Klimawandel

Wiederaufschwung nach Corona: geht das auch klimafreundlich?

Viele Unternehmen sind von den Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie wirtschaftlich stark beeinträchtigt. Hilfen von der Bundesregierung sollen den Einbruch auffangen und die Wirtschaft nach Corona wieder in Schwung bringen. Eine Studie von EY zeigt: Der Wiederaufschwung geht auch „grün“ – mit Unterstützung durch staatliche Förderung.

24.11.2020

Wiederaufschwung nach Corona: geht das auch klimafreundlich?

Deutschland befindet sich gerade mitten im zweiten Shutdown: Restaurants sind geschlossen und dürfen nur Take Away anbieten; persönliche Kontakte sind beschränkt, und für viele ist wieder (oder immer noch) Homeoffice angesagt. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Wirtschaft und unseren Alltag, sondern auch auf den CO2-Ausstoß. Ein internationales Forscherteam fand heraus, dass die CO2-Eimissionen bereits im ersten Halbjahr dieses Jahres, dank des ersten weltweiten Shutdowns, deutlich zurückgingen. Insgesamt wurden über acht Prozent weniger CO2 ausgestoßen als in den ersten sechs Monaten 2019 – das ist ein Rückgang von über 1.500 Millionen Tonnen, berichtet das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK).

Entwarnung für den Klimawandel gibt es allerdings nicht, denn kurz nach Beendigung des ersten Shutdowns hätten viele Volkswirtschaften wieder ihr vorheriges CO2-Niveau erreicht. Auch auf die langfristige CO2-Konzentration in der Atmosphäre seien die Auswirkungen des zeitweisen geringeren Ausstoßes nur gering. Eine Lösung sehen die Forscher im Wandel des Industrie- und Handelssektors. Ein Rückgang menschlicher Aktivitäten könne nicht die Antwort sein, so Ko-Autor Hans Joachim Schellnhuber, Gründungsdirektor des PIK: „Stattdessen brauchen wir umfassende strukturelle Veränderungen in unseren Energieproduktions- und -verbrauchssystemen. Individuelles Verhalten ist sicherlich wichtig, aber worauf wir uns wirklich konzentrieren müssen, ist die Verringerung der CO2-Intensität unserer globalen Wirtschaft.“

Ein Solardach wird montiert.

Klimafreundlicher Wiederaufschwung

Wie der Aufbau der Wirtschaft nach der Corona-Pandemie klimafreundlich funktionieren kann, zeigt die Studie „A Green Covid-19 Recovery and Resilience Plan for Europe“ von
dem Wirtschaftsprüfungs- und -beratungsunternehmen EY und der European Climate Foundation (ECF). Darin sind 1.000 startbereite Leuchtturm-Projekte aus ganz Europa aufgelistet, die die Klimawende voranbringen können. Die „grünen“ Projekte kommen aus den Sektoren Energie, Transport, Gebäude, Industrie und Landnutzung und haben laut der Studie das Potential, etwa 2,3 Gigatonnen CO2 einzusparen. Darüber hinaus können sie in der EU mehr als zwei Millionen Arbeitsplätze schaffen. „Denjenigen, die sagen: ‚In Zeiten wie diesen müssen Schönwetterthemen wie Klimaschutz hintenanstehen‘, zeigt unsere Studie das Gegenteil: Wiederaufschwung und Klimaschutz gehen sehr gut zusammen, die Politik legt ihre Programme entsprechend aus, und die Projekte dazu sind da“, erklärt Robert Seiter, Associate Partner Climate Change & Sustainability Services EY, in einem Interview. COVID-19 könne jetzt hier als Beschleuniger wirken. „Wichtige Voraussetzung: Der Aufschwung und die Förderung werden für den Umbau der gesamten Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität genutzt.“

Damit die in der Studie identifizierten Projekte starten können, wären den Studienautoren zufolge Investitionen in Höhe von 200 Milliarden Euro notwendig – sowohl aus privater als auch aus öffentlicher Hand. Das entspricht etwa einem Viertel der Gesamtsumme des „Next Generation EU“-Pakets. Aus Deutschland wurden 73 Projekte in die Liste mit aufgenommen, darunter zum Beispiel ein Solarkraftwerk auf einem Tagebaurestsee. Alle deutschen Projekte zusammen hätten einen Investitionsbedarf von knapp über 21 Milliarden Euro. Alleine sie könnten CO2-Emissionen in Höhe von etwa 185 Millionen Tonnen vermeiden. „Es gibt jetzt keine Ausrede für die EU-Mitgliedstaaten mehr, die Konjunkturmittel nicht mit umweltfreundlichen Investitionen zu verknüpfen und so eine Win-win-Situation zu schaffen“, folgert Laurence Tubiana, CEO der ECF aus der Untersuchung.

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Bei den 1.000 Leuchtturmprojekten geht es aber nicht um eine staatliche Vollförderung, sondern um passende Rahmenbedingungen sowie einen Hebeleffekt, meint dazu Robert Seiter: „Speist man einen Euro Fördergeld ein, wird ein Vielfaches an kommerziellen, finanziellen Mitteln mobilisiert.“ Viele der Projekte, die EY präsentiert, bräuchten Unterstützung und die Fördergelder seien jetzt da. Dadurch gewinne man außerdem Zeit, die für den Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft nötig sei.

Sprunginnovationen und Sektorkopplung

Einen wichtigen Grundpfeiler für eine grüne Wirtschaftstransformation sieht Seiter außerdem in sogenannten Sprunginnovationen vor allem in energieintensiven Industrien wie Stahl, Zement und Chemie. So begleitet EY derzeit das Projekt eines großen Zementherstellers. Dieser entwickelt aktuell Technologien, die ab 2030 in jeder neuen Anlage eingesetzt werden müssen. „Diese Art von Sprunginnovationen sind die große Herausforderung – nicht noch mal drei Prozent mehr an der Effizienz schrauben, sondern den großen Schritt wagen zu komplett neuen Technologien und Produktionsverfahren“, sagt Seiter. Außerdem müsse man über Branchengrenzen hinweg denken: „Emissionsfreie Energie setzt Sektorkopplung voraus, und ressourceneffiziente Kreislaufwirtschaft lässt sich nur im Zusammenspiel vieler Branchen erreichen.“

Für die Energiewende sind Sektorkopplung und politische Hebel ebenfalls wichtig. Das betont Remi Eriksen, Group President and CEO von DNV GL: „Wir brauchen dringend die Beteiligung aller wichtigen Akteure, um praktische Lösungen für die Klimakrise zu finden – jetzt. Der rasche Aufstieg der Solar-, Wind- und Batterietechnologien in den letzten Jahren lässt mich hoffen, dass die Menschheit Lösungen zur Hand hat. Die sogenannten schwer zu reduzierenden Sektoren benötigen jedoch einen starken politischen Anreiz, um die Nadel in Richtung Dekarbonisierung zu bewegen. Dekarbonisiertes Erdgas, einschließlich Wasserstoff, wird eine Schlüsselrolle beim Übergang zu der Energie spielen, die die Menschheit in Zukunft will und braucht.“

Quelle: UmweltDialog
 

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