CSR-Management

Ist Provokation das neue Change Management?

Wer sich interessant machen will, müsse provozieren. Dieses Salvador Dali zugeschriebene Diktum liegt auch unserem landläufigen Verständnis von „Provokation“ zugrunde. Die meisten von uns glauben deshalb, dass Frechheit, Lautstärke und Tabubruch die wesentlichen Merkmale von Provokationen sind. In diesem Sinne sind Donald Trump oder Jan Böhmermann provozierend.

10.08.2016

Ist Provokation das neue Change Management? zoom

Profis der Organisationsentwicklung und des systemischen Veränderungsmanagements verstehen unter „Provozieren“ etwas anderes. Wenn sie Provokationen einsetzen, dann nicht, um sich selbst in Szene zu setzen.

Die provozierende Methode in der Organisationsberatung geht auf Frank Farelly zurück. Der US-amerikanische Sozialarbeiter und Psychotherapeut entwickelte in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts seine Methode der „Provokativen Therapie“, in Deutschland wurde sie von Eleonore Höfner in den achtziger Jahren bekannt gemacht.

In einem Spiegel-Interview 1999 charakterisierte die Münchner Psychotherapeutin das Wesentliche der Methode so: „Die meisten meiner Kollegen sagen ihren Klienten: ‚Sie schaffen es, Sie finden aus Ihrem Unglück heraus.‘ Ich aber sage: ‚Sie schaffen es eh nicht, Sie sind zu alt, zu dick, zu blond, zu blöd - vergessen Sie es.‘ Wenn ich so etwas wage, fangen die Leute meistens an zu protestieren, mich zu widerlegen, weil sie eben doch noch an sich glauben. Und so beginnt eine Veränderung.“

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Was bei Individuen funktioniert, funktioniert auch in Gruppen und in der Organisationsberatung. Auch Organisationen verändern sich nur, wenn die in ihnen steckenden Kräfte der Selbstorganisation und Kooperation zur Entfaltung kommen. Für gewöhnlich erzeugen Organisationen in erster Linie „Ordnung“ und basieren auf Verlässlichkeit, Kontinuität und Sicherheit. Diese innere Ordnung wird umstellt und abgesichert durch Tabus, Schönfärberei, Jasagertum. Zu ihrer eigenen Entwicklung und zur Anpassung an eine sich verändernde Welt benötigen sie deshalb Provokationen, die Denkblockaden durchbrechen und das Klima von Anpassung und Gleichgültigkeit verändern.

Diese Provokationen im System, die Bewegung und Veränderung bewirken, werden von Menschen getragen, die - als Interne oder Externe - die Fähigkeit haben, Veränderung zu provozieren und Veränderungsprozesse zu moderieren - was etwas anderes ist als zu „managen“ und zu „machen“. Diese neuen Veränderer agieren nach paradoxen Maßstäben:

  • Wozu immer Probleme lösen wollen? Lasst uns das Problem lieben und weiterentwickeln!
  • Wieso im Mitarbeitergespräch immer erst mit einem Lob beginnen? Das glaubt sowieso keiner.
  • Wieso die Leute da abholen wollen, wo sie stehen, wenn sie gar kein Ziel sehen, wo es hingehen soll?
  • Nicht brav zuhören, sondern unterbrechen, wo es spannend wird.
  • Anstatt abzuwarten, was dein Gesprächspartner selbst von sich preisgibt, lieber öfter mal auf den Busch klopfen und spekulieren, um mehr zu erfahren.

Ein Beispiel: In einer Schule mit verschiedenen ethnischen Gruppen kam es zu Tätlichkeiten zwischen Jugendlichen. Jemand wurde in den Teich gestoßen. Eine kleine Schulversammlung mit Schulleiter, Elternbeirat, Lehrkräften und Hausmeister macht sich Gedanken. Ein externer Moderator wird hinzugebeten. Er hat solange keinen Erfolg, solange er einen Konsens über die Ursachen der Geschehnisse sucht und dann auf Lösungen hinstrebt. Jeder Teilnehmer beharrt auf seiner Weltsicht.

Das ändert sich erst, als der Moderator die Diskussion um die „Bandenbildung“ an der Schule aufgreift und vorschlägt, die Schule vielleicht nicht nach Schulklassen, sondern Bandenzugehörigkeit zu organisieren. Die Lehrer hätten dann als „Bandenchefs“ keine internen Konflikte mehr in ihrer Klasse und es könnte einen leistungsfördernden Wettbewerb zwischen den Klassen resp. Banden geben. Jetzt beginnen alle, nachdem sie dem Moderator innerlich den Vogel gezeigt haben, das Problem als gemeinsame Aufgabe zu sehen. Und fangen an, sich für die Bedürfnisse der Jugendlichen ebenso zu interessieren wie für die Unterstützung der Lehrer …

Die nächste Methodeninnovation in der Organisationsberatung könnte sich die Prinzipien der Provokation zu eigen machen.

Quelle: UD
 

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