Klimawandel

Klimakompensation. Und plötzlich ist alles wieder gut?

„Heuchelei“, so nannte Papst Franziskus die Kompensationszahlungen für Flüge. Nur neun Prozent der deutschen Flugreisenden leisten Klimakompensationen leisten, jeder vierte Deutsche hat es noch nicht einmal vor. Warum sollte man zahlen und was bringen diese Ausgleichszahlungen überhaupt? Wer überwacht das und gibt es Alternativen? Ein kritischer Standpunkt von Tim van Oerle.

30.07.2019

Klimakompensation. Und plötzlich ist alles wieder gut?

Jeder, der in einem sogenannten Industrieland lebt, hat schon davon gehört, dass Flugzeuge sehr hohe CO2-Emissionen ausstoßen. Das Thema ist nun wirklich nicht neu, selbst in der Schule wird darüber gesprochen.

Und dann gibt es Menschen – jeder vierte erwachsene Deutsche, den das nicht interessiert?! Wie kann das sein? Wenn man einmal in Ruhe darüber nachdenkt, dann hat die Verweigerung etwas zur Rettung der Erde beizutragen, etwas mit Verleugnung zu tun – oder?

Es soll nun wirklich keinem Menschen unterstellt werden, dass es ihm egal ist, wie es seinen Kindern, Enkelkindern, Neffen, Nichten oder denen des Nachbarn ergehen wird. Warum sollte man auch so denken? Denn Klimaerwärmung ist keine Modekrankheit oder ein Trend, der schon wieder vergeht.

Klimaerwärmung ist eine Tatsache.

Darüber braucht man noch nicht einmal zu diskutieren. Es gibt sie! Kaum einer von uns tut genug, um sie abzuwenden. Wir denken im normalen Leben noch nicht einmal daran. Hier drängt sich ein Vergleich auf, ein Vergleich, der Stürme der Entrüstung nach sich ziehen wird, doch hier ist er nichtsdestotrotz.

Die Verleugnung des Klimawandels – offensichtlich 25 Prozent aller deutschen Erwachsenen – hat eine traurige Ähnlichkeit mit der Verleugnung des Holocausts. Menschen sind gestorben, unschuldige Menschen, schuldige Menschen, Kinder, Greise – alle tot. Und warum? Weil … Ziehen wir den Vergleich weiter: Menschen werden sterben, unschuldige Menschen, gute und schlechte, Kinder, Greise, Mütter, Väter, Söhne und Töchter. Und warum?

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Was bringen diese Ausgleichszahlungen überhaupt?

Diese Frage ist berechtigt und die Antwort ist nicht ganz so glorreich, wie sie gerne suggeriert wird. Nämlich: Zu wenig.

Ein beliebtes Beispiel sind die Flugreisen. Flugzeuge verbrennen Kerosin und stoßen CO2 aus. Dabei setzen sie während Abflug und Landung den größten Teil davon frei. Aber das ist noch nicht alles.

- CO2 wird durch die Verbrennung von Kerosin freigesetzt plus
- weitere schädliche Schadstoffe, ebenfalls durch die Verbrennung plus
- die daraus folgenden klimawirksamen Effekte.

Das ist schon sehr logisch, nur ignorieren wir das natürlich gerne.

Warum?

Na, weil es dann ja gar nicht so schlimm ist und wir nun doch nicht viel ändern müssen, um diesen Abgasen Herr zu werden. Also, eben doch reine Panikmache.

Kompensationszahlungen oder Ablasshandel: das Mittelalter kehrt zurück

Im Mittelalter hat man einen Ablass gezahlt, um sich Vergebung zu erkaufen. Das Prinzip ist immer noch dasselbe – auch im hier und jetzt.

Mit den Kompensationszahlungen sollen Maßnahmen finanziert werden, die

a) optimalerweise die ausgestoßenen Abgase ausgleichen und
b) zugleich das übermäßige CO2, welches unser Klima bereits angreift, auffangen und
c) den CO2-Ausstoß nachhaltig verringern.

Sie wägen ab. Mitnehmen, kann keiner. Hinterlassen, wir alle!

Kann man Schäden ausgleichen?

Nein. Kann man nicht. Selbstverständlich hilft jede Maßnahme, doch freikaufen können wir uns alle nicht. Ob das jetzt im Mittelalter funktioniert hat, ist ungewiss. Doch heute wissen wir, dass mit Kompensationszahlungen allein, der Klimawandel nicht aufgehalten werden kann!

Insgesamt gibt es in Deutschland 27 Organisationen, die auf den Seiten des Bundesumweltministeriums aufgeführt sind. Bitte nehmen Sie sich doch ein wenig Zeit und lesen ein paar der Artikel und Informationen. Vielleicht hilft Ihnen das noch besser zu verstehen.

Viel drastischere Maßnahmen sind notwendig!

Bereits 1988 wurde der „Weltklimarat“ (Intergouvernemental Panel on Climate Change, IPCC) gegründet. Schon damals war abzusehen, dass wir es in kürzester Zeit geschafft haben, unseren Planeten massiv ins Ungleichgewicht zu bringen.

Und obwohl wir also seit locker dreißig Jahren! wissen, was wir so anrichten, hat es niemanden wirklich interessiert. Klar, da waren die Grünen, doch das haben alle mitgemacht und ja, wir Deutschen sind Vorreiter in vielen umweltbezogenen Belangen – doch so einfach ist das nicht.

Keiner von uns hat genug getan

Da nützt keine Aufzählung, was wir alles tun und getan haben. Denn, wer von uns hätte all die Auflagen freiwillig angenommen?

1. Die meisten von uns machen es, weil es das Gesetz vorschreibt.

2. Eigentlich machen wir es, weil es teuer ist, wenn wir es nicht machen.

Es ist schon einfach durch Ägypten, Thailand oder Timbuktu zu reisen und den Finger zu heben. Doch haben wir irgendetwas dafür getan, dass sich die Zustände auch woanders bessern? Da kommt schnell der geizige und rechthaberische Teil von uns raus: „Jeder ist seines Glückes …“ Wie herrlich muss es sein, sich wie Pontius Pilatus fühlen zu dürfen. Okay. Polemik.

Fakt ist, auf Regierungsebene und auch auf Seiten diverser Forschungs- und Menschenrechtsorganisationen, hat Deutschland schon einiges in die Welt hinausgetragen. Und, auch wenn ich keinen direkten Anteil daran hatte, bin ich stolz darauf, dass meine Steuern auch anderen Menschen helfen konnten.

Ein Mädchen steht in der Bever, einem Zulauf der Ems

Was muss getan werden?

Kurze Antwort: Viel! Wirklich, richtig viel. Doch was ist Ihnen das Leben wert? Für sich selbst und für Ihre Kinder und Enkelkinder?

Natürlich brauchen wir Geld. Immer. Auch die erwähnten Organisationen helfen. Aber Achtung! Kompensationszahlungen kompensieren nicht! Sie helfen und das ist wichtig. Wir sind damit aber nicht frei gesprochen von der Verpflichtung, mehr zu tun.

Was noch?

Jetzt wird es unangenehm. Fliegen. Coole Sache, geht zügig, ist relativ sicher – und zählt zu einer der großen Umweltsünden, die wir in den Industrienationen jemals begangen haben. Bahn, Auto und vor allen Dingen Busse sind deutlich umweltfreundlicher. Muss es immer der Auslandsflug sein – oder der Flug von Hannover nach München?

Wenn Sie reisen müssen, wägen Sie bitte Ihre Zeit gegen unser Klima ab – dramatischer – gegen unser Leben. Vieles kann per Videotelefonie etc. ebenso gut geregelt werden. Auch wenn die Züge in Deutschland so schlecht sind, wie wir alle behaupten, umweltfreundlicher sind sie auf jeden Fall. Und wägen Sie bitte Ihre Geräusch- und Geruchsempfindlichkeit gegen unser Leben auf.

Ferne Strände, Palmen – fast jeder von uns bekommt sehnsuchtsvolle Augen bei diesen Worten. Und dennoch. Ob per Flieger oder Kreuzfahrtschiff – Ihre Abenteuer- oder Prestigereise gegen das Leben Ihrer Kinder oder Enkelkinder? All diese Ziele sind hoffentlich noch da, wenn wir unserer Verantwortung gerecht geworden sind.

Besuchen Sie die Alpen, solange es noch Schnee gibt. Fahren Sie an die Nord- oder Ostsee, solange diese noch nicht in Mitteldeutschland angekommen sind. Streifen Sie durch den Wald, erklären Sie Ihren Kindern was Natur ist. Warum wir Natur brauchen. Und, dass wir alle ein Teil der Natur sind. Mieten Sie ein Naturhäuschen, achten Sie auf Ihre Umwelt und seien Sie bitte achtsamer.

Quelle: UD/pm
 

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