Energiewende

SmartRegion Pellworm – Saubere Energie aus regionaler Erzeugung

Wie die Energieversorgung der Zukunft aussehen kann, lässt sich seit September 2013 auf der Nordseeinsel Pellworm beobachten. Der Düsseldorfer Energiekonzern E.ON hat dort gemeinsam mit der Schleswig-Holstein Netz AG das erste intelligente Stromnetz in Norddeutschland in Betrieb genommen. Mit dem Projekt „SmartRegion Pellworm“ zeigen sie im Kleinen, wie die Energiewende im Großen gelingen kann.

09.04.2015

SmartRegion Pellworm – Saubere Energie aus regionaler Erzeugung zoom

Die kleine Nordseeinsel Pellworm ist aktuell ganz weit vorn. Denn derzeit wird auf Pellworm im Kleinen erprobt, was künftig in größerem Maßstab andernorts zur Beschleunigung der Energiewende beitragen kann: Auf Pellworm läuft das erste intelligente Stromnetz Norddeutschlands. Ein Netz, mit dem getestet wird, wie man die vor Ort regenerativ erzeugte Energie auch vor Ort verwerten kann, um so die Abhängigkeiten vom überregionalen Stromtransport und den dafür notwendigen Netzausbau reduzieren zu können. Die drittgrößte der nordfriesischen Inseln birgt dafür optimale Voraussetzungen: HanseWerk, eine E.ON-Tochter, betreibt dort seit Mitte der 1980er Jahre ein leistungsfähiges Hybridkraftwerk. Es wurde 2004 modernisiert und produziert heute in Spitzenzeiten etwas mehr als ein Megawatt Leistung aus Wind- und Sonnenkraft. Bei optimalen Verhältnissen produzieren alle regenerativen Erzeugungsanlagen auf der Insel etwa drei Mal so viel Strom, wie die rund 600 Haushalte der Insel verbrauchen. In Zeiten hohen Energieverbrauchs mussten die Insulaner dennoch weiter Strom über zwei Seekabel vom Festland importieren. Denn Stromproduktion und -verbrauch erfolgen nicht zeitgleich, und effektive Speichermöglichkeiten für den überschüssigen Strom fehlten bislang. War der Stromverbrauch auf der Insel dagegen gering, wurde die überschüssige Energie auf dem umgekehrten Weg ins schleswig-holsteinische Stromnetz eingespeist.

Anzeige

Ziel: hohe Eigennutzung des erzeugten Stroms

Sowohl beim Import als auch beim Export von Energie über die Seekabel treten jedoch Verluste und damit Kosten auf. Mit dem Projekt „SmartRegion Pellworm“ wollen E.ON und die Schleswig- Holstein Netz AG das ändern. Unter anderem gilt es herauszufinden, wie weit sich die Abhängigkeit der Insel vom Festlandstrom senken lässt. Und zwar zu bezahlbaren Preisen und ohne Abstriche bei der Versorgungssicherheit. Die Bundesregierung hat daher die „SmartRegion Pellworm“ zu einem von sechs Leuchtturmprojekten ihrer „Förderinitiative Energiespeicher“ erkoren. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie fördert die Modellregion. Das Investitionsvolumen liegt bei knapp zehn Millionen Euro. Geld, das zukunftsträchtig angelegt ist – und nicht nur den Einwohnern von Pellworm den Weg in eine nachhaltige Energieversorgung auf regionaler Basis ebnet.

Gelingen soll das über ein sogenanntes „Smart Grid“ – ein intelligentes Stromnetz –, über das die Energieflüsse gesteuert werden. Zu dem Konzept gehören auch Möglichkeiten, Strom direkt zu speichern und zu einem späteren Zeitpunkt bedarfsgerecht wieder bereitzustellen oder ihn beispielsweise in später benötigte Wärme umzuwandeln und diese zu speichern. Das Prinzip dahinter ist schlüssig: Wird auf Pellworm viel Strom erzeugt, wird der „grüne“ Strom in leistungsstarken Batterien, Haushaltsspeichern, in Elektroautos oder über Elektrospeicherheizungen gespeichert. Gibt es kaum Wind oder Sonne, speisen die Batterien den Strom wieder ins Netz der Insel – so wird die vor Ort erzeugte Energie auch vor Ort genutzt. In der Praxis ist dies leichter gesagt als getan. Denn soll die Spannung im Stromnetz stabil bleiben, müssen Stromerzeugung und -verbrauch gleich groß sein. Gleichzeitig sollen Sonnen- und Windenergie aber einen möglichst hohen Ertrag liefern – wodurch das Stromnetz wiederum an die Grenzen seiner Belastbarkeit zu gelangen droht. Um Stromausfälle zu vermeiden, muss der regenerativ erzeugte Strom also möglichst optimal verwertet werden.

Intelligent vernetzt: Energieerzeuger, -verbraucher und –speicher

Auf Pellworm geschieht dies über ein integriertes System, das Energieerzeuger, -verbraucher und -speicher auf der Insel über Datenleitungen miteinander vernetzt und die Energieflüsse intelligent steuert. Die vorhandene Strominfrastruktur auf der Insel wurde dafür durch mehrere hochmoderne Komponenten ergänzt. Namhafte Partner aus Wissenschaft und Industrie bringen sich dabei mit ihrer Expertise ein, darunter die RWTH Aachen, die FH Westküste, das Fraunhofer-Anwendungszentrum Systemtechnik und der Nürnberger Batteriespezialist Saft Batterien. Letzterer produziert die Lithium-Ionen- Batterien, die mit einer Speicherkapazität von 560 Kilowattstunden ein zentraler Baustein des Projekts sind. Die Hochleistungsspeicher lassen sich binnen kürzester Zeit laden und entladen und taugen dadurch als Kurzzeitspeicher für die auf Pellworm erzeugte Energie. Sie ergänzen die sogenannte Redox- Flow-Batterie, die als Langzeitspeicher fungiert. Wind- und Sonnenstrom, der nicht direkt verbraucht wird, kann durch Kombination dieser innovativen Energietechnologien für wind- und sonnenarme Zeiten gespeichert werden, was in dieser Form neu ist. Auch mit dem Einsatz von zwei regelbaren Ortsnetz-Transformatoren betreten die Projektbeteiligten Neuland. Die Trafos zählen zu den ersten dieser Art in Schleswig-Holstein und regeln die Spannung im Netz automatisch, gewährleisten so eine stabile und sichere Stromversorgung der Insel mit grüner Energie.

Smarte Region, smarte Technik

Für Stabilität sorgt zudem die Leistungselektronik des bayerischen Spezialausrüsters Gustav Klein. Sie bildet die Schnittstelle zwischen den Lithium-Ionen-Batterien und dem Netz und wandelt den Wechselstrom aus dem Netz in Gleichstrom um, damit dieser in Batterien gespeichert werden kann. Beim Entladen stellt das System sicher, dass der Gleichstrom aus der Batterie in Wechselstrom gewandelt wird. Optimiert wird das Zusammenspiel der einzelnen Bausteine durch ein von Fraunhofer- Forschern entwickeltes Energiemanagementsystem. Das sammelt permanent Daten wie Sonneneinstrahlung, Windgeschwindigkeit, Temperatur und weiß um die aktuellen Verbrauchsund Erzeugungswerte auf der Insel. Auf dieser Grundlage sorgt es für eine ständige Balance zwischen Energieerzeugung und -verbrauch. Selbst Feiertage oder Veranstaltungen und die damit einhergehenden Änderungen im Stromverbrauch fließen in die Prognose ein. 2014 startete das Projekt in den Testbetrieb. Diese Demonstrationsphase wird zeigen, wie die einzelnen Bausteine zusammenspielen, wie die Energiespeicher optimal mit den Erzeugungsanlagen verknüpft werden können und wo eventuell nachgesteuert werden muss. Außerdem wird sich im Testbetrieb zeigen, inwieweit die schwankende Einspeisung erneuerbarer Energien auf Pellworm abgefedert und deren Verwertung vor Ort verbessert werden kann – und inwieweit dies auch in anderen Regionen Deutschlands oder Europas möglich sein wird.

Im Original ist der Text im Jahrbuch "Global Compact Deutschland 2014" erschienen.

Quelle: UD/cp
 

Related Posts

Newsletter

Unsere Verantwortung/Mitgliedschaften

Logo
Serverlabel
The Global Compact
Englisch
Gold Community
Deutsches Netzwerk Wirtschaftsethik
Caring for Climate

© macondo publishing GmbH
  Alle Rechte vorbehalten.

 
Lasche