Reporting

Was bewirkt die CSR-Berichtspflicht?

Seit mehr als zwei Jahren ist die EU-Direktive zur Nachhaltigkeitsberichtpflicht in Kraft. Europaweit sind etwa 6.500 Unternehmen davon betroffen. Aber was hat das Gesetz bewirkt? Antworten liefert eine umfangreiche 3-Länder-Studie, die im Auftrag des Software-Spezialisten iPoint erstellt wurde. Das Fazit fällt durchwachsen aus: Während die Berichterstattung zur Geschlechtergleichstellung in der Regel in zufriedenstellendem Maße erfolgt, fehlt es vor allem bei den Menschenrechten in Lieferketten oft an nötiger Transparenz.

09.05.2019

Was bewirkt die CSR-Berichtspflicht?

Kinderarbeit, Sozialbetrug, Umweltverschmutzung, Verbrauchertäuschung – die Liste unternehmerischer Verfehlungen ist lang. Zwar arbeiten viele Firmen regelkonform und ehrlich, aber eben nicht alle. Es sind vor allem diese schwarzen Schafe, die ein oftmals negatives Bild unternehmerischer Verantwortung in der öffentlichen Wahrnehmung prägen. Deshalb setzt der Staat längst nicht mehr nur auf Freiwilligkeit. Immer öfter sorgen Gesetze und Verordnungen für verbindliche Leitplanken. Ergänzt werden diese durch Selbstverpflichtungen und Branchenstandards. Bei der UN spricht man hier von einem sogenannten „smart policy mix“.

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Bekanntestes Beispiel ist die europäische „Richtlinie über die nichtfinanzielle Berichterstattung“ (englisch Non-Financial Reporting Directive, NFRD). Der Bundestag schreibt über das Ziel der Richtlinie: „Unternehmen ab einer bestimmten Größe müssen künftig nichtfinanziellen Berichtspflichten zu Umwelt-, Arbeitnehmer- und Sozialbelangen, zur Achtung der Menschenrechte und zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung nachkommen“. Im Fachjargon heißen diese nichtfinanzielle bzw. ESG-Informationen; ESG steht dabei für Environmental, Social and Governance und bezieht sich auf die drei zentralen Faktoren bei der Messung der Nachhaltigkeit und der ethischen Auswirkungen einer Investition in ein Unternehmen. Von der Richtlinie betroffen sind kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften sowie Banken und Versicherungen mit mehr als 500 Beschäftigten.

Wichtige Standortbestimmung

iPoint-Geschäftsführer Jörg Walden sagt: „Hinter und vor den Kulissen erleben wir umfangreiche ESG-Aktionen. Aber inwieweit sind Unternehmen bereit und in der Lage, ihre nicht-finanziellen Grundlagen auch über etablierte Berichtsrahmen transparent offenzulegen? Jeder stellt diese Frage, und wir können mit dieser Studie und unseren Lösungen Antworten geben.“

In einer aktuellen Studie im Auftrag von iPoint untersuchte die gemeinnützige Forschungsorganisation Development International deshalb jetzt erstmals systematisch den Grad der nichtfinanziellen Transparenz von 516 Unternehmen aus Deutschland, 590 aus Schweden und 75 aus Österreich. Hierzu wurden deren Nachhaltigkeitsberichte ausgewertet und über 60 Leistungskennzahlen (Key Performance Indicators) aus den Regelwerken nach der Global Reporting Initiative (GRI), dem Deutschem Nachhaltigkeitskodex (DNK) und dem UN Global Compact (UNGC) verglichen.

Im Durchschnitt war die Transparenz der Offenlegung bei den Fragen zu Geschlechterverteilung, Korruptionsbekämpfung und Arbeitnehmerrechten bei den untersuchten deutschen Unternehmen am höchsten. Demgegenüber tendierten viele der Unternehmen aus Deutschland dazu, weniger über Umweltfragen und noch weniger über Sozial- und Menschenrechtsfragen zu berichten. Diesbezüglich wurde jeder einzelnen Firma ein „Transparency Score“ erteilt, der widerspiegelt, ob die Information offengelegt wurde oder nicht. Als Transparency-Spitzenreiter stellte sich Osram heraus.

CO2-Emissionen

Klimaschutz: Reden ist Silber, Handeln ist Gold 

Wie sich hier die Spreu von Weizen trennt, zeigt das Beispiel Klimaschutz. Immerhin 75 Prozent der untersuchten deutschen Unternehmen gehen auf die eine oder andere Art auf Treibhausgase ein. Aber nicht jeder kann sein Engagement auch mit Zahlen belegen. Bei Scope 1 etwa, der sich auf die direkten Treibhausgasemissionen bezieht, werden die Emissionsquellen durch unternehmenseigene Kraftwerke sowie Firmenfahrzeuge gemessen. Laut Studie konnten nur 139 von 422 Unternehmen (32,9%) ihre Scope-1-Emissionen nachweisen. Bei diesen 139 Unternehmen waren die durchschnittlichen direkten Treibhausgasemissionen im Jahr 2017 um 0,41% geringer als im Vorjahr.

Beim Thema Klimamanagement gibt es auch noch Nachholbedarf. Nur 17,3 Prozent der untersuchten deutschen Firmen hat eigene Klima- bzw. Emissionsziele. Eine positive Ausnahme ist laut Studie zum Beispiel die Hamburger Hafen und Logistik AG: Sie hat sich das klare Ziel gesetzt, bis 2020 die Emissionen bei jedem verladenen Container um 30 Prozent im Vergleich zum Referenzjahr 2008 zu senken. Eine Einsparung um 28,9 Prozent sei bereits erreicht.

Nachhaltige Unternehmensführung beschränkt sich aber nicht nur auf das Messen und Managen innerhalb des Konzerns: Einen Schritt weitergedacht geht es um die Frage, was ein Unternehmen tun sollte, um potenziell negative Umweltauswirkungen von vornherein in seinen Lieferketten auszuschließen. Antworten darauf lieferte nur eine einzige deutsche Firma: Lediglich die Merck KGaA – ein Pharma-, Chemie- und Life-Science-Unternehmen – stellte zwei Lieferanten mit potenziellen negativen Auswirkungen auf die Luftemissionen und ein unsachgemäßes Abfallmanagement mit dem Risiko einer Bodenkontamination fest. Um diese Probleme zu lösen, anstatt die Geschäftsbeziehungen zu beenden, hat das Unternehmen mit jedem dieser Lieferanten einen Aktionsplan erstellt. Berichten zufolge hat Merck dann die Umsetzung der Aktionspläne überwacht.

Menschenrechte: Lieferanten müssen stärker geprüft werden 

In den Lieferketten werden nicht nur Aufgaben ausgelagert, sondern auch Risiken. Vor allem beim Thema Menschenrechte sind diese erheblich: So gibt es eine Reihe von Ländern und Rohstoffen, die mit einem erhöhten Risiko der modernen Sklaverei und des Menschenhandels verbunden sind. Fisch aus Thailand, Baumwolle aus Usbekistan und in Asien genähte Textilien etwa. Kakao aus Ghana und der Elfenbeinküste wird oft unter gefährlichen Bedingungen durch Kinderarbeit gewonnen. Laut Studie haben 58 Prozent der untersuchten deutschen Unternehmen Kinderarbeit auf dem Radar und berichten dazu. Bei Zwangsarbeit und moderner Sklaverei sind es nur 34 Prozent.

Bei Rohstoffen wie Zinn, Wolfram, Tantal und Gold (die sogenannten „Konfliktmineralien“, auch 3TG abgekürzt) steht vor allem der Bürgerkrieg in der Demokratischen Republik Kongo im Visier. Gerade einmal sechs Prozent beschäftigen sich eingehend mit Konfliktmineralien, obwohl eine in 2021 eintretende neue EU-Verordnung (2017/821) für dieses Problem eine Sorgfaltspflicht eingeführt hat. Ein positives Beispiel für aktive Maßnahmen ist der Automobilzulieferer Schaeffler, welcher laut seinem Bericht bereits 2013 einen Überwachungsprozess installiert hat, der auch nach der Herkunft von Materialien fragt. Die Gewinnung von 3TG trägt „in einigen Ländern zur Finanzierung von bewaffneten Konflikten und Menschenrechtsverletzungen“ bei, heißt es im Schaeffler-Nachhhaltigkeitsbericht.

Konfliktmineralien: Mine in Afrika

Lieferantenüberprüfungen jenseits des Qualitätsmanagements stehen bei vielen deutschen Unternehmen bis heute nicht auf der Agenda: Gerade einmal 31,3 Prozent haben für ihre Zulieferer entsprechende Kriterien bzw. Verhaltenskodizes festgelegt. Positiv ist aber, dass Firmen mit einem entsprechenden Code of Conduct laut Studie in fast 70 Prozent der Fälle neue Lieferanten darauf untersuchen. So wird der Lieferantenstamm auf Dauer nachhaltig verändert. Die Technotrans AG beispielsweise berichtet, dass neue Lieferanten einen standardisierten Prozess durchlaufen müssen und nur dann beauftragt werden, wenn sie die notwendigen Kriterien einschließlich Arbeitspraktiken erfüllen.

Nicht jeder Zulieferer schafft diese Anforderungen. In der Regel werden diese Firmen mit ihrem Problem alleine gelassen. Wieder ist es nur ein Unternehmen in der Stichprobe – in diesem Fall die Bayer AG –, die den betroffenen Lieferanten Menschenrechts-Trainings und -Schulungen anbietet.

Fazit

Dr. Chris Bayer, Leiter der Studie, kommt in Bezug auf die untersuchten deutschen Unternehmen zu einem im Grundton positiven Fazit: „Zusammenfassend lässt sich sagen, dass einige – aber nicht alle – untersuchten Unternehmen die EU-NFRD als Gelegenheit nutzen, um nachzuweisen, dass sie eine soziale – und nicht nur eine finanzielle – license to operate verdienen.“

Weitere Informationen zur Studie finden Sie hier.

Über Nachhaltigkeit berichten – eine Win-Win-Win Konstellation

Aus unternehmerischer Sicht kann die NFR-Gesetzgebung die Akteure des Privatsektors dazu veranlassen, zu bewerten, ob sie die Risiken im Hinblick auf die langfristige Selbsterhaltung und Rentabilität effektiv managen und minimieren. 

Aus Anlegersicht ermöglicht die Bewertung nichtfinanzieller Informationen durch die Aktionäre, festzustellen, ob die Praktiken des Unternehmens mit ihren anderen wesentlichen Interessen und Zielen übereinstimmen.

Aus Sicht der Unternehmensführung sind nichtfinanzielle Informationen „unerlässlich, um den Wandel zu einer nachhaltigen Weltwirtschaft zu bewältigen, indem sie langfristige Rentabilität mit sozialer Gerechtigkeit und Umweltschutz verbinden“.

Aus zivilgesellschaftlicher Sicht besteht die Erwartung, dass nichtfinanzielle Informationen dabei helfen, negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt infolge der Geschäftstätigkeit und der Wertschöpfungsketten von Unternehmen aufzudecken.

Quelle: UmweltDialog
 

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