Wirtschaft

Zukunft nur auf Sicht? Wirtschaften in der Dauerkrise

Krisen sind zur neuen Konstante geworden – wie lässt sich da noch verlässlich Zukunft planen? Es ist herausfordernd, doch ohne Planung geht es nicht, sagt Dr. Alexander German. Im UmweltDialog-Interview spricht der CEO der Hermann Bantleon GmbH über globale Abhängigkeiten, fragile Lieferketten und die Kunst, Mitarbeitende auch in der Dauerkrise motiviert und zuversichtlich zu halten.

24.06.2025

Zukunft nur auf Sicht? Wirtschaften in der Dauerkrise zoom
Dr. Alexander German, CEO Hermann Bantleon GmbH

UmweltDialog: Wir leben aktuell in unruhigen Zeiten, und politische Unsicherheiten nehmen zu: Krieg in Europa, Eskalationen im Nahen Osten, Handelskriege und Trumps Zölle. Wie kann ein Unternehmen heute überhaupt noch verlässlich planen – oder ist langfristige Strategie mittlerweile ein Luxus von gestern?

Dr. Alexander German: Es wird definitiv schwieriger, da gibt es keine Zweifel. Die Gründe haben Sie bereits genannt, und das sind alles Faktoren, auf die wir als Unternehmen keinen direkten Einfluss haben. Aber es bringt nichts, sich darüber zu beklagen. Fakt ist: Planung bleibt unerlässlich. Gerade jetzt müssen wir auf Unternehmens-Ebene vorausschauend denken. Spannend wird es dort, wo wir Szenarien durchspielen, die auch die Unsicherheiten abbilden – also mögliche Entwicklungen, die wir nicht selbst steuern können. Ziel ist es, die Unternehmensstruktur so aufzustellen, dass wir im Ernstfall schnell und flexibel reagieren können. Das ist heute strategisch wichtiger denn je.

Gleichzeitig geht es nicht nur um das globale Umfeld. Auch in Deutschland fehlt es oft an Planbarkeit. Energiepolitik, Bürokratie, zunehmende Regulierungsdichte – das sind hausgemachte Herausforderungen. Wir würden uns wünschen, dass hier klarere und verlässlichere Rahmenbedingungen geschaffen werden. Das würde Unternehmen auch in ihrer Standortentscheidung langfristig stärken und Investitionen in Deutschland attraktiver machen.

Viele deutsche Unternehmen aber auch die Politik haben sich über Jahre in eine Abhängigkeit von autoritären Regimen begeben – sei es beim Gas aus Russland oder beim Einkauf in China. War das naiv – und was haben wir wirklich daraus gelernt?

German: Rückblickend ist es vielleicht ein bisschen wie mit den Neujahrsvorsätzen: Am Anfang gibt es gute Absichten. Und ein paar Monate später fällt die Bilanz oft ernüchternd aus. Es war bequem, es war wirtschaftlich sinnvoll, und so hat man eben auf russisches Gas oder günstige Beschaffung aus China gesetzt. Das war nicht nur betriebswirtschaftlich nachvollziehbar, sondern schlicht Teil einer stark globalisierten Welt, in der wir alle gelebt haben – und noch leben.

Natürlich ist es Aufgabe jedes Unternehmens, profitabel zu wirtschaften. Günstiges Sourcing ist an sich nichts Verwerfliches – im Gegenteil. Aber die zentrale Frage lautet heute: Wie groß ist das Risiko, das wir mit bestimmten Abhängigkeiten eingehen? Und das ist spätestens in den letzten Jahren sehr deutlich geworden. Einzelne, nennen wir sie mal Individualisten, bestimmen zunehmend die globale Agenda – das macht Planbarkeit extrem schwierig.

Wie realistisch ist es, da noch auf stabile Lieferketten zu hoffen? Müsste die Industrie sich nicht variabler aufstellen?

German: Die eigentliche Frage kommt tatsächlich noch vorher: Können wir überhaupt noch stärker diversifizieren? Denn es geht hier nicht nur um Strategie, man muss auch Zugang, Infrastruktur, geopolitische Optionen und Qualität mitdenken. Fakt ist, wir haben in Deutschland zum Beispiel keine eigenen Rohstoffe. Wo sollen wir sie also herholen? Wir haben gerade in der Corona-Zeit gesehen, dass wir zwar dachten, unsere Lieferketten seien diversifiziert – aber wenn man sie wirklich bis zum Ursprung zurückverfolgt, kommt das Material dann eben doch aus, einigen wenigen Quellen, irgendwo auf der Welt. 

Ich glaube, ich spreche für viele Unternehmen, wenn ich sage: Wenn man heute behauptet, wir könnten komplett autark sein, völlig unabhängig von China oder anderen globalen Partnern – dann ist das schon ein sehr mutiges Statement. Es bringt uns vor ganz reale Herausforderungen – technischer Art, aber auch organisatorisch. Wir müssen neue Lieferanten finden, sie qualifizieren, Prozesse anpassen. Das ist ein dicker Brocken.

Stabile Lieferketten sind das eine. Aber auch Fachkräfte sind entscheidend für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens. In der Dauerkrise geht allerdings auch ihnen irgendwann die Puste aus. Wie gelingt es Ihnen, Ihr Team trotz Unsicherheit motiviert und handlungsfähig zu halten?

German: Das ist definitiv eine große Herausforderung, ganz ohne Zweifel. Wir alle leben aktuell in einer Phase ständiger Unsicherheit. In diesem Zusammenhang ist die Arbeit im HR Bereich außerordentlich wichtig. Wir investieren zum einen sehr viel in das Thema Employer Branding, um neue Leute zu gewinnen. Zum anderen unternehmen wir viel in Richtung People Retention, um gute Mitarbeitende zu halten. Wir müssen als Unternehmen stabil aufgestellt sein – das heißt, wir brauchen die richtigen Leute an den richtigen Stellen. Und wir wollen den Menschen ein Umfeld bieten, in dem sie sich wohlfühlen. Dazu gehören Qualifizierung, Schulung, Weiterbildung, aber auch zusätzliche Benefits, die wir anbieten, um attraktiver zu sein.

Natürlich können wir die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland nicht ändern oder schöner reden, als sie sind. Aber unsere Aufgabe ist es, eine klare Richtung vorzugeben – also gezielt in Zukunftsthemen zu investieren und das auch transparent zu machen. Die Leute sollen sehen: Wir tun etwas. Gleichzeitig ist uns wichtig, kostenbewusst zu handeln. Ich glaube, worauf es wirklich ankommt, ist die Balance – und die Art, wie man das kommuniziert. Und wenn das gelingt, dann trägt das auch zur Motivation bei.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Quelle: UmweltDialog
 

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