Business Case

Mazars: Markt für Wirtschaftsprüfung neu gestalten

Zu wenige Anbieter mit zu viel Marktmacht: Das zeichnet einer aktuellen Studie zufolge derzeit den Markt für gesetzlich vorgeschriebene Bilanzprüfungen aus. Ein „neues Marktdesign“ soll Abhilfe schaffen.

20.06.2022

Mazars: Markt für Wirtschaftsprüfung neu gestalten

Dafür sprechen sich die Studienautoren um den Wettbewerbsökonomen Justus Haucap in der Mitte Mai erschienenen Untersuchung „Funktionsdefizite auf dem Wirtschaftsprüfungsmarkt“ aus, die die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Mazars beim Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE) in Auftrag gegeben hatte. Dem bisherigen Marktdesign attestieren die Autoren das Zeug, die Finanzmärkte destabilisieren zu können.

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„Big 4“: enorme Marktmacht in Deutschland und Europa

Festgemacht wird das in der Studie unter anderem an der enormen Marktmacht der vier großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften PWC, KPMG, EY und Deloitte, die das Geschäft in Deutschland und vielen europäischen Ländern dominieren. Zwar gebe es neben diesen sogenannten „Big 4“ auch viele kleinere und mittelgroße Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (zu denen auch Studienauftraggeber Mazars zählt) – an die Prüfmandate der großen Konzerne kämen die aber nur selten heran, da diese aus vielerlei Gründen an die „Big 4“ gebunden seien.

Wie groß deren Marktmacht ist, zeigt sich schon daran, dass die 30 größten Unternehmen des DAX bisher ausschließlich von den „Big 4“ geprüft wurden. Europaweit sieht es nicht viel anders aus: Von dem Geld, das börsennotierte Unternehmen, bestimmte Banken und Versicherungen für die Prüfung ihrer Bilanzen ausgeben, entfallen der Studie zufolge über 90 Prozent auf die großen Vier. Ein Oligopol, das der Studie nach den Eintritt in den Markt für kleinere Prüfunternehmen erschwert, wenn nicht gar unmöglich macht.

Die bisherigen Ansätze der Politik, diesen Eintrittsbarrieren entgegenzusteuern, greifen den Autoren zufolge zu kurz. Sie verweisen unter anderem auf das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz, das nach dem milliardenschweren Betrugsskandal des Zahlungsabwicklers Wirecard verabschiedet wurde. Die damit verbundene verschärfte Prüferhaftung sowie der häufigere Wechsel von Prüfern seien zwar nachvollziehbar, hätten jedoch nicht zu mehr Wettbewerb geführt. „Im Extremfall“, sagt Studienautor Haucap, „wird aus dem Oligopol ein Duopol oder gar ein Monopol“.

Informationsasymmetrien gefährden Wohlstand

Haucap, der die Bundesregierung von 2006 bis 2014 in der Monopolkommission zur Wettbewerbspolitik und Marktregulierung beraten hat, warnt eindringlich vor gravierenden Folgen dieser Marktkonzentration: Bei der Wirtschaftsprüfung gehe es darum, Informationsasymmetrien auszugleichen, den Informationsvorsprung des Managements gegenüber Eigentümern und möglichen Investoren. Sie habe „die Aufgabe, dieses Ungleichgewicht zu verringern“, so Haucap. Weil falsche und unzuverlässige Abschlüsse zu falschen Investitionsentscheidungen führen können – mit schwerwiegenden Folgen für die Finanzmärkte, Arbeitsplätze, Renten und Ersparnisse in der Bevölkerung.

„Wirtschaftsprüfer stellen Vertrauen her“, sagt auch Dr. Christoph Regierer, Sprecher des Management Boards von Mazars Deutschland. Mit ihrer Arbeit gehe eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung einher, die über das reine Zahlenwerk hinausreiche. Funktionsdefizite auf diesem Prüfungsmarkt zu beheben, sei deswegen „im öffentlichen Interesse“. Weitere regulatorische Eingriffe seien dazu nicht zwangsläufig nötig. Die Studienautoren sprechen sich vielmehr dafür aus, die „Wettbewerbsvielfalt durch ein geeignetes Marktdesign“ zu stärken.

Eine Arbeitsgruppe mit Japanerin und Japaner

Ideen für mehr Marktdurchlässigkeit

Denkbar seien beispielsweise Gemeinschaftsprüfungen nach dem Vier-Augen-Prinzip oder eine staatliche Prüferbestellung. Hier würde dann nicht mehr das Unternehmen oder dessen Prüfungsausschuss den Wirtschaftsprüfer auswählen, sondern eine Behörde wie die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – was allerdings auch einen erheblichen Eingriff in den Marktmechanismus und in die Autonomie von Unternehmen bedeuten würde, wie die Studienautoren zu bedenken geben.

Für mehr Wettbewerb auf dem Markt für Wirtschaftsprüfungen regen sie zudem an, über die Deckelung von Marktanteilen nachzudenken. Mittelständische Wirtschaftsprüfungsgesellschaften würden damit temporär vor dem Wettbewerb mit den „Big 4“ geschützt und gewännen so Raum, ihre Kapazitäten auszubauen und langfristig wettbewerbsfähiger gegenüber den Platzhirschen zu werden. Ein Nachteil: Die Prüfungsqualität könnte sinken, wenn die zur Verfügung stehenden Prüfer nicht dieselbe Servicequalität anbieten können wie Prüfer, die aufgrund der Deckelung keine weiteren Mandate mehr annehmen können.

Um kleineren oder mittelgroßen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften den Zugang zu neuen Großmandaten zu erleichtern, schlagen die Autoren außerdem die Einführung von wettbewerbssensiblen Kriterien für die Vergabe öffentlicher Prüfungsaufträge vor – eine Maßnahme, die auch die Regierungsparteien im Bund in ihrem Koalitionsvertrag gegen die hohe Konzentration in der Branche aufführen. Da der Staat die „Big 4“ regelmäßig mit millionenschweren Aufträgen ausstatte, könne so auch den „Interdependenzen und Abhängigkeiten zwischen staatlichen Einrichtungen und den Big 4 entgegengewirkt werden“, so die Studie.

Quelle: UmweltDialog
 

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