Lieferkette

Menschenrechte: Unternehmen müssen liefern

Ab 2023 kommen große deutsche Unternehmen nicht mehr am Thema Menschenrechte vorbei. Dann wird deren Einhaltung durch das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz verpflichtend. Wie können sie den neuen Anforderungen gerecht werden? Wir werfen einen Blick auf die politischen Hintergründe und auf Unternehmen, die hier bereits mit gutem Beispiel vorangehen.

19.04.2022

Menschenrechte: Unternehmen müssen liefern

Sei es die Textilproduktion in Bangladesch, der Kaffeeanbau in Äthiopien oder die Rohstoffförderung für die Elektronikindustrie in Südafrika: Deutsche Unternehmen profitieren von der internationalen Arbeitsteilung und sind in globalen Liefer- und Wertschöpfungsketten vernetzt. Je länger und komplexer diese sind, desto schwieriger ist es, die Auswirkungen der Geschäftstätigkeiten auf Menschen und Umwelt nachzuvollziehen. Viele Unternehmen haben bereits freiwillig Maßnahmen eingeleitet, um die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards nicht nur im eigenen Hause, sondern auch bei ihren Geschäftspartnern sicherzustellen – zum Beispiel in Form von Verhaltenskodizes.

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Dennoch kommt es gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern nach wie vor zu Verstößen gegen Menschenrechte und internationale Regularien. Das hat sich umso deutlicher vor dem Hintergrund der Corona-Krise gezeigt. Zwar sei auch die deutsche Wirtschaft hart von der Corona-Krise getroffen, Hauptleidtragende seien jedoch die Arbeiterinnen und Arbeiter insbesondere im globalen Süden, analysiert die Initiative Lieferkettengesetz.

Beispiel Textilsektor: Weil große Modefirmen ihre Geschäfte während des ersten Corona-Lockdowns schließen und ihre Waren nicht verkaufen konnten, stornierten einige von ihnen ihre Aufträge und weigerten sich, für bereits produzierte Textilien zu zahlen oder verhandelten neue Zahlungsfristen. Die Folge: Textilfabriken mussten schließen und ihre Beschäftigten vorrübergehend freistellen oder entlassen. Allein in Bangladesch verloren laut Initiative Lieferkettengesetz mehrere Millionen Textilarbeiterinnen und -arbeiter ihren Job. „Indem einige Konzerne in der Corona-Krise die Verluste auf die schwächsten Glieder der Lieferketten im globalen Süden abwälzen, verschärfen sie die Armut und missachten ihre menschenrechtliche Verantwortung gegenüber den Beschäftigten.“ Die Initiative Lieferkettengesetz fordert, dass die resilientere Gestaltung von Lieferketten, die aktuell in aller Munde sei, sich nicht auf die wirtschaftliche Funktionalität beschränken dürfe, sondern auch den Schutz von Menschenrechten berücksichtigen müsse.

Das Lieferkettengesetz kommt

Das im Juni 2021 durch den Deutschen Bundestag verabschiedete „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ wird am 1. Januar 2023 in Kraft treten und könnte laut Initiative Lieferkettengesetz ein „wichtiger Baustein“ für fairere und nachhaltigere Lieferketten sein. Wozu sich viele Unternehmen bereits freiwillig bekennen, wird dann erstmals verpflichtend: entlang der gesamten Lieferkette für die Wahrung von Menschenrechten und für sozial und ökologisch bessere Bedingungen zu sorgen. Erwartet wird beispielsweise, dass Unternehmen ihre Verantwortung anerkennen und menschenrechtliche Risiken ermitteln, auf Verstöße reagieren, Beschwerden ermöglichen und regelmäßig Bericht erstatten. Davon betroffen sind zunächst große, in Deutschland ansässige Firmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten, ab 2024 werden dann auch Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten in die Pflicht genommen. Die Nichteinhaltung wird mit Bußgeldern oder auch dem Ausschluss von der öffentlichen Auftragsvergabe geahndet.

Unternehmen bereiten sich vor

Schon jetzt befasst man sich in den Führungsetagen mit der Frage, welche Konsequenzen das neue Lieferkettengesetz haben wird. Das geht aus einer Online-Umfrage hervor, die die HypoVereinsbank gemeinsam mit dem F.A.Z.-Institut 2021 durchgeführt hat. Die Berichterstattung, veränderte vertragliche Beziehungen zu den Geschäftspartnern oder auch das komplexe Risikomanagement: All das stellt gerade kleinere Unternehmen vor große Herausforderungen. Gleichzeitig ergibt sich durch die Berücksichtigung von sozialen Nachhaltigkeitsaspekten in der Lieferkette auch die Chance, sich positiv vom Wettbewerb abzuheben, gewinnen diese doch zunehmend an Bedeutung bei Investoren, Verbrauchern und anderen Stakeholdern.

Ein Unternehmen, das diese Chancen erkannt hat, ist Wilo, Premiumanbieter von Pumpen und Pumpensystemen für die Gebäudetechnik, die Wasserwirtschaft und die Industrie. Das Unternehmen beschäftigt rund 8.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in über 60 Tochtergesellschaften weltweit und bekennt sich zu seiner Verantwortung gegenüber Menschen und Umwelt. Im Fokus seines Engagements stehen laut eigenen Angaben unter anderem faire Geschäftspraktiken, der Schutz von Klima und Umwelt sowie die Verantwortung in der Lieferkette.

So hat Wilo Verhaltensregeln für Lieferanten, den Wilo Supplier Code of Conduct, als Grundbedingung für eine Geschäftsbeziehung entwickelt. Zudem hat sich Wilo zum Ziel gesetzt, kein Material einzukaufen, das sogenannte Konfliktmineralien enthält. Das Unternehmen ist dabei nicht durch den Dodd-Frank Act verpflichtet und beschreibt dies aufgrund der Vielzahl seiner Produkte und Lieferanten als „herausfordernden und fortlaufenden Prozess“. Laut aktuellem Nachhaltigkeitsbericht hat sich Wilo in den vergangenen zwei Jahren intensiv mit dem Thema menschenrechtliche Sorgfaltspflichten und den damit verbundenen Anforderungen, Umsetzungsmöglichkeiten und Herausforderungen auseinandergesetzt. So wurde 2020 etwa eine Risikoanalyse eingeführt. Das Ergebnis: 99 Prozent aller Hauptlieferanten erfüllten die Anforderungen. Nur zwei Lieferanten stellten sich als kritisch heraus, mit einem wurden die Geschäftsbeziehungen beendet und ein weiterer wurde mittels eines Audits noch einmal überprüft.

Um seiner Verantwortung in der Lieferkette nachzukommen, setzt Wilo auf Transparenz und die enge Zusammenarbeit mit seinen Lieferanten und anderen Stakeholdern. Ein Beispiel ist das Projekt in Usbekistan, das Wilo gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit im Rahmen des Förderprogramms „develoPPP“ umsetzt. Ziel ist es, in den nächsten zwei Jahren ausgewählte Regionen mit solarbetriebenen Bewässerungslösungen auszustatten. Wilo bringt hier sein technisches Wissen ein und will dazu beitragen, dass das nötige Know-how langfristig und entlang der gesamten Wertschöpfungskette sichergestellt wird. Somit kommt das Projekt Menschen und Umwelt gleichermaßen zugute. Hier erfahren Sie mehr zu dem Projekt.

Mit den aktuellen Entwicklungen rückt das Thema Menschenrechte branchenübergreifend für immer mehr Unternehmen in den Fokus. So auch für das weltweit agierende Nutzfahrzeug-, Motoren- und Maschinenbauunternehmen MAN. Das zeigt sich darin, dass für Anfang 2022 die Veröffentlichung einer Grundsatzerklärung hierzu geplant ist. Ein Business & Human Rights Compliance Management System ist in Arbeit. Die Compliance-Abteilung wird für die Umsetzung weiterer Maßnahmen verantwortlich sein, zum Beispiel die Schulung der Mitarbeitenden und die Durchführung einer Risikoanalyse. „Die große Verantwortung, die Unternehmen für die Menschenrechte entlang ihrer Liefer- und Wertschöpfungsketten tragen, ist bei MAN schon lange Thema. Diese Sorgfaltspflicht gilt für die eigenen Mitarbeiter ebenso wie für die Beschäftigten bei Zulieferern“, heißt es auf der Unternehmenswebseite. In seinem Code of Conduct für Lieferanten verpflichtet das Unternehmen seine Geschäftspartner zur Einhaltung von Mindeststandards in Menschenrechtsbelangen. Das bereits im November 2019 gestartete Sustainability Rating (S-Ratings) bewertet Lieferanten und andere Geschäftspartner mit Blick auf ihre Nachhaltigkeitsperformance inklusive sozialer und Umweltaspekte. Die Herausforderung besteht darin, das Risiko von Versorgungsproblemen durch negative S-Ratings abzuwenden. Bisher sei dies aber immer gelungen.

Beim Thema Menschenrechte ist für MAN die verantwortungsvolle Rohstoffbeschaffung besonders relevant. MAN hat deshalb Risikorohstoffe ermittelt, darunter beispielsweise Kautschuk, und will hier durch die Beteiligung an Brancheninitiativen und Projekten mit seinen Lieferanten zu einer nachhaltigeren Forstwirtschaft, weniger Korruption und der Einhaltung der Menschenrechte beitragen. Sollte es zu Menschenrechtsverstößen in der Lieferkette kommen, zieht MAN die Konsequenzen: So hat MAN zuletzt in Myanmar und Afghanistan alle Verkaufsaktivitäten beendet.

Internationale Gesetze mit Fokus auf Menschenrechte

Verschiedene internationale Gesetze regeln bereits bestimmte Bereiche menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht. Etwa beim Thema Konfliktmineralien. Die EU-Konfliktmineralien-Verordnung, die sicherstellen soll, dass die Mineralien Zinn, Tantal, Wolfram und Gold aus konfliktfreien Quellen bezogen werden, ist seit Januar 2021 in Kraft. In den USA wurde dazu 2010 der „Dodd-Frank Act“ verabschiedet, der ebenfalls zum Ziel hat, die verantwortungsvolle Gewinnung von mineralischen Rohstoffen zu fördern.

In Frankreich gibt es mit dem „Loi sur le Devoir de Vigilance“ bereits seit 2017 ein Gesetz zur Umsetzung der UN-Leitprinzipien, das bestimmte ökologische und soziale Sorgfaltspflichten für große Unternehmen verbindlich regelt. In den Niederlanden gibt es seit 2019 das „Child Labour Due Diligence Law“, das Unternehmen dazu verpflichtet, Kinderarbeit in ihren Lieferketten zu verhindern.

Der 2021 in Norwegen verabschiedete „Transparency Act“ verpflichtet Unternehmen ebenfalls dazu, Sorgfaltspflichten im Hinblick auf Menschenrechte und menschenwürdige Arbeit in der gesamten Wertschöpfungskette zu erfüllen. Er gilt auch für nicht in Norwegen ansässige Unternehmen, wenn diese etwa Produkte oder Dienstleistungen dort anbieten.

Der britische „Modern Slavery Act“ wiederum ist seit 2015 in Kraft und verlangt von Unternehmen, Informationen darüber zu veröffentlichen, wie sie moderne Sklaverei in ihren Lieferketten vermeiden. Sofern deutsche Unternehmen einen bestimmten Anteil ihres Umsatzes durch Aktivitäten in Großbritannien erwirtschaften, gilt das Gesetz auch für sie. In Australien gibt es seit 2018 auch einen „Modern Slavery Act“, der dem britischen Gesetz ähnelt.

Quelle: UmweltDialog
 

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