Vielfalt & Inklusion

„Quoten, wie die Frauenquote, stoßen oft auf negatives Feedback“

Diverse Teams bringen verschiedene Perspektiven ins Unternehmen. Und wer sein Team diverser aufstellen will, sollte beim Top-Management anfangen. Warum das so wichtig ist und wieso das Einführen von Quoten nicht immer zum Ziel führt, erläutert Snjezana Billian, Diversity & Inclusiveness Beauftragte bei EY, im Interview mit UmweltDialog.

12.01.2022

„Quoten, wie die Frauenquote, stoßen oft auf negatives Feedback“

Im ersten Teil unseres Interviews sprachen wir darüber, wie EY mit dem Thema Diversity im Unternehmen umgeht. Betrachten wir das nun auch einmal durch die „Beraterbrille“: Viele Studien – zum Beispiel von der Beratungsgesellschaft McKinsey oder auch von EY selbst – zeigen, dass vielfältige Teams auch wirtschaftliche Vorteile für Unternehmen mit sich bringen. Was machen diverse Teams anders?

Snjezana Billian: Nehmen wir mal an, alle Mitarbeitenden haben den gleichen Hintergrund und haben vielleicht sogar an der gleichen Uni studiert. Dann haben alle einen ähnlichen Blick auf die Welt und auf die Probleme, mit denen das Unternehmen konfrontiert wird. Entsprechend einseitig sind dann auch die Lösungsansätze. Aber wenn man viele verschiedene Perspektiven zusammenbringt, dann kommt es zu Innovationen, weil dadurch völlig neue Ideen entstehen können. Dabei ist eine inklusive Unternehmenskultur entscheidend, denn Diversität allein reicht nicht aus. Darüber haben wir ja bereits gesprochen. Nur in einer offenen und inklusiven Kultur werden die Mitarbeitenden von diversen Teams ihre Ideen auch offen kommunizieren.

Was raten Sie Unternehmen, die mehr Vielfalt in ihre Teams bringen wollen? Wo sollten sie überhaupt anfangen?

Billian: Eigentlich ist das wie bei allen Kulturhemen – die Kultur des Unternehmens beginnt beim Top-Leadership. Unser EY Leadership Team hat zum Beispiel ein Diversity und Inclusion Statement unterzeichnet, mit dem es sein Commitment zu Diversity unterstreichen will. Diversity und Inclusion ist kein isolierter HR-Prozess. Die Führungskräfte müssen selbst von der D&I Strategie des Unternehmens überzeugt sein, die Vorteile vielfältiger Teams sehen und idealerweise selbst divers aufgestellt sein.

Snjezana Billian, Diversity & Inclusiveness Beauftragte bei EY
Snjezana Billian, Diversity & Inclusiveness Beauftragte bei EY

Das aktuelle EY-Mittelstandsbarometer zeigt, dass sich der Frauenanteil in der Geschäftsführung und im Vorstand deutscher Mittelständler nur sehr langsam vergrößert. Viele börsennotierte Unternehmen in Deutschland sind hier schon weiter. Woran liegt das? Und was können vor allem mittelständische Unternehmen tun, um sich hier zu verbessern?

Billian: EY-Partnerin Elfriede Eckl, die die Studie durchgeführt hat, schreibt, dass es gerade jetzt in der Corona-Pandemie besonders wichtig ist, Frauen die Möglichkeit zu geben, Beruf und Familie besser zu vereinbaren. Weltweit haben viele Frauen den Arbeitsmarkt verlassen oder ihre Arbeitszeiten reduziert, um sich um die Familie zu kümmern. Ein Unternehmen kann viel dadurch bewirken, indem es eben den Frauen ermöglicht, zum Beispiel auch in Teilzeit ihre Rolle als Führungskraft auszuüben und sich nicht zwischen Familie und Beruf entscheiden zu müssen.

Wie ist das mit den Männern?

Billian: Natürlich nehmen sich auch immer mehr Männer eine Familienauszeit, was ich als positiv empfinde. Bei EY haben wir viele männliche Vorbilder, die sich eine Auszeit für die wichtigsten Momente in ihrem Leben, wie etwa die Geburt ihres Kindes, nehmen. Aber die Zahlen zeigen weiterhin, dass vor allem die Frauen eine längere Elternzeit in Anspruch nehmen und auch in Zeiten der Corona-Pandemie einen größeren Anteil an Kinderbetreuung übernehmen.

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In den letzten Jahren sind immer wieder neue gesetzliche Vorgaben gekommen, die die Vielfalt in der Gesellschaft und vor allem im Berufsleben stärken sollen. Sind Quoten und Gesetze der richtige Weg?

Billian: Bei EY haben wir keine Quoten eingeführt, sondern uns interne Ziele gesetzt, deren Fortschritte wir mit einem Reporting-Tool messen. Quoten, wie die Frauenquote, stoßen oft auf negatives Feedback, sowohl bei Männern als auch bei Frauen, weil dadurch der Eindruck entsteht, dass eine wohlverdiente Beförderung einer Frau weniger wert ist als die Beförderungen der männlichen Kandidaten.

Das Vorurteil der Quotenfrau sozusagen?

Billian: Genau. Und das kann dann wiederum dazu führen, dass diese Frau nach der Beförderung ihre Führungsrolle nicht erfolgreich ausüben kann, weil unbewusst ihre Qualifikation und ihre Befähigung dazu angezweifelt werden. Man kann in einem Unternehmen auch ohne Quoten für eine gerechte Geschlechter-Verteilung sorgen und diese positiv beeinflussen. Und dann entsteht auch nicht das Problem, dass die Mitarbeitenden in der Organisation das Gefühl haben, dass die Beförderung nicht verdient ist, sondern eben wegen der Quote zustande gekommen ist.

Sollte die Politik also gar keine Vorgaben machen?

Billian: So würde ich das nicht sagen. Ich glaube schon, dass eine entsprechende Gesetzgebung sinnvoll und sogar erforderlich ist, um einen systemischen Rahmen für Gleichheit und Gerechtigkeit zu schaffen. Dadurch entsteht ein höheres Bewusstsein für die verschiedenen Probleme rund um Diversity, und dies hat wiederum positive Auswirkungen auf die ganze Gesellschaft. Zum Beispiel achten die Unternehmen in den letzten Jahren nicht nur auf ihre eigene Diversität, sondern auch auf die bei ihren Lieferant:innen und Partner:innen. Dadurch entsteht ein Welleneffekt und eine Dringlichkeit, die Inklusion zu einem Bestandteil der modernen Unternehmenskultur zu machen.

Vielen Dank für das Gespräch!

Quelle: UmweltDialog
 

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