Wirtschaft

Pilotprojekt: SCHOTT elektrifiziert die Pharmaglasproduktion

Grünstrom statt Erdgas: SCHOTT, ein Hersteller für Spezialglas, baut in Mitterteich die erste elektrische Schmelzwanne für Pharmaglas. Die mit erneuerbarer Energie betriebene Anlage soll die CO2-Emissionen beim Schmelzen um bis zu 80 Prozent senken – ohne Einbußen bei Qualität oder Reinheit. Gelingt das Pilotprojekt, hat es Signalwirkung für die gesamte Branche.

20.10.2025

Pilotprojekt: SCHOTT elektrifiziert die Pharmaglasproduktion
Sicher verpackt: Aus dem pharmazeutischen Glasrohr von SCHOTT werden hochwertige Spritzen, Karpulen, Fläschchen oder Ampullen hergestellt, um einfache sowie hochkomplexe Medikamenten sicher aufzubewahren.

Egal ob im Labor, in Kliniken oder in der Hausarztpraxis: Glas ist für die Pharmabranche als Verpackung unverzichtbar. Denn das Material schützt empfindliche Wirkstoffe zuverlässig vor äußeren Einflüssen, ist chemisch stabil und gilt als inert – es reagiert also kaum oder gar nicht mit anderen Substanzen. Hinzu kommt eine hohe Temperaturbeständigkeit: Glas hält Hitze bis zu mehreren hundert Grad Celsius stand. Ein entscheidender Vorteil in einer Branche, in der Arzneimittel oder Stoffe unter unterschiedlichen Bedingungen gelagert und Verpackungen regelmäßig sterilisiert werden müssen. Außerdem lässt sich Glas wiederverwenden.

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Bei all den Vorteilen bringt das Material auch eine erhebliche Herausforderung mit sich: Seine Herstellung ist extrem energieintensiv und verursacht entsprechend hohe CO2-Emissionen. Um Rohstoffe wie etwa Quarzsand, Soda und Kalk zu verflüssigen, sind Temperaturen von bis zu 1.700 Grad Celsius erforderlich. Diese Hitze entsteht meist durch die Verbrennung von Erdgas – ein Prozess, der rund um die Uhr läuft, enorme Energiemengen verschlingt und über Jahre hinweg große Mengen an Treibhausgasen freisetzt.

Pharmaglas hat noch höhere Anforderungen als gewöhnliches Glas. Jede Charge muss absolut rein, blasenfrei und chemisch stabil sein, um internationalen Standards und Vorschriften zu entsprechen. Das bedeutet auch, dass die Herstellung besonders intensiv kontrolliert wird und die Prozessschritte sowie die Temperaturen genauestens eingehalten werden müssen.

SCHOTT: Nachhaltigere Glasproduktion mit elektrischer Schmelzwanne

Wie sich dieser energieintensive Prozess nachhaltiger gestalten lässt, erforscht der Spezialglashersteller SCHOTT derzeit im oberpfälzischen Mitterteich. Dort entsteht die erste elektrische Schmelzwanne für Pharmaglas. Sie wird statt mit Erdgas durch hundert Prozent Grünstrom betrieben. Die neue Technologie könnte die CO2-Emissionen beim Schmelzvorgang um etwa 80 Prozent senken. Für den Gesamtprozess inklusive Rohstoffgewinnung und Nachverarbeitung des Glases würde dies eine CO2-Reduktion um 50 Prozent bedeuten.

„Die Transformation unserer Industrie hin zur Dekarbonisierung und wesentlich CO2-ärmeren Verfahren beginnt mit konkreten Projekten“, so SCHOTT Vorstandsvorsitzender Dr. Torsten Derr: „Diese Pilotwanne ist ein Beispiel mit Signalwirkung. Wir investieren gezielt in Technologie, die Emissionen vermeidet – und zugleich die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts stärkt."

Der Weg zur elektrischen Schmelze

Die innovative elektrische Schmelzwanne ist das Ergebnis mehrjähriger Forschungsarbeit. In den vergangenen zwei Jahren legten die Ingenieurinnen und Ingenieure die Grundlagen für die Schmelztechnologie, die die bisherige, erdgasbasierte Regenerativ-Technik ablösen soll. Im Mittelpunkt stand die Herausforderung, die erforderliche Glasqualität auch in einem elektrischen Prozess beizubehalten. Konkret bedeutete das, hohe elektrische Energiemengen stabil in die Schmelze einzubringen, ohne Elektroden zu verschleißen oder die Glaszusammensetzung zu verändern. In zahlreichen Versuchsschmelzen wurden die physikalischen und chemischen Eigenschaften des Glases geprüft und fortlaufend optimiert. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen direkt in den Bau der Pilotanlage in Mitterteich ein.

Die Anlage besteht aus zwei getrennten Prozessräumen: einer vollelektrischen Einschmelzwanne und einem separaten Läuter-Aggregat. Während im ersten Schritt die Rohstoffe ausschließlich mit Grünstrom geschmolzen werden, sorgt das zweite Aggregat hauptsächlich dafür, dass die Blasen aus dem Glas austreten. Auch hier kommt überwiegend Elektrizität zum Einsatz, lediglich unterstützt von Gas-Sauerstoff-Brennern. Anfang 2027 soll die Pilotanlage den Betrieb aufnehmen und als Referenz für eine klimafreundlichere Spezialglasproduktion dienen.

Neue Rohrglas Produktlinie für die Pharmaindustrie: FIOLAX Pro OCF wird ab Anfang 2027 in einer neuen elektrischen Wanne CO2-reduziert hergestellt werden.
Neue Rohrglas Produktlinie für die Pharmaindustrie: FIOLAX Pro OCF wird ab Anfang 2027 in einer neuen elektrischen Wanne CO2-reduziert hergestellt werden.

FIOLAX Pro OCF setzt neuen Standard

Das erste mit der neuen Technologie geschmolzene Pharmaglas ist auch schon entwickelt: FIOLAX Pro OCF basiert auf dem etablierten Glasrohr FIOLAX Pro. Das neue Glasrohr erfüllt identische pharmazeutische Anforderungen, weist aber dank der neuen Schmelztechnologie einen erheblich reduzierten CO2-Fußabdruck auf. Damit können Pharmaunternehmen Spritzen, Karpulen oder Ampullen künftig mit klimafreundlicherem Glas beziehen. „Wir setzen mit unserem innovativen Wannenkonzept einen neuen Standard, indem wir basierend auf der neuen Produktlinie FIOLAX Pro OCF alle Primärpackmittelformate von Spritzen, Karpulen über Pharmafläschchen bis hin zu Ampullen CO2e-reduziert bedienen können", erklärt Dr. Patrick Markschläger, Executive Vice President des Geschäftsbereichs Tubing von SCHOTT. „Das ist ein Riesenschritt zur Dekarbonisierung unserer energieintensiven Branche. Wir bieten unseren Kunden an, schon jetzt FIOLAX Pro zu testen und zu validieren, um 2027 für FIOLAX Pro OCF bereit zu sein.“

Bei der Berechnung des Product Carbon Footprints der neuen Produktlinie orientierte sich SCHOTT an der selbst entwickelten PCF-Guideline. Sie wurde anhand der aktuellsten Industriestandards erstellt und durch die unabhängige Prüfgesellschaft GUTCert zertifiziert.

Lesen Sie mehr über die PCF-Guideline von SCHOTT im UmweltDialog-Beitrag „SCHOTT berechnet PCF nach neuem Leitfaden“.

Neue Maßstäbe für die ganze Branche

Gelingt der Praxistest der neuen Pilotanlage, will SCHOTT auch seine Bestandsanlagen für die Pharmaglasproduktion auf die neue Technologie schrittweise umrüsten. Langfristig hat das Unternehmen außerdem das Ziel, seine gesamte Produktion zu dekarbonisieren.

Damit hat das Projekt hat Leuchtturmcharakter für die gesamte Industrie: Sie demonstriert, dass selbst die anspruchsvollsten und energieintensivsten Prozesse elektrifiziert und mit erneuerbarem Strom betrieben werden können. Für die Glasindustrie eröffnet dies neue Möglichkeiten, ihre Emissionen drastisch zu reduzieren. Für Pharmaunternehmen entsteht die Chance, ihre Lieferketten nachhaltiger zu gestalten, ohne Abstriche bei der Produktsicherheit hinnehmen zu müssen.

Quelle: UmweltDialog
 

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