Next Level EPDs – wir brauchen eine gemeinsame Sprache!
Auch vor der Bauwirtschaft machen Digitalisierung und KI nicht halt. Automatisierung wird auch die Erstellung von Umweltproduktdeklarationen (EPDs) revolutionieren. Das IBU Fachforum 2025 in Berlin stellte Tools vor, zeigte Erfahrungsberichte in der Anwendung auf und bot in Vorträgen und Diskussionsrunden spannende Einblicke.
15.07.2025
Seit Januar 2025 ist klar: Die Bauproduktenverordnung (BauPVO) verpflichtet Unternehmen aus dem Bausektor künftig dazu, Umwelt-Informationen in die Leistungserklärung ihrer Bauprodukte aufzunehmen. EPDs helfen dabei, die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Auch bei der Auftragsvergabe gilt oft schon heute: Wer künftig keine EPD für sein Produkt vorweisen kann, hat es am Markt schwer.
Aber das Thema EPD-Erstellung ist komplex, es gibt viele Datenmengen zu sammeln, viele Normen zu beachten, Ergebnisse müssen gewichtet und zertifiziert werden. All das kostet viel Zeit und Geld. Kein Wunder also, dass in der Digitalisierung und KI enormes Potential für Geschwindigkeit und Kostenreduzierung liegen. Und so steigt seit Jahren die Zahl der Software-Anbieter für digitale Lösungen zur LCA/EPD-Berichterstattung.
Kurz erklärt: EPDs
Eine EPD (Environmental Product Declaration) ist ein Umweltprofil eines Produkts – sie beschreibt dessen ökologische Auswirkungen über den gesamten Lebenszyklus hinweg, z. B. CO2-Fußabdruck, Ressourcenverbrauch oder Entsorgung. Für eine EPD braucht man sehr viele Daten: von der Rohstoffgewinnung über Produktion und Transport bis hin zur Nutzung und Entsorgung. KI und Automatisierung können helfen, diese Daten schneller zu erfassen, zu verknüpfen und zu bewerten – etwa durch automatisierte Auswertung von Lieferantendaten, LCA-Datenbanken oder durch intelligente Tools zur Datenmodellierung. Das spart Zeit, reduziert Fehler und ermöglicht skalierbare EPD-Erstellung.
Das hat viele Vorteile, bietet aber auch Angriffsfläche für jede Menge Kritik: Sind die Ergebnisse der verschiedenen Tools qualitativ, transparent und wirklich vergleichbar? Die Anbieter wenden nämlich unterschiedliche Datenströme und Berechnungslogiken an. So werden meist generische Datensätze zur EPD-Erstellung eingesetzt. Die Daten einzelner Unternehmen werden zwar berücksichtigt, allerdings ohne die Angaben von konkreten Massen, Energieeinsatz und so weiter. Das Problem dabei: Verbessert ein Unternehmen die Klimabilanz eines seiner Produkte, wird dies von der Software nicht honoriert. Andere Anbieter berücksichtigten das in Teilen, was dann aber wiederum dazu führt, dass die Berechnung für das gleiche Produkt von Software zu Software unterschiedlich ausfällt. Hier zähle sogar die zweite Stelle hinter dem Komma, sagt etwa Michael Scharpf von Holcim. Der Zement- und Betonhersteller arbeitet daher seit Jahren mit selbst erstellten EPDs. So kann Holcim beispielsweise ein kürzlich entwickelten CO2-armen Beton nachweisen. Ein Marktvorteil für mehr als einen Augenblick, da EPDs eine Gültigkeitsdauer von fünf Jahren haben.
Johannes Beiter von der Zumtobel Group dagegen freut sich über den Einsatz von EPD-Software: So kann viel schneller und kostengünstiger eine EPD-Zertifizierung und -Erstellung erfolgen. Zumal die Anforderungen an EPD-Auskünfte an das Unternehmen rasant wachsen: War es 2011 noch keine einzige Anfrage, so sind es aktuell mehr als 3.000 im laufenden Jahr.
Eine solch rasante Nachweispflicht hat Auswirkungen auf Personal und Kosten: Früher wurden die ersten EPDs noch händisch über Listen erzeugt und brauchten bis zu einem halben Jahr Arbeitseinsatz oder länger bis zur Zertifizierung und Erstellung. Digitalisierung und Automatisierung haben das geändert: Laut Ieke Bak vom Softwaretool-Hersteller Ecochain betragen die Kosten heute durchschnittlich 15 Euro pro verifizierter EPD, zukünftig könne der Preis sogar auf einen Euro fallen. Und bei der Geschwindigkeit sprechen wir von Tagen.
Impresssionen vom IBU Fachforum 2025
Aber was bedeutet das für die Baubranche insgesamt? Sie kann von der Produktentwicklungsbranche lernen: durch konsequente Standardisierung, sagt Markus Brunner vom Normungsinstitut DIN. Es sei wie beim Turm von Babel, so Brunner, man brauche für die Automatisierung eine gemeinsame Sprache. Und man solle keine Angst vor zu vielen weiteren Normungsschritten haben: die Arbeit der Datensammlung und -sichtung übernehme künftig die KI. Bleibt noch das Problem der Rechte an Codes und Schnittstellen: Eine Überführung ins BIM (Building Information Modelling) für das gesamte Gebäude werde es nur geben, wenn die Daten offen & frei nutzbar, maschinenlesbar und wirklich alle Bauprodukte abgedeckt seien, glaubt Dr. Oliver Kusche. Der nächste Schritt ist also, nicht bloß Maschinen-lesbar zu sein, sondern auch Maschinen-verstehbar (machine-interpretable), so dass Maschinen oder KI sie nicht nur lesen, sondern auch inhaltlich verstehen, verarbeiten und logisch verknüpfen können – z. B. für automatisierte Analysen oder Entscheidungen.
Ein Highlight beim IBU Fach Forum: Carsten Träger, Parlamentarischer Staatssekretär im BMUKN, und Florian Pronold, IBU, überreichen die erste RCD an das Stahlunternehmen voestalpine. In einem Pilotprojekt hat das IBU mit dem Stahlunternehmen voestalpine erstmals die Rückführung von Stahlschrott in den Stahlkreislauf genormt und zertifiziert.