CSR-Management

Nicht bloß auf Gesetzgeber warten, sondern vorweggehen

Welche messbaren Umweltbelastungen und Nutzeneffekte hat ein Produkt? Wer die Antwort darauf weiß, kann sein Unternehmen nachhaltig ausrichten. Bei Evonik liegt genau dieser Kurs an. Wir sprachen darüber mit Thomas Wessel, Mitglied des Vorstandes der Evonik Industries AG.

13.09.2019

Thomas Wessel, Personalvorstand und Arbeitsdirektor von Evonik, spricht über die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens.
Thomas Wessel, Personalvorstand und Arbeitsdirektor von Evonik, spricht über die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens.

UmweltDialog: Herr Wessel, der Wert eines Unternehmens wird heute nicht mehr allein nach Marktkapitalisierung bemessen. Ökologische und soziale Aspekte gewinnen zunehmend an Bedeutung. Welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit für Evonik?

Thomas Wessel: Unser Anspruch ist, nicht bloß auf regulatorische Rahmensetzungen oder wechselhafte Kapitalmarktanforderungen zu reagieren. Nachhaltigkeit hat für uns eine marktgestaltende Qualität. Das ist der Kern unserer Nachhaltigkeitsstrategie Evonik 2020+. Dazu gehören zum einen ambitionierte Ziele, Ressourcen- und Energieeffizienz unserer eigenen Produktion immer weiter zu verbessern. Zum anderen heißt es, dass wir den Nachhaltigkeitsnutzen unserer Produkte und Lösungen beim Kunden kontinuierlich ausbauen. Wenn Sie beides zusammen nehmen, wird Nachhaltigkeit zu einem veritablen Treiber für Innovation und Wachstum.

UD: Seit dem Klimagipfel von Paris 2015 ist der Begriff der Dekarbonisierung in aller Munde, wenn es um Klimaschutz geht. Das bedeutet auch, dass CO2-intensive Industriezweige wie die Chemiebranche treibhausgasneutral wirtschaften müssen. Wie ist das möglich? 

Wessel: Klimaschutz und Ressourcenschonung haben in der chemischen Industrie einen hohen Stellenwert. Wir konnten den Ausstoß von Treibhausgasen in unserer Branche seit 1990 trotz steigender Produktivität nahezu halbieren. Außerdem ist die Chemie Innovationsmotor auf dem Weg in eine CO2-neutrale Gesellschaft. Lassen Sie mich aus der Vielzahl laufender Projekte nur mal eines herausgreifen: Evonik und Siemens arbeiten gemeinsam an Elektrolyse- und Fermentationsprozessen, die eine künstliche Fotosynthese möglich machen. Ziel ist, vermittels CO2, grünem Strom und bestimmter Bakterien wertvolle Spezialchemikalien wie Butanol oder Hexanol herzustellen. Bis 2021 soll eine erste Versuchsanlage an unserem Standort Marl in Betrieb gehen.

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UD: Evonik hat dieses Jahr eine neue Nachhaltigkeits- und Klimastrategie veröffentlicht. Ihr Ziel ist es unter anderem, bis 2025 Ihre absoluten Treibhausgasemissionen um die Hälfte gegenüber 2008 zu halbieren. Mit welchen Maßnahmen wollen Sie das erreichen?

Wessel: Wir bekennen uns zu den Beschlüssen des Pariser Klimaabkommens. Auf dieser Grundlage haben wir Evonik 2020+ Anfang des Jahres vorgestellt. Dazu gehört, dass wir uns in der Eigenstromerzeugung endgültig von der Kohle verabschieden. An unserem größten Standort in Marl planen wir, die letzten Kohlekapazitäten durch ein hochmodernes Erdgaskraftwerk mit Kraft-Wärme-Kopplung zu ersetzen. 2022 soll die neue Anlage mit einem Wirkungsgrad von über 90 Prozent in Betrieb gehen. Allein damit sparen wir jährlich bis zu eine Million Tonnen an direkten CO2-Emissionen ein. Mit Evonik 2020+ führen wir aber auch einen internen CO2-Preis für wichtige Investitionen ein. Und natürlich arbeiten wir weiter daran, unsere Prozesse und Technologien kontinuierlich zu verbessern, Energiebereitstellung, Verbundstrukturen und Managementsysteme fortlaufend zu optimieren. 

Was zählt, sind wirksame Anreize, Klimaschutz mit wirtschaftlichem Erfolg zu verbinden. Das fängt damit an, die ökologischen und sozialen Effekte der eigenen Unternehmenstätigkeit umfänglich sichtbar zu machen. Sie kennen den Grundsatz: Nur was sich messen lässt, lässt sich auch managen. Auf dieser Grundlage nutzen wir drei wichtige Hebel, um unsere Ziele in punkto Nachhaltigkeit zu erreichen: Investitionen, Innovationen und Incentivierung. 

UD: Klima-Experten fordern die Bepreisung von Kohlendioxid, um die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen; zum Beispiel über eine CO2-Steuer. Sie selbst haben einen internen CO2-Preis von 50 Euro je Tonne als Instrument eingeführt, um Ihre Investitionen zu lenken. Bitte erklären Sie das. Welche Vorteile versprechen Sie sich?

Wessel: Es ist klug, ökologische wie soziale Chancen und Risiken angemessen in Unternehmensentscheidungen abzubilden. Eine Bepreisung kann da helfen. Unser interner CO2-Preis von 50 Euro je Tonne berücksichtigt Einschätzungen unter anderem der Weltbank und des IWF. Das Niveau ist für die Zukunft nicht in Stein gemeißelt, sondern soll atmen und sich auch regional entwickeln können. Auf Sicht ist dies ein vielversprechender Ansatz, um die Transformation in Richtung CO2-sparender Technologien voranzutreiben. Für Evonik ist das ein vordringliches Thema. Allein in Europa betreiben wir 30 Anlagen, die dem EU-Emissionshandel unterliegen. Weltweit sind rund 75 Prozent unseres Umsatzes von unterschiedlichen CO2-Regimen abgedeckt. Damit können wir gut leben, solange zwei Dinge gewährleistet sind: Langfristige Planungssicherheit und ein global koordiniertes Vorgehen, das unterschiedliche CO2-Vermeidungskosten in den verschiedenen Weltregionen angemessen berücksichtigt. 

UD: Wasser ist ein zentrales Produktionsmittel für Sie. Bisher galt es, den konzernweiten Verbrauch zu reduzieren. Nun wollen Sie ein globales Wassermanagementsystem implementieren. Wasserrisiken sind für Sie kein neues Phänomen. Warum gehen Sie diesen Schritt erst jetzt?

Wessel: Zunächst: Den Weg einer kontinuierlichen Verringerung unserer spezifischen Wasserförderung gehen wir weiter. Die Einführung eines weltweiten Wassermanagementsystems ist ein zusätzlicher Schritt. Warum machen wir den jetzt? Weil wir heute über die erforderlichen Geodaten und Projektionen verfügen, um die Situation an unseren weltweiten Standorten für die nächsten zwei Dekaden zuverlässig abschätzen zu können. Das berücksichtigt neben der natürlichen Wasserverfügbarkeit insbesondere auch den regionalen Wasserbedarf aufgrund sozioökonomischer Entwicklungen.

Evonik Nachhaltigkeitsbericht 2018

UD: Was sind die Kernelemente Ihres neuen Wassermanagementsystems?

Wessel: Wir haben ermittelt, welche Standorte auf absehbare Zeit in Wasserstressgebieten liegen werden. Auf dieser Grundlage entwickeln wir standortspezifische Ansätze, um Vorsorge zu treffen und gemeinsam mit den Akteuren vor Ort konkrete Maßnahmen zu entwickeln. Regionalisierung ist der eigentliche Kern dieser Strategie. Lösungen von der Stange gibt es nicht. 

UD: In vielen Ihrer Geschäfte verfolgen Sie einen klaren Nachhaltigkeitsfokus. 2019 haben Sie die Geschäftsfelder diesbezüglich mit Hilfe einer neuen Methodik analysiert. Was haben Sie gemacht und zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen?

Wessel: Was uns leitet, ist eine einfache Fragestellung: Welche messbaren Umweltbelastungen und Nutzeneffekte hat ein bestimmtes Produkt, in einer definierten Anwendung, in einer spezifischen Region? Wenn Sie das anhand belastbarer Kriterien untersuchen, haben Sie am Ende ein starkes Instrument, Ihr Portfolio unter Nachhaltigkeitskriterien weiterzuentwickeln. Wir orientieren uns dabei übrigens an dem Rahmen, den das World Business Council for Sustainable Development für Nachhaltigkeitsportfoliobewertungen gesetzt hat. An der Entwicklung waren wir selbst maßgeblich beteiligt. Bis Jahresende 2019 wollen wir entsprechende Analysen auf rund 90 Prozent unseres Umsatzes angewendet haben. Was wir dabei schon heute sehen: Rund die Hälfte des Umsatzes erwirtschaftet Evonik mit Produkten, die einen nachweislichen Beitrag zu verbesserter Ressourceneffizienz in der Anwendung leisten. Diese Nutzeneffekte wollen wir weiter ausbauen. Daran arbeiten wir.

UD: Vielen Dank für das Gespräch!

Quelle: UmweltDialog
 

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