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Bauprodukte: Natürlich automatisch nachhaltig?

Im Zeichen von Klima- und Ressourcenschutz werden natürliche Baustoffe wie beispielsweise Lehm immer wichtiger. Zu 100 Prozent recycelbar verursacht er außerdem nur geringe CO2-Emissionen. Um die Nachhaltigkeit von Baustoffen zu beurteilen, reicht „Natürlichkeit“ alleine aber nicht aus, weiß man beim IBU.

28.05.2020

Bauprodukte: Natürlich automatisch nachhaltig?
Alnatura Arbeitswelt: Europas größtes Bürogebäude aus Lehm.

Materialien, die sich optisch an die Umgebung anpassen, eine lichtoptimierte Gebäudegeometrie mit einem asymmetrischen Dachfirst mit Oberlichtern – wenig erinnert bei der Alnatura Arbeitswelt, seit 2019 Firmensitz der Biomarke, an eine herkömmliche Unternehmenszentrale. Das offen gestaltete Bürogebäude ist das Herzstück des sogenannten Alnatura Campus, für den das ehemalige Kasernengelände der Kelley-Barracks im Südwesten von Darmstadt renaturiert wurde. 

„Es gibt in Deutschland einen großen Gestaltungswillen zum nachhaltigen Bauen. Wir müssen aber noch ambitionierter und mutiger werden, um mit unseren Gebäuden einen signifikanten Beitrag zur Reduktion der CO2-Emissionen zu leisten“, sagt Martin Haas, Gründer und Partner des Architekturbüros haascookzemmrich Studie2050, das den Unternehmenssitz von Alnatura konzipiert hat. Ein wichtiger Nachhaltigkeitsaspekt, ist der Gebäudesektor doch für 30 Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich, wie das Umweltbundesamt angibt.

Innenbereich der Alnatura Arbeitswelt.
Innenbereich der Alnatura Arbeitswelt.

Ein Bürogebäude aus Lehm 

Die Alnatura Arbeitswelt, von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) mit Platin ausgezeichnet, ist nahezu klimaneutral, so das Unternehmen. Die ganzjährige natürliche Belüftung erfolgt über Frischluft, die über einen Erdkanal aus dem angrenzenden Wald in das Gebäude geleitet wird. Den Strombedarf deckt unter anderem eine auf dem Dach installierte Photovoltaikanlage, den Wasserbedarf für die sanitären Anlagen und die Bewässerung der Außenflächen eine Regenwasser-Zisterne.

Neben der schallwirksamen Holzlamellendecke ist vor allem die Stampflehmfassade des Gebäudes ein Meilenstein nachhaltigen Bauens, da sie weltweit zum ersten Mal mit einer geothermischen Wandheizung belegt wurde, wie haascookzemmrich Studie2050 mitteilt. „Die graue Energie bei der Herstellung, Verarbeitung und einem möglichen Rückbau von Lehm ist praktisch null. Durch die Langlebigkeit des Materials, wie auch durch die hervorragende Luftfeuchteregulation und Wärmespeicherfähigkeit des Lehms, entsteht ein Bau von hoher Wertstabilität. Die Oberfläche bleibt frei von Algen- oder Moosbildung, der Reinigungs- oder Pflegeaufwand der Fassade entfällt.“

Natürliche Bauprodukte wie Lehm bekommen im Zeichen des Klimawandels wieder eine größere Bedeutung, wie man bei der DGNB weiß. Eine Architektin, die seit langer Zeit mit Lehm arbeitet, ist beispielsweise Anna Heringer. Sie hat u.a. Lehmgebäude in Bangladesch errichtet: „Man muss nur ein paar Regeln beachten, dann stehen Lehmgebäude über Hunderte von Jahren“, zitiert die DGNB Heringer. Dazu gehörten ein gutes Fundament und Dach, um den Lehm vor Wasser und Wind zu schützen, horizontale Geschwindigkeitsbrecher in den Wänden aus Bambus, Ziegelstein oder Stroh, um die Erosion zu kontrollieren.

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Innovative Bauprodukte gesucht 

Neben dem steigenden Bewusstsein für Klima- und Ressourcenschutz sind auch regulative Vorgaben oder Investorenanforderungen wichtige Treiber für nachhaltiges Bauen und nachhaltige Bauprodukte: „Hersteller sind gefordert, ihren Beitrag zu einer hochwertig gebauten Umwelt zu leisten. Lösungsansätze gibt es genug, aber die Unternehmen müssen aktiver werden“, sagt etwa Prof. Josef Steretzeder, Ingenieur für Holztechnik und Gründungsmitglied der DGNB. In diesem Zusammenhang fordert er, dass Unternehmen schon bei der Entwicklung etwa den gesamten Lebenszyklus der Bauprodukte im Blick haben und Nachhaltigkeit entlang der gesamten Lieferkette durchsetzen.

Darüber hinaus müsse man die Digitalisierung für mehr Transparenz und Datenqualität nutzen: „Die Bereitstellung und Verbreitung von Produktinformationen sollte zur Normalität werden. Zu nennen sind hier die Umweltproduktdeklarationen (EPDs), die eine genaue Aussage über die Umweltauswirkungen liefern“, so Steretzeder. Die EPDs, die das Institut Bauen und Umwelt (IBU) veröffentlicht, quantifizieren die Umweltauswirkungen von Bauprodukten von der Gewinnung der Rohstoffe und der Herstellung sowie dem Transport über die Nutzung im Gebäude bis zur Wiederverwertung oder Entsorgung. „Zudem steht mit der Methode BIM eine wichtige Plattform zur Verfügung. Hier sollten unsere Bauprodukte andocken, um die vernetzte Planungsmethode schnell in die Dimension BIM 6D zu bringen – ein Entwicklungsschritt, der Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt.“

Sie wollen mehr über nachhaltiges Bauen wissen? Lesen Sie hier unsere Beiträge zu den Themen Gebäudezertifizierung und EPDs.

Gebäudekontext beachten 

Wer aber meint, dass natürliche Baustoffe wie Lehm oder Holz per se nachhaltig sind, der irrt, informiert das IBU: „Genauso wichtig ist es, den Gebäudekontext zu berücksichtigen: Welche Rolle besitzt das Material eigentlich? Welchen Einfluss hat es auf die Funktionalität, etwa auf den Energieverbrauch, eines Gebäudes?“, so Dr. Alexander Röder, Geschäftsführer des IBU, im Interview mit UmweltDialog. So habe jedes Material, egal ob Holz, Stahl, Beton oder Massivbausteine, seine Stärken und Schwächen. 

„Nachhaltiges Bauen ergibt sich daraus, dass wir die Charakteristika der Materialien intelligent in die Architektur einbetten. Im Endeffekt ist es eine durchdachte Kombination aus Design und Material, die die Nachhaltigkeit ausmacht. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass man Materialien in der Regel nicht direkt miteinander vergleichen kann“, so Röder. „Erst die Analyse ganzer Gebäude mittels der Ökobilanzierung, die auf der Grundlage unserer EPDs durchgeführt werden können, erlaubt eine fundierte und ganzheitliche Bewertung der Umweltauswirkungen.“

Quelle: UmweltDialog
 

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