Circular Economy

Pharmaindustrie: von Umweltverschmutzung bis Kreislaufwirtschaft

Die pharmazeutische Industrie gilt als eine der umweltschädlichsten Industrien weltweit, und das, obwohl Ihr oberstes Ziel unsere Gesundheit ist. Laut der im Journal of Cleaner Production veröffentlichten Studie „Carbon footprint of the global pharmaceutical industry and relative impact of its major players“, übersteigen die Emissionen der Pharmaindustrie die der Automobilindustrie um mehr als die Hälfte, 55 Prozent.

08.07.2022

Pharmaindustrie: von Umweltverschmutzung bis Kreislaufwirtschaft

Von Martina Campora, CYRKL

Doch warum wird die Pharmaindustrie nicht zur Rechenschaft gezogen?

Das verzerrte Bild der Medikamentenbranche ist zum größten Teil auf intensive Kommunikationsmaßnahmen und bewusst betriebenes Greenwashing zurückzuführen.

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Tatsächlich ist vielen von uns nicht bewusst, dass das Problem der Umweltverschmutzung durch Arzneimittel über die Produktionsstätten hinausgeht. Medikamentenrückstände gelangen durch unsachgemäße Entsorgung und der Verbreitung über Abwässer in die Umwelt. Durch die Einnahme von Arzneimitteln und die anschließende Ausscheidung über die Körperflüssigkeiten gelangen die Rückstände in Flüsse, Seen, Meere und Ozeane.

Darüber hinaus spielt auch die Tierhaltung eine wichtige Rolle. Ähnlich wie beim Lebenszyklus von Humanarzneimitteln führen auch die an Tiere verabreichten Antibiotika zu problematischen Rückständen im Ökosystem. Ihre Konzentration ist ein globales Problem. Obwohl die westliche Nationen über bessere Aufbereitungssysteme verfügen als die Entwicklungsländer, lassen sich in beinahe allen Ländern Medikamentenrückstände im Trinkwasser nachweisen, vor allem in Großstädten.

Die Verbreitung dieser Chemikalien wirkt sich auf das gesamte Ökosystem aus. Das schließt neben Umwelt und Tieren auch uns Menschen und unsere Gesundheit mit ein. Arzneimittel in unserem Trinkwasser können die Wahrscheinlichkeit für bestimmte Krankheiten erhöhen. Als Folge können eine Störung des Hormonsystems, Wachstumshemmungen oder Medikamentenresistenz auftreten. Demnach stellt verunreinigtes Wasser nicht nur eine Bedrohung für die menschliche Gesundheit dar, sondern beeinträchtigt auch den Gesundheitszustand verschiedener Tierarten.

Schwenkt man zurück auf die pharmazeutischen Produktionsstätten, so sind diese für einen erheblichen Anteil an Treibhausgasemissionen verantwortlich. Genaue Erhebungen sind kaum möglich, da nicht alle Unternehmen bereit sind, ihre direkten und indirekten Emissionsdaten konsequent zu melden. In der zuvor genannten Studie haben beispielsweise nur 25 von über 200 multinationalen Unternehmen Einblick in ihre Emissionsdaten gewährt.

Wie können Pharmaunternehmen ihre Umweltauswirkungen verringern?

Green Chemistry

Mit Hilfe der Ökobilanz zielt „Green Chemistry“ darauf ab, den Lebenszyklus von Arzneimitteln zu verbessern und dabei Schadstoffe reduziert oder sogar eliminiert. Green Chemistry macht vorwiegend Gebrauch von organischen Ressourcen. Sowohl bei der Herstellung als auch beim Endprodukt dürfen, ähnlich den Prinzipien im Ecodesign, keine gefährlichen Stoffe entstehen, die in der Umwelt verbleiben. Die bemerkenswerte Entwicklung nachhaltiger Arzneimittellösungen ermöglicht es Unternehmen, die negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt drastisch zu verringern.

Verwendung von Sekundärrohstoffen und Abfallrecycling

Obwohl das Recycling von Abfällen aus der pharmazeutischen Industrie eine Herausforderung darstellt, müssen Unternehmen Deponien oder thermische Verwertung immer als letzte Alternative in Betracht ziehen. Im Idealfall sollen die höchstmöglichen Verwertungsmethoden anhand der Abfallhierarchie angewendet werden, um deponierte und verbrannte Abfälle auf ein Minimum zu reduzieren. Dank technologischer Fortschritte wird es immer einfacher, Partner für die wirtschaftliche Zusammenarbeit in der Abfallverwertung zu finden.

Umstieg auf erneuerbare Energien und Null-Emissions-Ziele

Wie in jeder produzierenden Branche sollte auch die Pharmaindustrie die Effizienz und Umweltbilanz der verwendeten Ressourcen überprüfen und optimieren. Im ersten Schritt wird der Status Quo der Treibhausgasemissionen aus Energie, Transport, Materialien und Abfall quantifiziert.

Ein erster und wichtiger Schritt kann der Umstieg auf erneuerbarer Energien sein. Diese Maßnahme soll jedoch im Rahmen einer 360-Grad-Betrachtung des Unternehmens umgesetzt werden, um sicherzustellen, welche Wechselwirkungen einzelne Unternehmensbereiche verursachen. Um die Ökobilanz nachhaltig zu verbessern, ist es notwendig, Ziele für die Emissionsreduktion festzulegen. So können die Ergebnisse überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Sollte ein Unternehme intern nicht über genügend Kompetenzen oder Ressourcen verfügen, können externe Berater:innen herangezogen werden. So entsteht ein möglichst objektives Bild, da das Unternehmen aus einer externen Perspektive durchleuchtet wird.

Einige ungeöffnete Tablettenpackungen.

Verpackung

Die Verpackung eines pharmazeutischen Produkts muss in drei Bereichen punkten: Kundenzufriedenheit, Logistik und Umweltfreundlichkeit. Drei Aspekte, die sich gegenseitig stark beeinflussen können.

Was den ersten Aspekt, die Kundenzufriedenheit, betrifft, so muss die Verpackung attraktive gestaltet sein, aber auch alle notwendigen Informationen für eine ordnungsgemäße Entsorgung enthalten. Doch die Verpackung soll nach dem Gebrauch leicht recycelbar sein. Hier ist die Verwendung von einer Materialgruppe oder einfach trennbaren Materialien ausschlaggebend.

Im Prozess der Rückgewinnung von Arzneimittelverpackungen liegt großes Potential. Deshalb können Pharmaunternehmen interne Projekte zur Rückgewinnung gebrauchter Verpackungen in Betracht ziehen. Sowohl aus logistischer als auch aus ökologischer Sicht muss die Verpackung so materialsparend wie möglich gestaltet werden.

Abschließend erfordert ein nachhaltiges Verpackungsdesign eine LCA-Analyse. Angefangen bei der sorgfältigen Auswahl der Rohstoffe (bevorzugt Einsatz von Sekundärrohstoffen) bis hin zu den Umweltauswirkungen am Ende des Lebenszyklus des Produkts.

Nachhaltigkeit und Verantwortung als multinationaler Konzern: das Beispiel von Novo Nordisk

Der dänische Pharmariese Novo Nordisk ist einer der weltweit größten Hersteller von Insulin. Das Unternehmen ist in 168 Ländern tätig und beschäftigt mehr als 47.000 Mitarbeiter an 80 Standorten. Das Thema Nachhaltigkeit ist der Geschäftsführung seit jeher wichtig, was bei hohen Investitionen in innovative Technologien sowie ehrgeizigen Nachhaltigkeitszielen zu sehen ist. Die umfassende Umweltstrategie „Circular for Zero“ arbeitet mit Prinzipien der Kreislaufwirtschaft und soll die gesamte Wertschöpfungskette bis 2045 dekarbonisieren.

Bereits seit 2020 stammt die für die Produktion verwendete Energie aus erneuerbaren Quellen. Zusätzlich will der Konzern bis 2030 von allen Zulieferern dasselbe einfordern. Bis dahin will Novo Nordisk selbst keine Treibhausgasemissionen mehr mit Betrieb und Transport verursachen. Außerdem ist das Unternehmen bestrebt, Produkte zu entwickeln, die wiederverwendet oder recycelt werden können. Dabei soll der Rohstoffeinsatz durch effizientes Abfallmanagement optimiert werden. Die Bemühungen tragen bereits Früchte: Durch die Implementierung der Kreislaufwirtschaft führt dazu, dass 96 Prozent der Abfälle stofflich recycelt und nur 0,06 Prozent auf Deponien entsorgt werden.

Durch den gesamten Konzern sind vom Abfallmanagement bis zur Lieferkette starke Ambitionen einer Kreislaufwirtschaft zu bemerken. Unter den spannenden internen Projekten ragt eines besonders heraus, das gebrauchten Insulinpens ein zweites Leben schenkt. Novo Nordisk war gezwungen, diese medizinischen Geräte hauptsächlich über den Restmüll zu entsorgen, obwohl sie zu 77 Prozent aus Kunststoff bestehen.

Obwohl die Hygiene- und Entsorgungsvorschriften stark von Land zu Land variieren, entschloss sich das dänische Unternehmen, an einer Anlage zur Trennung der Bestandteile zu forschen. In Kooperation mit einem Designbüro wird der Kunststoff für die Herstellung von Bürostühlen und das Glas für die Lampenproduktion wiederverwendet. Allein Novo Nordisk stellt jährlich 600 Millionen Insulinpens her und kann durch das Recycling der Hauptbestandteile die Umweltbelastung erheblich reduzieren.

Der Engpass in der Umsetzung dieses Pilotprojekts liegt aktuell in der Rückgabe der gebrauchten Pens. Doch es laufen bereits einige Sammelprojekte in Dänemark, dem Vereinigten Königreich und Brasilien, um dieses Problem zu lösen.

Können wir als Verbraucher etwas beitragen?

Nach dieser ernüchternden Bilanz der Pharmaindustrie fühlt man sich als Endverbraucher doch sehr machtlos. Dennoch kann jeder von uns Maßnahmen ergreifen, die zum Schutz unserer Umwelt und unserer Gesundheit beitragen:

  • Fachgerechte Entsorgung von Medikamenten
  • Bevorzugung von Medikamenten mit nachhaltigen Verpackungen
  • Generell verantwortungsvoller Umgang mit Medikamenten
  • Bewertung homöopathischer und natürlicher Alternativen
  • Bevorzugung einer ökologische Ernährung
Quelle: UD
 

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