As Good as New: Porsche bereitet defekte Fahrzeugteile wieder auf
Remanufacturing macht aus gebrauchten (Auto-) Teilen neuwertige Produkte. Das spart Ressourcen, Emissionen und Kosten. Porsche treibt die Entwicklung dieses Ansatzes in der eigenen Produktion voran und etabliert die Wiederaufbereitung als festen Bestandteil seiner Kreislaufwirtschaft schon beim Designprozess.
31.07.2025
Reduce, Reuse, Recycling und Repair: Von diesen Begriffen haben wohl die meisten – besonders im Kontext der Kreislaufwirtschaft – schon einmal gehört. Weniger in aller Munde, aber nicht weniger wichtig, ist ein weiteres „R“: Nämlich „Remanufacturing“, von Fachleuten auch kurz als „Reman“ bezeichnet. Konkret geht es hierbei um die Wiederaufarbeitung gebrauchter, verschlissener und auch defekter Bauteile in den verschiedensten Industrien. Der Clou: Statt Bauteile nur zu reparieren, werden sie (im Gegensatz zur Reparatur oder dem Refurbishing) in einem industriellen Prozess so aufbereitet, dass sie mindestens die gleiche Qualität wie ein Neuprodukt haben. Dazu werden die Komponenten zerlegt, gereinigt sortiert und schließlich wieder zu neuwertigen Produkten zusammengebaut, erklärt der Lehrstuhl Umweltgerechte Produktionstechnik der Uni Bayreuth.
Produkte aus dem Remanufacturing erhalten außerdem die marktübliche Gewährleistung, denn es handelt sich um Neuprodukte, weiß man beim Normungsinstitut DIN: „Remanufacturing-Produkte sind mindestens genauso funktional und leistungsfähig wie die ursprüngliche Ware – zum Teil sogar besser.“ Und nicht nur das: Im Gegensatz zur Neuproduktion spart Remanufacturing Material, Ressourcen, CO2 und Kosten. Laut einer Untersuchung des VDI Zentrum Ressourceneffizienz fallen je nach wiederaufbereitetem Produkt bis zu 90 Prozent weniger Emissionen und Materialien an und es wird bis zu 56 Prozent weniger Energie verbraucht.
Porsche: Remanufacturing mit System
Porsche hat das Potenzial von Remanufacturing für die Automobilbranche früh erkannt und bereitet aktuell etwa 20 Komponentengruppen verschiedener Fahrzeugmodellreihen für die Weiternutzung wieder auf. Dazu gehören Navigationsgeräte, Starter, Generatoren und Getriebe. In einem ressortübergreifenden Pilotprojekt arbeitet der Hersteller nun daran, das Remanufacturing weiter auszubauen und mittelfristig als festen Bestandteil der Fahrzeugentwicklung zu etablieren. Ein Ziel ist es, bereits im Designprozess Anforderungen an die Wiederverwendbarkeit von Komponenten mitzudenken. Auch den Anteil an Fahrzeugbauteilen, die sich für das Remanufacturing eignen, will Porsche erhöhen. Passende Komponentengruppen hat der Hersteller schon identifiziert: Zukünftig sollen zum Beispiel Scheinwerfer, elektrische Antriebe etwa für Heckspoiler oder Ladeklappen und weitere elektronische Steuergeräte wiederaufbereitet werden.
Die Herstellung eines Autos benötigt viele Ressourcen. Welche das sind und wie es nachhaltiger geht, erfahren Sie im UmweltDialog-Beitrag „Was alles in einem Auto steckt – und wo man sparen kann“.
Albrecht Reimold, Vorstand für Produktion und Logistik, erklärt: „Remanufacturing von Bauteilen ist für Porsche ein wichtiges Zukunftsfeld. Zum einen, um unserer Verantwortung gegenüber der Umwelt und unserem Anspruch in puncto Ressourcenschonung gerecht zu werden. Aber auch, um unseren zahlreichen Kundinnen und Kunden mit Young- und Oldtimer-Fahrzeugen langfristig eine gute Ersatzteilverfügbarkeit zu bieten.“
Zusammenarbeit mit Händlern und Herstellern
Die Porsche-Händler fordern gezielt defekte Bauteile, für die ein Remanufacturing-Prozess existiert, an. Porsche lagert diese im eigenen Ersatzteillager Sachsenheim und sendet sie dann weiter in spezialisierte Aufbereitungsbetriebe. Das sind häufig die Hersteller der Teile. Dort werden die Teile gereinigt, zerlegt und umfassend geprüft. Einzelteile, die nicht mehr nutzbar sind, ersetzen die Aufbereitungsbetriebe durch Neuteile. Vollfunktionsfähige Komponenten können wiederverwendet werden. Für die fertigen Bauteile aus dem Remanufacturing-Prozess stehen abschließend die gleichen Qualitäts- und Sicherheitsprüfungen wie für Neuteile an, bevor sie dann „as good as new“ wieder zurück zu den Porsche-Händlern kommen.
Das Unternehmen setzt bei der Wiederaufbereitung gebrauchter Fahrzeugteile auf einen doppelten Effekt: Zum einen sollen Bauteile und Fahrzeuge länger im Einsatz bleiben, zum anderen will Porsche damit die Umweltbelastungen entlang des gesamten Lebenszyklus senken – von der Gewinnung der Rohstoffe bis zur Verwertung am Ende der Nutzung. „Erste Berechnungsprognosen zeigen, dass die Wiederaufbereitung gebrauchter Bauteile Treibhausgasemissionen im Vergleich zur Herstellung neuer Teile um bis zur Hälfte reduzieren kann“, heißt es vom Autobauer. Zudem könne man dadurch bis zu 80 Prozent an Material einsparen.
Remanufacturing-Markt wächst
Was Porsche heute als gezieltes Nachhaltigkeitsprojekt betreibt, könnte bald Standard in der Branche werden. Viele Hersteller starten weltweit entsprechende Projekte, der Markt rund um Kfz-Ersatzteile aus Remanufacturing wächst. Laut einem Bericht vom Marktforschungs- und Managementberatungsunternehmen Global Market Insights belief sich das weltweite Marktvolumen für wiederaufbereitete Kfz-Teile im Jahr 2024 auf fast 70 Milliarden US Dollar. Bis 2032 soll der Markt auf über 140 Milliarden US-Dollar anwachsen. Das entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von rund 7,4 Prozent. Vor allem Elektroteile dominieren derzeit den Markt im Kfz-Remanufacturing. 2024 machten elektronische Bauteile etwa ein Drittel des Gesamtumsatzes aus. Auch in der Forschung ist die Wiederaufbereitung von (Fahrzeug-) Teilen präsent. So arbeitet etwa das Fraunhofer IFF an mehreren Projekten, wie beispielsweise an digitalen Assisstenzsystemen für die Demontage und erneute Montage.
Für Porsche ist Remanufacturing ein Baustein der gesamten Kreislaufwirtschaftsstrategie. Weitere Projekte sind unter anderem ein Kreislaufkonzept für Hochvoltbatterien, die Vermeidung von Abfällen und der Einsatz zirkulärer Materialien. „Wir tragen Verantwortung für von uns hergestellte oder gekaufte Produkte“, meint Jonathan Hörz, Leiter des Nachhaltigkeitsstrategiefelds „Kreislaufwirtschaft“ bei Porsche: „Die Weiterentwicklung der Kreislaufwirtschaft kann einen Beitrag leisten, diese Verantwortung wahrzunehmen.“
Mehr über die Kreislaufwirtschaftsstrategie von Porsche, lesen Sie im gesamten Interview mit Jonathan Hörz, Leiter des Nachhaltigkeitsstrategiefelds „Kreislaufwirtschaft“.