Lieferkette

Von CSR zu Shared Value: Was der Schutz der Menschenrechte mit Geschäftsinvestition zu tun hat

Wirtschaft und Menschenrechte: Dieses Spannungsfeld wurde in den letzten Jahrzehnten immer wieder umfassend diskutiert und auch weltweit institutionalisiert. Doch haben wir erst kürzlich damit begonnen uns die Frage zu stellen: „Welche Rolle übernimmt die Wirtschaft dabei?“

30.08.2016

Von CSR zu Shared Value: Was der Schutz der Menschenrechte mit Geschäftsinvestition zu tun hat zoom

Weitverbreitet herrscht die Vorstellung, die Verknüpfung von Menschenrechten und Wirtschaft bedeute, dass Unternehmensinvestitionen in Übereinstimmung mit etablierten Menschenrechtsstandards getätigt werden sollten. Diese Annahme ist jedoch so nicht hinreichend: Die Integration von Menschenrechten in das unternehmerische Denken setzt bereits wesentlich früher an. Es geht darum, wie Unternehmen ihre Gewinne erwirtschaften und nicht wie sie sie investieren.

Dabei handelt es sich auch nicht um einen rein philanthropischen Ansatz: Menschenrechte zu schützen bedeutet, das Geschäftsmodell und die Leitlinien eines Unternehmens so zu definieren, dass grundlegende Prinzipien gelten und verbindlich eingehalten werden. Die Leitplanken für das eigene Handeln sind so zu definieren, dass die genaue Position immer wieder mit internen und externen Anspruchsgruppen ausgehandelt wird. Dabei sollte die Berücksichtigung von Menschenrechten immer im Blick sein – gerade bei internationalem Engagement, bzw. als Bestandteil globaler Lieferketten.

Während die Aufwände für die Berücksichtigung von Menschenrechten relativ gering sind, ist die daraus erwachsende Rentabilität erheblich. Bei der Investition in den Schutz von Menschenrechten ist es wichtig, vollständig zu verstehen, was Menschenrechte im geschäftlichen Umfeld des jeweiligen Unternehmens bedeuten. Nur so können die richtigen Kennzahlen, die Key Performance Indicators (KPIs), identifiziert und die Rentabilität überwacht werden können. Laut dem von Mazars mitentwickelten und international gültigen United Nations Guiding Principles Reporting Framework sollten Unternehmen als Erstes fragen: „Welches sind unsere herausragenden Menschenrechtsthemen?“

Nur wenn ein Unternehmen definiert und identifiziert hat, was ‚Menschenrechte‘ tatsächlich in der Verbindung mit der eigenen Geschäftstätigkeit bedeuten, kann es anfangen, diese in sein Geschäftsmodell zu integrieren. In der Rohstoffindustrie werden sich beispielsweise herausragende Menschenrechtsthemen um die Auswirkungen auf die Allgemeinheit sowie Umweltschäden, Gesundheits-, Gefahren- und Sicherheitsthemen drehen, während in einem anderen Sektor vollkommen andere Risiken im Fokus stehen können.

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Risiken für Menschen – Risiken für Unternehmen

Bei der Identifizierung von „herausragenden Menschenrechtsthemen“ spielt ein weiterer Faktor eine wichtige Rolle: Es ist entscheidend, dass die relevanten Risiken als die Risiken für Menschen und nicht etwa als Risiken für Unternehmen definiert sind. Würden wir nur auf die Risiken für Unternehmen schauen, übersähen wir einige herausragende Risiken für Menschenrechte. Paradoxerweise kann man üblicherweise diese Risiken nicht von den Risiken für ein Unternehmen trennen. Wir müssen nur den Blickwinkel ändern, mit dem wir auf für uns potenziell schädliche Risiken schauen.

Sind diese Risiken erst einmal identifiziert, die relevanten Prozesse implementiert und die Kennzahlen zur Überwachung des Schutzes der Menschenrechte verstanden, lässt sich auch der Nutzen für das Unternehmen schnell erkennen. Er zeigt sich nicht nur in Form von gesteigerter Reputation, sondern auch in Form von erhöhter Profitabilität: Das Risiko von Rechtsstreitigkeiten und den damit zusammenhängenden Kosten sinkt, Versicherungskosten sinken voraussichtlich ebenfalls, das Vertrauen von kritischen Stakehodern wächst, die Mitarbeiterbindung steigt, globale Beschaffung wird sicherer, weniger Lieferantenthemen fallen an.

Es gilt die Hürden zu überwinden

The Economist Intelligence Unit (EIU) veröffentlichte im März 2015 eine weltweite Studie zu dem Thema. Die Befragung von Führungskräften und Experten ergab, dass Führungskräfte den Schutz von Menschenrechten generell befürworten: 83 Prozent der Studienteilnehmer gaben an, die Wirtschaft als einen wichtigen Protagonisten beim Schutz der Menschenrechte wahrzunehmen. Andererseits waren nur wenige Führungskräfte auf Nachfrage in der Lage zu erklären, wie der Schutz der Menschenrechte in ihre Unternehmensführung und entlang ihrer Zulieferkette integriert ist. An dieser Stelle sind noch hohe Hürden zu nehmen.

Besonders wichtig ist für Unternehmen das Verständnis darüber, inwiefern der Schutz der Menschenrechte zur Steigerung der Unternehmensleistung beitragen kann. Die genannte Studie zeigt, dass Unternehmen das Thema als hilfreich bewerten beim Aufbau guter Beziehungen mit der lokalen Bevölkerung (48 Prozent), beim Schutz von Marke und Reputation (43 Prozent) und bei sittlich-ethischen Erwägungen (41 Prozent). Streng genommen kann jedoch nur einer dieser Punkte als wertschöpfend kategorisiert werden: der Schutz von Marke und Reputation. So scheint es bei der Ausbildung für unternehmerische Verantwortung ebenfalls noch Nachholbedarf zu geben.

Des Weiteren ist entscheidend, dass Unternehmen lernen, über kurzfristige Profitabilitätsziele hinaus zu denken und sich mit der langfristigen Nachhaltigkeit ihres Geschäftsmodells auseinanderzusetzen. Die aktuellen Kapitalmarktregelungen verpflichten börsennotierte Unternehmen, vierteljährlich über ihre Finanzdaten zu berichten. Das zwingt Unternehmen aus Gründen der Kurspflege zugunsten ihrer Shareholder vor allem kurzfristige Profitabilitätsziele im Blick zu haben. Die zwangsläufige Folge ist ein Konflikt mit der langfristigen Ausrichtung eines Unternehmens. Diese Regelungen bedürfen einer Reform, um den unbeabsichtigten Auswirkungen des Quartalsreportings vorzubeugen, da so für alle Stakeholder ein Mehrwert geschaffen werden kann.

Creating Shared Value

Die Rolle des Gesetzgebers wird in den kommenden Jahren zweifelsohne immer wichtiger werden. Erste wegweisende Gesetzesvorhaben gibt es bereits:

  • den United Nations Guiding Principles (UNGPs) on Business and Human Rights – seit 2011 in Kraft,
  • der durch das britische Parlament im März 2015 beschlossene Modern Slavery Act,
  • die EU-Direktive zur Offenlegung nicht finanzieller Informationen (CSR Berichtspflicht), die 2017 in Kraft treten wird.

Dabei scheinen alle Vorhaben von demselben Gedanken inspiriert: den Unternehmen zu helfen, ihre Geschäftsmodelle durch die Berücksichtigung unter anderem von Menschenrechtsthemen in ihren Entscheidungsprozessen effizienter zu gestalten.
Doch nicht nur der Regulator, auch der Markt schafft zunehmend Fakten. So erfährt das Thema Menschenrechte eine immer stärkere Bedeutung in einschlägigen Nachhaltigkeitsindizies sowie CSR- und Reportingstandards. Auf diesem Weg gelangt es zudem über die Impulsgeber globaler Lieferketten als Anforderung an die einzelnen Lieferkettenteilnehmer.

In diesem Zusammenhang hat Mazars in Zusammenarbeit mit Shift – dem in New York ansässigen, unabhängigen Not-for-profit Center für Wirtschaft und Menschenrechte – im Februar 2015 das UN Guiding Principles Reporting Framework vorgestellt. Es handelt sich dabei um die ersten umfassenden Richtlinien zur Berichterstattung über den Schutz der Menschenrechte für Unternehmen. Erste Unternehmen nutzen das Framework bereits, um sich systematisch mit dem Thema auseinanderzusetzen und darüber zu berichten. So hat Unilever als erste Unternehmensgruppe das Framework angenommen und die Veröffentlichung ihres ersten Menschenrechtsreports für diesen Sommer geplant. Auch Ericsson – ein Pionier, der bereits in seinem CSR Report von 2014 zu den Menschenrechten Stellung genommen hatte – zählt zu den Unternehmen, die bereits frühzeitig das Framework adaptiert haben. Darüber hinaus haben H&M, Nestlé und Newmont öffentlich ihre Absicht bekannt gegeben, das Reporting Framework anzuwenden. Dass auch einige Regierungen prüfen, wie das Framework ihre Pläne zu einer besseren Rechenschaft der Unternehmen in Gesellschafts- und Umweltthemen beeinflussen könnte, unterstreicht die Bedeutung dieses Frameworks.

Unsere Überzeugung ist: Unternehmen, die Menschenrechte respektieren und in ihr Handeln integrieren, sind produktiver und schaffen für Stakeholder einen Mehrwert. Im Wesentlichen liegt dieser Philosophie das Bedürfnis nach einem stärkeren Stakeholder-Engagement und -Verständnis zugrunde – das Engagement gegenüber Mitarbeitern, Lieferanten, Gemeinschaften, Gesetzgebern und der Zivilgesellschaft. Wir alle sind Nutznießer der durch den Schutz von Menschenrechten durch Unternehmen geschaffenen Werte. Unternehmen, die diesen Schutz in die Erwirtschaftung ihrer Gewinne einbeziehen, gehen über Corporate Social Responsibility hinaus und beginnen Shared Value zu schaffen, indem sie die Interessen der Wirtschaft mit denen der sie umgebenden Gemeinschaften und der Umwelt in Übereinstimmung bringen. Wir sind der Überzeugung, dass hier die unternehmerische Zukunft liegt. Deshalb trägt der Jahresbericht 2014/15 unserer internationalen Mazars Gruppe den Titel „Creating Shared Value“.

Über die Autoren

Kai M. Beckmann.
Kai M. Beckmann.
Dr. Christoph Regierer.
Dr. Christoph Regierer.

Dr. Christoph Regierer ist Partner bei Roever Broenner Susat Mazars. Kai M. Beckmann ist verantwortlich für das Thema Governance & Sustainability bei Roever Broenner Susat Mazars.

Quelle: UD
 

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