Produktion

TechniData: „REACH verlangt umfassende Sicht auf Chemikalien-Stoffwelt“

Unter der Bezeichnung „REACH“ gilt europaweit eine neues europäisches Chemikalienrecht. Hauptziel von REACH ist es, ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sicherzustellen. Für die betroffenen Chemieunternehmen bedeutet das einen erheblichen Mehraufwand bei der Registrier- und Meldepflicht. Hilfestellung geben hier spezielle Softwarelösungen. UmweltDialog sprach über dieses Thema mit Berndt Stürznickel, Solution Manager der TechniData AG.

14.12.2009

Berndt Stürznickel, Solution Manager der TechniData AG, Fotos (2): TechniData
Berndt Stürznickel, Solution Manager der TechniData AG, Fotos (2): TechniData

UmweltDialog: Können Sie unseren Lesern in einfachen Worten die europäische Chemikalienordnung REACH erläutern?

Berndt Stürznickel: REACH hat zum Ziel, sowohl den Gesundheits- als auch den Umweltschutz zu verbessern. Gleichzeitig soll die Verordnung Innovationen und die Wettbewerbsfähigkeit der chemischen Industrie der EU fördern. Um diese Ziele zu erreichen, nimmt die Verordnung keineswegs nur die Stoffproduzenten in die Pflicht. Im Blickpunkt stehen auch Hersteller und Importeure von Erzeugnissen, in denen sich die von REACH regulierten Stoffe befinden. In der Praxis wird es wenige in der EU ansässige Industrie- oder Handelsunternehmen geben, die nicht zumindest in der Informationspflicht stehen. Darüber hinaus müssen zahlreiche Marktteilnehmer einen Großteil ihres Stoffportfolios registrieren. Abhängig von den im Unternehmen anfallenden Stoffmengen stehen ihnen hierbei Fristen bis 2018 zur Verfügung. Hersteller und Importeure aus dem 1.000-Tonnen-Mengenband sind bereits jetzt gefordert. Sie müssen ihre Registrierungsdossiers bis Ende November 2010 einreichen. Gleiches gilt für Registranten, die es mit umweltgefährlichen (>100 t/a) oder sonstigen besonders bedenklichen Stoffen zu tun haben.

REACH ist seit Juni 2007 in Kraft. Zeit für ein erstes Zwischenfazit. Wie fällt es aus Ihrer Sicht aus?

Stürznickel: Nach einigen Anlaufproblemen steht REACH spätestens seit dem zweiten Halbjahr 2008 auf der Agenda der betroffenen Unternehmen ganz oben. Eindeutiger Beleg ist der Ausgang der Vorregistrierung: Ging die Europäische Chemikalienagentur anfangs noch von bis zu 180.000 Stoffanmeldungen aus, so trafen im Endeffekt 2,7 Mio. Vorregistrierungen in Helsinki ein. Auch die Zahl der Registranten lag mit etwa 65.000 Unternehmen weit über den Erwartungen. 2009 stand dann vor allem im Zeichen der Stoffaustauschforen (engl. SIEFs), in denen sich die Registranten verwandter Stoffe zusammenschlossen, um ihre Arbeit gemeinsam vorantreiben.

Die Umsetzung scheint nicht ganz so einfach zu sein. Wenn man jedenfalls in die Nachrichtenseiten zum Thema anschaut, so liest man auffallend oft Worte wie „Konfusion“ oder „Costumer help“? Woran hakt es bei den betroffenen Unternehmen am häufigsten?

Stürznickel: REACH-Konformität herzustellen ist alles andere als ein trivialer Prozess. Er verlangt von den Unternehmen eine umfassende Sicht auf ihre Stoffwelt. Eine Transparenz, die sie angesichts ihrer weit verzweigten Wertschöpfungsnetzwerke bisher noch nicht hatten. Vielerorts entstand eine echte Grundlagenarbeit, die nicht wenige Marktteilnehmer bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit bringt. Zumal nach wie vor ein echter Engpass an REACH-Experten herrscht, von dem mittelständische Unternehmen besonders stark betroffen sind. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Reihe wichtiger Inhalte und Festlegungen erst 2009 diskutiert und interpretiert wurden. In vielen Fällen ist die damit einhergehende Gremienarbeit noch in vollem Gang.

Statt erwarteter 180.000 Stoffanmeldungen, gibt es also schon 2,7 Mio. Wie konnte man sich vorab so verschätzen? Und wie lässt sich das im Unternehmensalltag bestreiten?

Stürznickel: Die Unternehmenswelt funktioniert anders, als manch einer dies angenommen hatte. Zahlreiche Registrierungen haben einen strategischen Hintergrund, da viele Unternehmen präventiv vorregistriert haben. Insbesondere dann, wenn sie sich nicht sicher waren, ob ihre Lieferanten entsprechend handeln würden. Zudem haben gleich zwei Unternehmen den gesamten EINECS vorangemeldet, was allein rund zehn Prozent aller Vorregistrierungen entspricht. Wie viele Stoffe am Ende des Tages, das heißt nach der Klärung der jeweiligen Zuständigkeiten, dann tatsächlich registriert werden, steht auf einem ganz anderen Blatt Papier. Es gibt Schätzungen, dass nur zehn bis zwanzig Prozent der Vorregistrierungen zu Registrierungen führen werden.

Zentrale von TechniData in Markdorf
Zentrale von TechniData in Markdorf

Zudem sind auch deutlich mehr Unternehmen registriert. Läuft das Geschäft besser als erwartet?

Stürznickel: Auch die Zahl der Registranten ist ein Spiegel der strategischen Vorregistrierungen. Sobald sich die Teilnehmer der Lieferketten darauf verständigt haben, wer den Prozess fortführt, wird auch die Zahl der registrierenden Unternehmen signifikant sinken.

Gibt es Bestrebungen oder Forderungen an die EU, den REACH-Prozess zu modifizieren?

Stürznickel: Forderungen kommen vor allem aus den Stoffaustauschforen, von denen erst wenige Prozent ihre Arbeit aufgenommen haben. Der Rest versucht noch die Rollen im SIEF zu klären oder arbeitet derzeit nicht zentral koordiniert. Um einen Schritt nach vorne zu kommen, melden viele Unternehmen Bedarf an einer aktiveren Unterstützung durch die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) an. Gewünscht sind vor allem verbindlichere Prozessvorgaben, so zum Beispiel im Hinblick auf die Ausgestaltung der Expositionsszenarien. Nachdem Industrievertreter in der Vergangenheit immer wieder darauf gedrungen hatten, den Prozess eigenverantwortlich regeln zu dürfen, hält sich die ECHA mit einem stärkeren Engagement jedoch noch zurück.

Bei REACH geht es ja nicht alleine um das Melden von Chemikalien, sondern auch um deren Management. Dafür müssen sich Unternehmen oft umorganisieren. Was genau beinhalten diese Anpassungsprozesse?

Stürznickel: Sämtliche Anpassungen aufzuzählen würde den Rahmen dieses Interviews sprengen. Eine der wesentlichsten besteht darin, dass die Produktsicherheit viel stärker als bisher auf sämtliche Wertschöpfungsteilnehmer zugehen muss, um den von REACH geforderten Informationsaustausch angemessen organisieren zu können. Nehmen Sie zum Beispiel die Erstellung REACH-konformer Sicherheitsdatenblätter. Hier müssen die Verantwortlichen fortan prüfen, zu welchem Zweck und unter welchen Bedingungen Kunden die Erzeugnisse mit den darin enthaltenen Stoffen verwenden. Aus der Kombination von Erzeugnissen und Kunden ergibt sich eine Fülle an Verwendungsfällen, die es präzise zu dokumentieren gilt.

Da kommen auf Compliance Officer immer mehr Aufgaben zu. Bei größeren Unternehmen lässt sich das arbeitsteilig sicher noch managen. Doch welche Erfahrungen machen Sie in mittelständischen Betrieben?

Stürznickel: Wie stark Mittelständler an ihre Grenzen stoßen, hängt zuallererst davon ab, wie groß ihre Stoffportfolio ist und wie stark sie sich in der Vergangenheit bereits mit dem Thema Produktsicherheit beschäftigt haben. Angetrieben von REACH betreten viele Akteure hier Neuland. Ihnen mangelt es an Wissen und Werkzeugen, um den Prozess in den Griff zu bekommen. Vor dem Hintergrund solcher Erfahrungen haben wir mit TechniData Expert Service ein Angebot entwickelt, über das mittelständische Unternehmen zentrale Aufgaben der Produktsicherheit an uns übergeben können.

Als Expertenhaus für Produktsicherheit, Arbeitsschutz und betrieblichen Umweltschutz bietet TechnData spezielle REACH-orientierte Lösungen. Was genau bieten Sie an? An wen richten Sie sich damit?

Stürznickel: Wir adressieren sämtliche Branchen und Unternehmensgrößen. Am Anfang unserer Zusammenarbeit steht unsere Expertenberatung, innerhalb derer wir das Ausmaß der REACH-Betroffenheit eines Unternehmens analysieren. Der Kunde erhält ein präzises Bild davon, worin sein individueller Handlungsbedarf besteht und welche Art von Lösung die jeweils wirtschaftlichste ist. Erst dann gehen wir an die konkrete Implementierung eines REACH-Prozesses. In der Regel gründen wir diesen auf die Softwareanwendung SAP Product and REACH Compliance, die wir gemeinsam mit SAP entwickelt haben. Für weiterführende Teilprozesse wie die Erstellung des erweiterten Sicherheitsdatenblatts nach REACH bieten wir zusätzliche Werkzeuge. Gesetzesdaten und Phrasen, so genannter Content also, runden unser Portfolio ab.

Herzlichen Dank für das Interview!

Quelle: UD
 

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