Politik

Das freie Wissen ist bedroht

Die deutschsprachige Version von Wikipedia ist Ende März für einen Tag offline gewesen. Mit einem technischen Problem hat das wenig zu tun gehabt. Der Blackout ist gewollt gewesen – aus Protest gegen die neue Urheberrechtsrichtlinie der Europäischen Union. Über die das EU-Parlament nun positiv entschieden hat. Die Reform ist stark umstritten, insbesondere Artikel 13 steht in der Kritik.

28.03.2019

Das freie Wissen ist bedroht

Dr. Maximilian Heimstädt, Forscher am Reinhard-Mohn-Institut für Unternehmensführung der Universität Witten/Herdecke, beschäftigt sich mit Organisationsformen der digitalen Zivilgesellschaft. Im Interview erklärt er, warum die EU-Urheberrechtsreform so umstritten ist und wie sie die Freiheit im Netz gefährdet.

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Wer Wikipedia viel nutzt, wird überrascht gewesen sein. Die Website war Ende März aus Protest gegen Artikel 13 der geplanten EU-Urheberrechtsreform offline. Was hatte es mit der Aktion auf sich? 

Mit Artikel 13 will die EU verhindern, dass Inhalte, die von Nutzern auf Plattformen hochgeladen werden, das Urheberrecht verletzen. Technisch scheint das nur durch automatisierte Upload-Filter möglich. Upload-Filter sind automatisierte Bild- und Tonerkennungssysteme. Diese Systeme gleichen hochgeladene Inhalte mit einer Lizenzdatenbank ab. Rechteinhaber von Bildern, Videos oder Audiodateien sollen so besser geschützt werden. Damit möchte die EU vor allem erreichen, dass große Plattformen wie Youtube Lizenzen für hochgeladene Inhalte kaufen. 

Das klingt zunächst unproblematisch. Wo ist der Knackpunkt?

Die Urheberrechtsreform würde nicht nur große Player wie Google oder Youtube betreffen, sondern auch kleine Websites. Im Prinzip müsste beispielsweise jedes Forum, in dem Bilder oder Videos hochgeladen werden, eine Lizenz erwerben oder die Rechte anderweitig mit den Inhabern klären. Oft ist das allerdings nicht so einfach möglich, zum Beispiel bei Remixes und Memes. Vor allem kleinere Plattformen werden aus Angst davor, dass sie für Urheberrechtsverstöße ihrer Nutzer zur Kasse gebeten werden, präventiv das Hochladen von Inhalten verhindern. Das führt zum sogenanntem „Overblocking“.

Die Wikipedia wäre allerdings von Artikel 13 gar nicht betroffen. Warum trotzdem der Protest? 

Online-Enzyklopädien sind generell von Artikel 13 ausgenommen. Mit dem Abschalten der Seite solidarisiert sich die Wikipedia allerdings mit anderen Plattformen, auf denen Nutzer Inhalte erstellen und teilen. Diese Orte des freien Wissens sind durch Upload-Filter bedroht. Die Wikipedia ist auf dieses Ökosystem angewiesen. Viele Quellen, auf die sich deren Artikel beziehen, könnten durch Artikel 13 aus dem Netz verschwinden. Eine Stimme bekommen diese kleinen Plattformen durch Bündnisse wie „Foren gegen Upload-Filter“ mit über 400 Mitgliedsorganisationen. Aber erst durch die Reichweite der Wikipedia werden wirklich breite Bevölkerungsschichten für das Problem sensibilisiert.

Gibt es noch weitere Bedenken?

Artikel 13 zielt auch darauf ab, die Vormachtstellung von Plattformen wie Youtube und Facebook einzudämmen, die deutlich von den hochgeladenen Inhalten profitieren. Letztlich sind aber nur die großen Plattformen in der Lage, technische Systeme wie Upload-Filter zu entwickeln. Kleine Plattformen können sich das gar nicht leisten und müssten die Filter der großen Tech-Konzerne lizensieren. Youtube hat mit dem Content-ID-Verfahren schon seit vielen Jahren solch einen Filter im Einsatz. Anstatt die Macht der Großen einzuschränken, erschafft man ihnen ein neues Geschäftsfeld. Das ist schon paradox.

Gibt es eine andere Lösung, um Urheberrechte zu schützen?

Eine grundsätzliche Idee ist, mit Pauschalabgaben zu arbeiten. Plattformen wie Youtube, deren Geschäftsmodell auf der Verbreitung fremder Inhalte basiert, würden einen monatlichen Betrag an Verwertungsgesellschaften wie die GEMA zahlen. Die wiederum reicht das Geld an die Urheber weiter. Kreative werden angemessen bezahlt, ohne dass die vielen Inseln des freien Wissens im Netz in Gefahr geraten.

Quelle: UD/pm
 

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