Business Case

Automobilindustrie muss sich nachhaltig neu erfinden

Bei der nachhaltigen Transformation der Wirtschaft spielt – gerade in Deutschland – die Automobilindustrie eine herausragende Rolle. Mit einzelnen Maßnahmen ist es dabei nicht getan. Wie komplex die Herausforderungen beim nachhaltigen Umbau der Wertschöpfungskette sind, zeigt das Beispiel Porsche.

22.08.2022

Automobilindustrie muss sich nachhaltig neu erfinden

Die Automobilindustrie erwirtschaftet laut aktuellen Daten allein in Deutschland einen Jahresumsatz von mehr als 400 Milliarden Euro, beschäftigt knapp 800.000 Menschen und ist damit nach Ansicht des Branchenverbands VDA eine deutsche Schlüsselindustrie. Trotzdem muss sie auf die Suche nach neuen Produkten und Wertschöpfungsketten gehen.

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Das hat mehrere Gründe: Allen voran neigt sich das Zeitalter des Autos mit Benzin- oder Dieselmotor dem Ende zu. Ab 2035 sollen etwa nach dem Willen der EU-Kommission keine neuen Autos mit Verbrennungsmotor mehr verkauft werden. Die Beratungsgesellschaft pwc benennt vier wesentliche Trends für den Wandel der Mobilität: Elektromobilität, Shared Mobility Services, autonomes Fahren und miteinander vernetzte Fahrzeuge. Während die Hersteller selbst in dieser Hinsicht bereits recht gut auf die Veränderungen eingestellt seien, müssen sich nach Einschätzung der Grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung vor allem die hochspezialisierten Zulieferer „neu erfinden“. Arbeitsplatzverluste sind wohl nicht zu vermeiden.

Nahezu alle Kfz-Hersteller verfolgen ambitionierte CO2-Einsparprogramme. Das geschieht nicht zuletzt auch auf Veranlassung von Investoren: „Sie wollen Klimarisiken bei Automobilherstellern und -zulieferern verstehen und Reputationsschäden in Verbindung mit nicht-klimafreundlichen Unternehmen vermeiden“, schreibt pwc dazu. Die Transformationserfordernisse sind mithin in den automobilen Chefetagen angekommen. Im „Global Automotive Executive Survey 2020“ der Beratungsgesellschaft KPMG bezeichneten „fast alle Führungskräfte der Automobilbranche Nachhaltigkeit als einen entscheidenden Differenzierungsfaktor“. Auch der voriges Jahr veröffentlichte Sustainability Survey von Deloitte bestätigt diese Analyse, schränkt aber ein: „Nachhaltigkeitsinitiativen sind in Unternehmen häufig noch eindimensional konzipiert.“ Nur neun Prozent der insgesamt 192 befragten Führungskräfte deutscher Automobilunternehmen bekundeten, dass sie einen ganzheitlichen Nachhaltigkeitstransformationsansatz verfolgten.

Nachhaltige Umgestaltung der Wertschöpfungskette ist komplexe Aufgabe

Denn die nachhaltige Umgestaltung der Wertschöpfungsketten ist ein vielschichtiger Prozess. Dazu gehört allen voran die Steigerung der Ressourceneffizienz, vor allem aber auch die Wiederverwendung und das Recycling von Produkten und Materialien, wo immer es möglich ist. Laut KPMG kann durch die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft und das „Remanufacturing“, also die Aufarbeitung gebrauchter Komponenten, der Energieverbrauch im Produktionsprozess um bis zu 80 Prozent gesenkt werden. Die Kreislaufwirtschaft müsse sich aber über alle Bereiche der Wertschöpfungskette erstrecken.

Zur nachhaltigen Transformation gehört auch die Umgestaltung und die Schaffung voller Transparenz in der Lieferkette. In seinem Zielbild für die Automobilindustrie 2030 geht der VDA davon aus, dass in den jeweiligen Kernmärkten künftig unabhängiger produziert wird. Die globalen Lieferketten würden außerdem stärker digital und datengetrieben vernetzt.

HV-Batterie-Reparatur im Werk Zuffenhausen zoom
HV-Batterie-Reparatur im Werk Zuffenhausen

Batterie ist entscheidend für den künftigen Erfolg

Besonders wichtig für die künftige Wertschöpfung wird die Batterie. Wer in der Lage sei, größere Batteriestückzahlen günstiger herzustellen, sichere sich einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil, prognostiziert die Böll-Stiftung. Deutschland solle zu einem wichtigen Standort der Batterieproduktion werden. Bis zu 100.000 neue Arbeitsplätze könnten entstehen und Arbeitsplatzverluste an anderen Stellen ausgleichen. Die inländische Batterieproduktion sei wegen des ökologisch günstigeren Energiemixes nachhaltiger, als wenn die Akkus wie bisher aus China bezogen würden. Angemahnt wird außerdem der Aufbau einer effizienten Recycling-Infrastruktur.

Autobatterien können außerdem viel mehr, als nur Kraftfahrzeuge mit Energie zu versorgen. Die Automobilindustrie erprobt bereits, die Stromspender auch als Zwischenspeicher für grünen Strom, der bei Bedarf wieder zurück ins Stromnetz geleitet wird, zu nutzen. Dieses „bidirektionale Laden“ hat beispielsweise Porsche in einem Pilotprojekt mit TransnetBW und dem Beratungsunternehmen Intelligent Energy System Services getestet. Fünf Taycan wurden mit einer vom Sportwagenhersteller entwickelten Software zu einem intelligenten Schwarm zusammengeschaltet und ans Stromnetz angeschlossen.

Auf die Batterie legt Porsche auch darüber hinaus besonderes Augenmerk. Für den Taycan bietet das Unternehmen einen extra Reparatur-Service für die Hochvoltbatterien an. So werden Ressourcen optimal genutzt, die Lebensdauer der Stromspender verlängert und außerdem die Voraussetzung für ein sachgerechtes Recycling geschaffen.

Alle Beteiligten der Prozesskette müssen erreicht werden

Die Batterieentwicklung ist nur ein Aspekt der Nachhaltigkeitsinitiativen von Porsche. Wie vielfältig die Herausforderungen einer nachhaltigen Produktion sind, führte Produktions- und Logistikvorstand Albrecht Reimold jüngst im Porsche-Podcast 9:11 aus. Vor dem Hintergrund des Zieles, in 2030 entlang der gesamten Wertschöpfungskette und dem Lebenszyklus der neu verkauften Fahrzeuge hinweg bilanziell CO2-neutral zu werden, habe man die Wertschöpfungskette analysiert und nach Optimierungspotenzialen gesucht. Die Aufgabe sei anspruchsvoll: „Wir kennen jeden Schritt, aber es ist sehr anspruchsvoll, das mit allen Beteiligten in der Prozesskette umzusetzen.“ Immerhin müssten so unterschiedliche Bereiche wie die Materialgewinnung und -verarbeitung, die Bereitstellung der Halbzeuge, die eigene Produktion wie auch die Nutzungsphase der Fahrzeuge für eine Klimabilanz berücksichtigt werden.

Gelände Porsche Leipzigzoom
Gelände Porsche Leipzig

Auf dem Weg zur Vision der „Zero Impact Factory“ ist Porsche schon weit gekommen. Die Werke Zuffenhausen und Leipzig sowie das Entwicklungszentrum Weissach arbeiten bereits bilanziell CO2-neutral. Seit 2014 ist der CO2-Ausstoß pro produziertem Fahrzeug laut welt.de um mehr als 90 Prozent gesunken. Der Energieverbrauch für jedes an den eigenen Produktionsstandorten gebaute Auto sank um mehr als ein Viertel.

Als besonders vorbildlich gilt das Porsche-Werk in Leipzig. Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen hat den Standort mit der Bestnote „Platin“ zertifiziert. Voriges Jahr wurde das Werk mit dem „Lean & Green Management Award“ ausgezeichnet. Über die Produktion hinaus überzeugte dabei das Offroad-Gelände um das Werk herum. Dort betreibt Porsche gleich mehrere Projekte zum Erhalt der Artenvielfalt. Exmoorponys, Auerochsen und Millionen von Honigbienen sowie laut Unternehmensmitteilung „zahlreiche heimische Wildtierarten im Einklang mit Natur und Fabrik“ sind dort zu Hause. 

Gewürdigt wurde aber auch das Ressourceneffizienzprogramm. Die ökologische Ressourceneffizienz bilanziert Porsche sogar mit der eigenen Kennzahl „Umweltentlastung Produktion“ und wirkt damit nach eigener Einschätzung als Vorbild für die gesamte Automobilindustrie.

Das Leipziger Porsche-Werk spielt eine besondere Rolle bei der weiteren Elektrifizierung der Porsche-Modellpalette. Bis 2030 sollen mehr als 80 Prozent aller Modelle voll- oder teilelektrisch sein. In Leipzig wird dazu kommendes Jahr ein wichtiger Schritt unternommen, wenn die Produktion der ersten vollelektrischen Modellreihe des SUVs Macan startet.

Porsche betont großes Potenzial von E-Fuels

Einen etwas anderen Weg als andere Automobilkonzerne geht Porsche beim Thema E-Fuels. „Ich bin ein absoluter Befürworter“, betont Albrecht Reimold im Unternehmenspodcast: „E-Fuels sind eine absolut sinnvolle Ergänzung zu allen anderen Aktivitäten.“ Während viele Fachleute synthetische Brennstoffe aus Biomasse vor allem als Alternativen für den Langstrecken-Güterverkehr sowie die See- und Luftfahrt betrachten, betont Porsche das Potenzial für alle Kfz-Antriebe. E-Fuels ermöglichen laut Reimold potenziell nahezu CO2-freies Fahren, wenn sie mit regenerativen Energien erzeugt werden. Dies könne man nutzen, um auch nach 2030 noch Bestandsfahrzeuge zu betanken. Auch dies sei dann ein Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit. Gerade die Marke Porsche stehe für Langlebigkeit, Qualität und ein ganz besonderes Fahrgefühl. Ein Klassiker wie der 911 werde jahrzehntelang gefahren. Es sei wesentlich ressourceneffizienter, den Sportwagen künftig mit E-Fuels zu betreiben, als ihn stillzulegen und dafür ein neues Elektroauto zu bauen.

Quelle: UmweltDialog
 

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