Compliance

Ermittlungsverfahren wegen Elektrofischerei

Fünfundzwanzig Umweltschutzorganisationen und Fischereiverbände aus ganz Europa haben bei der EU einen förmlichen Antrag auf Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts auf Betrug in der niederländischen Elektrofischerei gestellt.

25.06.2018

Ermittlungsverfahren wegen Elektrofischerei

Trotz der Verstöße der niederländischen Regierung gegen die Transparenzanforderungen der EU hinsichtlich der Offenlegung von Finanzdaten für den Fischereisektor gibt es Belege dafür, dass niederländische Elektroschiffe und Forschungsinstitute unzulässige öffentliche Fördermittel in beträchtlicher Höhe erhalten haben. In dreifacher Hinsicht stellen die unterzeichnenden Organisationen die Rechtmäßigkeit dieser Finanztransfers in Frage:

  1. Angeblich wurde die Elektrofischerei für die Zwecke „wissenschaftlicher Forschung“ massiv ausgebaut. Tatsächlich wurde keinerlei Forschung betrieben.
  2. Die EU-Verordnungen, auf deren Grundlage die Zuteilung staatlicher Zuschüsse erfolgte, sehen ausdrücklich vor, dass die Vergabe öffentlicher Gelder nicht zu einer Erhöhung des Fischereiaufwands führen soll. Genau dies ist bei der Elektrofischerei aber der Fall.
  3. Die EU-Rechtsvorschriften schreiben zudem vor, dass der Wert jeglicher Fänge, die im Rahmen wissenschaftlicher Forschungen getätigt werden, an die öffentliche Hand zurückzuzahlen ist. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass wissenschaftliche Forschung dazu genutzt wird, unrechtmäßige Gewinne zu erzielen.
Anzeige

Eine fragwürdige erste Entscheidung im Jahre 2006

1998 wurde die Elektrofischerei, zusammen mit anderen destruktiven Fangmethoden wie etwa der Verwendung von Sprengstoffen oder Gift, in Europa verboten – nur um 2006, auf den willkürlichen Vorschlag der Europäischen Kommission hin, elektrischen Strom von diesem Verbot auszunehmen und mit einer Ausnahmeregelung zu versehen, erneut zugelassen zu werden. Diese Entscheidung stand in klarem Widerspruch zu den eindeutigen wissenschaftlichen Empfehlungen, die der Kommission zu diesem Zeitpunkt vorlagen . Seit dieser fragwürdigen ersten Entscheidung, die allein der damals fast bankrotten niederländischen Fischerei mit Baumkurrentrawlern zugutekam, hat sich die Elektrofischerei in den Niederlanden – weit über den regulatorischen Rahmen hinaus – zu einem profitablen Geschäft entwickelt.

Wissenschaftliche Forschung, die keine war

Bereits 2007 erhielten die Niederlande 22 Genehmigungen für die Ausübung von Fischereitätigkeiten mit elektrischem Strom – schon dies ein Verstoß gegen die gesetzlich vorgeschriebene Höchstgrenze von 5 Prozent lizensierten Schiffen gemessen an der Größe der Baumkurrenflotte eines Landes. 2010 und 2014 kamen die Niederlande in den Genuss von 62 weiteren Ausnahmeregelungen, um „wissenschaftliche Forschung“ zu betreiben bzw. „wissenschaftliche Pilotprojekte“ durchzuführen. Doch nachdem jüngst ein niederländischer Enthüllungsjournalist die Ergebnisse seiner Recherchen veröffentlicht hat, haben sowohl die Fischereibetreiber als auch die Behörden in den Niederlanden öffentlich zugegeben, dass keinerlei Forschung betrieben wurde und der wissenschaftliche Anspruch lediglich als Vorwand zur Verdeckung kommerzieller Aktivitäten diente . Die Beteiligten wurden quasi auf frischer Tat beim Betrug ertappt, der nun vom OLAF schnellstmöglich untersucht werden muss – auch angesichts des aktuellen politischen Kontextes der EU-Verhandlungen, in deren Rahmen über die Zukunft der Elektrofischerei entschieden werden soll.

Gewährte Subventionen verstoßen gegen EU-Verordnungen

Die EU-Verordnungen, die den regulatorischen Rahmen für den Transfer
öffentlicher Mittel an den europäischen Fischereisektor bilden, schreiben vor, dass „Vorhaben, die die Fangkapazität eines Schiffes erhöhen, oder […] Ausrüstung zur verbesserten Lokalisierung von Beständen“ sowie Vorhaben, die zu einer „ Erhöhung des Fischereiaufwands“ führen, keine Beihilfen erhalten dürfen. In der wissenschaftlichen Literatur ist jedoch weithin anerkannt, dass die Elektrofischerei größere Fänge gezielt befischter Arten ermöglicht. Demzufolge hätten die
niederländischen Fischereifahrzeuge offenkundig nicht in den Genuss der EU-Strukturförderung kommen dürfen.

Welche Summen sie den europäischen Bürgern zurückzahlen müssten, lässt sich
aufgrund der eingangs erwähnten Verstöße der niederländischen Regierung gegen die geltenden Transparenzanforderungen derzeit noch nicht sagen. Jede Ausschüttung von EU-Beihilfen erfolgt über nationale Verwaltungsorgane und auch für die Niederlande gilt, dass Fischereibetreiber und Verwaltung die Gesetze kennen müssen. Konkret schreibt die Europäische Kommission vor: „Die nationalen Behörden stellen sicher, dass [die Verordnungen] ordnungsgemäß angewandt werden ” – und sind daher vorliegend auch dafür verantwortlich, dass EU-Vorschriften entgegen dem Allgemeininteresse und zum Nachteil der übrigen Interessenvertreter, insbesondere der kleinen Küstenfischerei, missbräuchlich umgangen wurden.

Gewährte Subventionen müssen eventuell zurückgezahlt werden

Der Skandal könnte sich noch ausweiten, wenn die Ermittlungen des Amtes für Betrugsbekämpfung den Verdacht bestätigen, dass niederländische Elektrofischereifahrzeuge, die unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Forschung öffentliche Beihilfen kassierten, den Wert der Fänge, die sie im Rahmen der mit öffentlichen Mitteln finanzierten „wissenschaftlichen Studien“ erzielten, nicht
zurückgezahlt haben. Das Gemeinschaftsrecht3 schreibt hierzu eindeutig vor: „Pilotprojekte dürfen nicht unmittelbar kommerziellen Zwecken dienen. Etwaige während der Durchführung eines Pilotprojekts erwirtschaftete Einkünfte werden von der öffentlichen Unterstützung für das Vorhaben abgezogen.“ Dieser Mechanismus soll zweifelsohne dazu dienen, betrügerische persönliche Bereicherung auf Kosten des Steuerzahlers zu verhindern.

Bei den Küstenfischern entlang der Nordsee stößt die Elektrofischerei mehrheitlich auf Ablehnung, da die extreme Effektivität des Einsatzes von elektrischem Strom zu einer raschen Erschöpfung der Meeresökosysteme und zum drohenden Untergang traditioneller Fangmethoden führt. Die einseitige Intervention der Verwaltung zugunsten rechtswidriger Beihilfen für ein ausgewähltes Segment des Fischereisektors, die derart gravierende Auswirkungen auf die Fischereigemeinschaften insgesamt
hat, sowie die Geldsummen, die für wissenschaftliche Tätigkeiten bereitgestellt wurden, die niemals stattfanden, erfordern dringend die Einleitung eines sofortigen und umfassenden Ermittlungsverfahrens durch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung.

Quelle: UD/pm
 

Related Posts

Newsletter

Unsere Verantwortung/Mitgliedschaften

Logo
Serverlabel
The Global Compact
Englisch
Gold Community
Deutsches Netzwerk Wirtschaftsethik
Caring for Climate

© macondo publishing GmbH
  Alle Rechte vorbehalten.

 
Lasche