequenz. Stattdessen setzt das Unternehmen zunehmend auf nachhaltige Versicherungen. So zählt AXA eigenen Angaben zufolge zu den größten Waldversicherern in Deutschland und versichert außerdem zahlreiche Projekte rund um Erneuerbare Energien.

Bei der Allianz hat die Kohleindustrie ebenfalls schlechte Chancen, versichert zu werden. Die Allianz zählt seit 2014 zu den Unterzeichnern der PSI und hat ESG-Kriterien in ihre Versicherungsstandards eingeschlossen. 2015 kündigte das Unternehmen an, sich aus Kohle-Investments in der Kapitalanlage zurückzuziehen und schränkte 2018 auch die Versicherung von Kohleminen und Kohlekraftwerken ein. Anfang dieses Jahres ging die Allianz noch einen Schritt weiter, wie die WirtschaftsWoche berichtet: Ab 2023 will das Unternehmen unter anderem Stromkonzerne ausschließen, die mehr als 25 Prozent ihrer Energie aus Kohle erzeugen, und ab 2025 gilt das bereits bei einem Anteil von 15 Prozent.

Auch die Talanx Gruppe hat sich zu den PSI bekannt und will ab 2038 keine Industrien mehr versichern, die auf Kohle setzen. Ausgeschlossen werden sollen auch Unternehmen, die mit Öl- und Teersandwirtschaften. Talanx fokussiert sich stattdessen auf Investitionen im Bereich Infrastruktur und Erneuerbare Energien und möchte „einer der führenden Versicherer erneuerbarer Energien“ werden, wie es vom Unternehmen heißt. Insgesamt plant die Versicherungsgruppe, die Investitionen in den Bereichen auf fünf Milliarden Euro auszubauen. Aktuell beträgt das Volumen noch rund 3,7 Milliarden Euro.

Was sind die Principles for Responsible Investment?

Die Principles for Responsible Investment (PRI), ins Leben gerufen im Jahr 2006, sind ebenfalls eine Finanzinitiative der Vereinten Nationen. Im Fokus stehen hier nachhaltige Investitionen und die Beachtung und Umsetzung von ESG-Themen in diesem Bereich. Die PRI setzen sich für ein verantwortungsvolles Finanzsystem ein und haben dazu sechs Prinzipien formuliert. Ähnlich wie die Principles for Sustainable Insurance (PSI) dienen auch die PRI als freiwilliges und globales Rahmenwerk, in diesem Fall für eine nachhaltigere Finanzwirtschaft. Zahlreiche Unternehmen und Organisationen sind bereits Mitglied der PRI, darunter auch viele Versicherungen und Unterzeichner der PSI.

Quelle: UmweltDialog
 

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