Plastik & Müll

Warum Plastik unentbehrlich ist

Kunststoffe gelten oft als Umweltfrevel, denn durch ihre Langlebigkeit erfolgt der Abbau in der Natur nur sehr langsam. Dabei geraten die guten Seiten der Kunststoffe oft aus dem Blickfeld. Zeit für ein Plädoyer für Plastik.

25.02.2020

Warum Plastik unentbehrlich ist zoom
Die guten Seiten der Kunststoffe geraten oft aus dem Blickfeld.

Von Claudia Wörner, yes or no Media GmbH

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In der Öffentlichkeit hat Plastik einen denkbar schlechten Ruf. Zu bedrückend wirken die in Fernsehen und Zeitungen verbreiteten Bilder von tropischen Plastikmüllhalden und an Stränden angeschwemmten Flaschen und Plastikspielzeugen. Was kaum jemand weiß: 90 Prozent des Plastiks in den Weltmeeren gelangen über zehn Flüsse dort hin. Die fließen alle in Afrika und Asien, so das Leipziger Helmholtz-Institut.

Plastik in den Meeren kommt nicht aus Europa

Vor allem Verpackungs-Kunststoffe stoßen manchmal auf scharfe Ablehnung. „Plastikfasten“ gilt als der neue Trend zu umweltgerechtem Verhalten. Wer dieser Idee folgt, meidet eingeschweißte oder in Kunststoffbehältern abgefüllte Produkte. Darauf haben sich spezielle „Unverpackt“-Läden eingestellt. Dort bringen die Kunden zum Einkauf Gläser, Stoffbeutel und Schachteln mit – Hauptsache, der Heimtransport erfolgt gänzlich ohne Plastik.

Auch wenn nur eine kleine Minderheit auf Verpackungskunststoffe so strikt verzichtet: Klar ist, dass die Ablehnung von Plastik reale Gründe hat. Es stimmt, dass ein Teil der Kunststoffe in der Natur landet, wo sie nichts zu suchen haben. Es ist zutreffend, dass diese Kunststoffteile und Plastikverpackungen schwer abbaubar sind. Es stimmt aber auch, dass solche Naturvermüllung mit Plastik vor allem in Asien und Afrika in großem Maßstab geschieht.

Deutschland unterhält mit dem „grünen Punkt“ ein aufwendiges System zum Sammeln und Verwerten von Kunststoffabfällen. Zudem gelten die Deutschen als Weltmeister im Sammeln und Trennen von Wertstoffen. Auch wenn das System nicht perfekt ist: Das Plastik in den Meeren wird nicht weniger, wenn deutsche Lebensmittelhändler ihren Kunden keine Kunststoff-Tragetaschen mehr mitgeben.

In ein Glas Wasser wird Sprudelwasser eingegossen

Glas und Papier mit hohem Ressourcenverbrauch

Oft haben die Alternativen zu Kunststoffen gravierende Nachteile. So lässt sich Glas zwar einfach recyceln. Doch der Energieaufwand dafür ist hoch: Gebrauchte Weinflaschen und Gurkengläser werden bei über 1.000 Grad Celsius eingeschmolzen, um neues Rohmaterial zu gewinnen. Bei Mehrwegflaschen entfällt dieser Aufwand. Doch sie müssen vor der Wiederverwertung heiß gespült werden. Der Transport der schweren Flaschen kostet viel Energie: vom Hersteller zum Großhandel, weiter zum Einzelhändler und wieder zurück. Zudem sind sie schwer zu tragen. Ohne Auto lassen sich Getränkekästen nur mühsam transportieren. Hinzu kommt die Verletzungsgefahr durch Glasbruch.

Aus diesen Gründen verwenden die Getränkehersteller zunehmend Mehrwegflaschen aus Kunststoff. Bei ihnen fällt der Energieverbrauch für den Transport erheblich geringer aus. Deswegen bewertet der Naturschutzbund in seinem „Nabu-Mehrweg-Guide“ die leichten Plastikflaschen als umweltfreundlicher im Vergleich zu Glasflaschen.

Papier hat gegenüber Plastik das bessere Image. Doch als umweltfreundliche Alternative zum Plastikbeutel taugen Papiertüten nicht. Denn ihre Herstellung erfordert reichlich Holz, Wasser und Energie. Für die Herstellung von Papiertüten wird frisches Holz verarbeitet. Denn Recyclingpapier ist kaum belastbar, weil die Fasern so kurz sind. Laut Umweltbundesamt ist der Energieaufwand für die Herstellung von einer Tonne Papier genauso hoch wie der von einer Tonne Stahl.

Die Schweizer Materialforschungsanstalt Empa in St. Gallen hat 2014 den Ressourcenbedarf von Taschenmaterialien verglichen. Danach müsste eine Papiertasche 7,4-mal so oft benutzt werden wie eine Plastiktüte aus Recyclingmaterial, um ihren höheren Herstellungsaufwand auszugleichen. Das wird aber selten passieren, da Papiertüten nicht reißfest sind und bei Nässe sofort aufweichen. Was immer die Papiertüte sein mag: umweltfreundlich ist sie nicht.

Baumwolltasche als Umweltsünde

Ein vielleicht noch besseres Image als die Papiertüte hat die Baumwolltasche. Sie verbindet tatsächlich zwei Vorteile: Sie ist biologisch abbaubar und im Unterschied zur Papiertüte recht reißfest. Aber ach, ihre Herstellung gestaltet sich noch aufwendiger. Das liegt vor allem am hohen Bedarf an Wasser und Ackerfläche für den Baumwollanbau und den langen Transportwegen. Die Ökobilanz der Baumwolltasche ist so niederschmetternd, dass sie nach den Schweizer Forschungsergebnissen 82,4-mal wiederverwendet werden müsste, um mit einer nur einmal verwendeten Plastiktüte gleichzuziehen. Die Vergleiche zeigen: Papier- und Baumwolltaschen haben ein prima Image. Doch sie sind die Loser unter den Tragetaschen. Gewinner ist die korrekt entsorgte Plastiktüte.

Ähnlich ist die Situation bei Getränkeflaschen. So wiegt zum Beispiel eine 1,5-Liter-Mehrwegflasche aus PET im Durchschnitt 28,9 Gramm. Eine nur 0,7 Liter große Glasflasche bringt gleich rund 600 Gramm auf die Waage. Sie ist aufwendiger herzustellen, teurer zu transportieren und geht leichter zu Bruch. Biologisch abbauen lässt sich Glas ebenfalls nicht. Einziger Vorteil der Glas-Mehrwegflasche: Statt etwa
25-mal lässt sie sich etwa 50-mal wieder befüllen – sofern sie diese vielfache Nutzung schadlos übersteht.

Wasserflaschen

PET-Flaschen international oft unentbehrlich

Wie wichtig Kunststoffflaschen sein können, zeigt der Blick auf andere Länder und Kontinente. In Mexiko-Stadt zum Beispiel verwendet die Bevölkerung Trinkwasser fast nur aus Flaschen, da das Vertrauen in die öffentliche Wasserversorgung gering ist. Jeder der 8,9 Millionen Einwohner konsumiert dort im Durchschnitt 255 Liter abgepacktes Wasser pro Jahr. Für diese Art der Versorgung gibt es derzeit keine Alternative.

Bei Naturkatastrophen stellen Flaschen aus Kunststoff meist die einzige Möglichkeit zur Wasserversorgung der Bevölkerung dar. Bei den empfohlenen zwei Liter Flüssigkeit pro Tag und Person müssen Hilfsdienste beträchtliche Wassermengen herbeischaffen und verteilen. Zum Beispiel hat 2017 der Hurrikan „Maria“ die Wasserversorgung in Puerto Rico zerstört. Eine US-Hilfsorganisation transportierte daraufhin kurzfristig 73,5 Millionen Liter Trinkwasser auf die Karibikinsel. Abgefüllt war das Wasser in 1,5 Liter und eine Gallone (3,79 Liter) große PET-Flaschen. Dadurch konnten die Helfer das benötigte Trinkwasser einfach an die Einwohner verteilen.

In Schwellen- und Entwicklungsländern sind Plastikflaschen beliebt und oft unentbehrlich. Doch die Entsorgung kann bislang mit dem Verbrauch nicht Schritt halten. In weiten Teilen von Afrika und Asien wird der Hausmüll auf Müllkippen gelagert. So war es auch in Deutschland bis Ende der 1970er-Jahre üblich. Von solchen Kippen kommt es oft zu Verwehungen von Kunststoffen in Flüsse. Vor nur einem Jahr wurde in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba die erste Müllverbrennungsanlage Afrikas eröffnet. So lassen sich endlich Kunststoffe beseitigen und zur Energiegewinnung nutzen. Statt die sinnvolle Nutzung von Verpackungskunststoffen bei uns zu behindern, sollten wir besser den Bau von Müllverbrennungsanlagen in Afrika und Asien unterstützen.

Quelle: UD
 

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