Politik

„Wir müssen nicht unsere Hände auf den Asphalt kleben“

Soll eine bessere Zukunft für die aktuelle Generation, aber auch deren Nachkommen geschaffen werden, ist das Bewusstsein für Umweltschutz und Nachhaltigkeit zu fördern. Nur so ist es möglich, die notwendigen Schritte für einen dauerhaft positiven Wandel zu unternehmen. Die Frage stellt sich hier nach der Effektivität der derzeit umstrittenen diskutierten „Klimakleber“ – denn viele Menschen nehmen sie als moralisierend und aufdringlich wahr.

13.04.2023

„Wir müssen nicht unsere Hände auf den Asphalt kleben“

Das gilt vor allem vor dem Hintergrund, dass etliche Personen gefühlt bereits ihr Bestes für den Klimaschutz geben. Es handelt sich hier um einen Zwiespalt, der mittlerweile die Gesellschaft spaltet. Laut Expertin Beate Grewe muss das nicht so bleiben – Details dazu bespricht sie in diesem Interview.

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Inwiefern können psychologische Konzepte wie kognitive Dissonanz und sozialer Einfluss dazu beitragen, zu verstehen, warum Menschen trotz ihres Bewusstseins für Umweltprobleme oft nicht in der Lage sind, ihr Verhalten nachhaltig zu ändern?

Beate Grewe: Der Schlüssel liegt laut Leon Festiger in der kognitiven Dissonanz und im sozialen Einfluss. Beide Elemente bestimmen, wo sich ein Mensch gerade befindet und welche Aspekte er zu einem gegebenen Zeitpunkt wahrnimmt. Viele Gedächtnisinhalte stehen dabei im Widerspruch, wobei das Individuum diese Gegensätze als unangenehm empfindet. Es kommt daraufhin zu einer inneren Spannung, die die betreffende Person verdrängt.

Daher überrascht es nicht, dass sich viele Menschen Geschichten zurechtlegen, die mit ihren vermeintlichen Überzeugungen übereinstimmen. So sagen sie sich beispielsweise, dass es schon immer heiße Tage und Naturkatastrophen gab. Oft werden solche Erzählungen zu festen Gedankenkonstrukten, auf die Privatpersonen selbst keinen bewussten Einfluss haben. Daher muss die Politik handeln – nur sie kann langfristig durch konkrete Regeln anhaltende Änderungen herbeiführen.

Werden zudem unbewusste Glaubenssätze neu programmiert, erreicht man ein Gleichgewicht, das einen Lebensstil in Richtung Qualität fördert.

Wie können wir als Gesellschaft das Bewusstsein für die Wichtigkeit von Nachhaltigkeit und Umweltschutz auf eine positive und inspirierende Weise fördern, ohne Menschen moralisch unter Druck zu setzen?

Grewe: An negativen Meldungen mangelt es heute nicht. Allerdings fällt es vielen Bevölkerungsgruppen nach wie vor leicht, sie zu ignorieren. Menschen, die in Städten wohnen, wissen beispielsweise nicht, welche Probleme es an der Meeresküste gibt. Auch bei einigen Produkten ist ihr Nutzen nicht wirklich ersichtlich. Als Beispiel sind diesbezüglich Artikel auf Erdölbasis zu erwähnen. Bei ihnen kommen Verbraucher zwar in den Genuss einer langen Haltbarkeit, allerdings schädigen sie die Umwelt und die Gesundheit der Konsumenten.

Käufer sollten sich also über die Ware, aber auch die Hersteller hinter ihr schlau machen. So ist es ihnen möglich, sich bewusst für Qualität und Mehrwert zu entscheiden. Dieser Schritt vermittelt Verantwortung, ein positives Gefühl und dient überdies dem Gemeinwohl – es bestimmen Menschen mit ihrem Kaufverhalten schließlich auch den Markt. Nachhaltigkeit kann die Bevölkerung durch mehr Eigenverantwortung als Belohnung und nicht als Bestrafung wahrnehmen.

Wie können wir als Individuen unseren Teil dazu beitragen, die Umweltverschmutzung zu reduzieren und nachhaltiger zu leben? Welche einfachen Schritte können wir im Alltag unternehmen?

Grewe: Jeder Mensch kann einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. So sollten Individuen beim Einkaufen vermehrt nach umweltfreundlichen Verpackungen greifen – es ist ihnen dadurch möglich, den Plastikanteil in der Umwelt zu reduzieren. Mit Bio-Produkten investiert man nicht nur in die Umwelt, sondern auch in die eigene Gesundheit.

Hat man eine Wohnung mit Balkon oder Garten, sollte man diese Bereiche bewusst nutzen. So bietet es sich an, Kräuterecken einzurichten, Obstbäume einzusetzen und Gemüse sowie Obst heranzüchten. Dadurch ist es möglich, auf selbst produzierte Speisen zurückzugreifen. Man ist somit weniger dazu gezwungen, auf Nahrungsmittel aus langen und klimaschädlichen Produktions- und Lieferketten zurückzugreifen. Auch bei der sachgemäßen Entsorgung des Hausmülls können Konsumenten ansetzen. Es ist die Mülltrennung für Privatpersonen schon mit geringem Aufwand möglich.

Ich selbst beobachte häufig, dass es vielen Menschen schwerfällt, den eigenen Müll mitzunehmen. Da ich an einem See lebe, finde ich viele Plastikreste auf dem Sand und am Straßenrand. Hier gilt immer noch die Devise: „Aus den Augen, aus dem Sinn.“ – diese Einstellung muss man unbedingt verändern.

Inwiefern kann eine Erziehung, die sich auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz konzentriert, dazu beitragen, eine Generation von verantwortungsbewussten Erwachsenen zu schaffen, die in der Lage sind, die Umweltprobleme von morgen zu lösen?

Grewe: Eltern können ihren Kindern zudem das richtige Verhalten vorleben - dadurch werden Menschen bereits in jungen Jahren die wichtigsten Werte, wie Ethik, Moral und Qualität, vermittelt.

Viele Eltern reden zwar übers Sparen, aber sie erklären Kindern nicht ausreichend, warum der sorgsame Umgang mit Dingen wichtig ist. Ein konkretes Beispiel ist hier der Umgang mit dem Trinkwasser. Dieses ist sehr kostbar – zu meiner Zeit hat man Wasser noch gesammelt und wiederverwendet. Heute benutzen wir Trinkwasser jedoch für Spülungen und zum Duschen. Auf diese Missstände sollten auch Kinder aufmerksam gemacht werden.

Die nächste Generation lernt durch konkrete Beispiele und das Vorleben eines bewussten, nachhaltigen Lebensstils, dass eigenverantwortliches Handeln essentiell ist.

Beate Grewe

Über die Autorin

Beate Grewe arbeitet als Konzeptioneller Coach. In den vergangenen Jahren hat sie zahlreichen Menschen dabei geholfen, sich selbst zu helfen. Besonderen Fokus legt sie dabei auf den Aufbau und die Pflege authentischer Beziehungen – sowohl zu anderen Menschen als auch zu sich selbst.

 

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