Impact Report 2024: Interface geht „All in“
Seit mehr als 30 Jahren verfolgt Interface eine konsequente Nachhaltigkeitsstrategie. Nun will der Bodenbelagshersteller bis 2040 CO2-negativ werden – ganz ohne Klima-Kompensation. Mit zirkulärem Design und innovativen Materialien setzt das Unternehmen auf direkte Emissionsreduktion. Der aktuelle Impact Report 2024 zeigt, wie der Wandel konkret umgesetzt wird. UmweltDialog fasst die wichtigsten Punkte zusammen.
14.08.2025
Kompensationen gelten seit Jahren als gängiges Mittel, um CO2-Emissionen auszugleichen. Viele Industrieunternehmen erreichen ihre Klimaziele, indem sie CO2-Zertifikate kaufen und so externe Klimaschutzprojekte finanzieren. Doch die Methode steht in der Kritik: So zeigt etwa eine aktuelle Untersuchung von Dr. Benedikt Probst vom Max-Planck-Institut und weiteren Forschern, dass nur rund 16 Prozent der angegebenen Emissionen durch Klima-Projekte auch tatsächlich eingespart wurden. Und Finanzwissenschaftler Sehoon Kim von der University of Florida bezeichnet Carbon Offsetting in einer anderen Studie als „Greenwashing“. Viele Unternehmen würden günstige, qualitativ minderwertige Kompensationen nutzen, um ein umweltfreundliches Image zu erzeugen, anstatt ihre eigenen Emissionen substanziell zu senken.
Dass es auch ganz ohne CO2-Offsetting geht, beweist Interface. Der weltweit tätige Bodenbelagshersteller hat sich vorgenommen, bis 2040 ausschließlich durch eigene Maßnahmen CO2-negativ zu werden – also der Atmosphäre mehr CO2 zu entnehmen, als auszustoßen. Dafür hat sich das Unternehmen 2024 der „All in“-Strategie verschrieben. Statt in Klimakompensationen zu investieren, will Interface vor allem auf Innovationen setzen.
Halbzeit-Marke bei Science Based Targets erreicht
Im ersten Schritt geht es zunächst darum, die im Jahr 2021 gesetzten Science-Based-Targets zu erreichen. Die Zahlen aus dem frisch erschienen Impact Report 2024 zeigen, dass das Unternehmen hier auf dem richtigen Weg ist. Im vergangenen Jahr konnte Interface seine Emissionen um weitere vier Prozent im Vergleich zu 2023 senken, vor allem in Scope 3, wo der Einkauf von Materialien und Dienstleistungen den größten Anteil ausmacht. Gegenüber dem Basisjahr 2019 ergibt sich ein deutlicher Fortschritt: Scope 1 liegt bei minus 30 Prozent, Scope 2 bei minus 28 Prozent und Scope 3 (Eingekaufte Güter und Dienstleistungen) bei minus 42 Prozent. Damit ist das Unternehmen seinem Ziel, diese CO2-Emissionen bis 2030 um 50 Prozent zu senken (im Vergleich zu 2019) einen Schritt nähergekommen.
Carbon-Offsetting im Rahmen der Science Based Targets?
Unternehmen, die sich dem Net-Zero-Standard der Science-Based-Targets-Initiative verpflichtet haben, müssen laut Standard mindestens 90 Prozent ihrer Emissionen durch eigene Maßnahmen reduzieren. Nur die verbleibenden zehn Prozent dürfen über dauerhafte CO2-Entfernungen kompensiert werden.
In der EU gibt es bislang keine feste Obergrenze für Kompensationen. Allerdings untersagt die geplante Green Claims Directive ab 2026 pauschale Aussagen wie „klimaneutral“, wenn sie allein auf CO2-Kompensation beruhen. Solche Aussagen sind künftig nur noch erlaubt, wenn sie auf wissenschaftlich belegbaren, überprüfbaren und transparenten Maßnahmen beruhen.
Bis zur Klimapositivität ist es aber noch ein Stück: „Um bis 2040 CO2-negativ zu werden, müssen wir uns verstärkt auf direkte CO2-Reduktionen konzentrieren, nicht auf Ausgleichszahlungen“, heißt es im Impact-Report. „Indem wir frühere Ausgleichsinvestitionen in Forschung und Entwicklung sowie Innovation umwidmen, werden wir die CO2-Reduzierung und -Speicherung weiter beschleunigen.“ Das Fundament der „All in“-Strategie bildet daher ein Vier-Säulen-Ansatz aus „Avoid“, „Reduce“, „Store“ und „Inspire“.
CO2-Reduktion durch Kreislaufwirtschaft und Innovationen
Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Kreislaufwirtschaft. Die Bodenbeläge von Interface sind auf Langlebigkeit und Wiederverwendung ausgelegt. Dank des modularen Aufbaus und klebstofffreier Verlegung, können einzelne Elemente einfach ausgetauscht werden, sodass der gesamte Bodenbelag länger genutzt werden kann. Vor allem die nora-Kautschukböden haben eine lange Lebensdauer: Laut Interface bleiben einige Produkte 40 bis 50 Jahre in Benutzung. Ausgediente Bodenbeläge nimmt das Unternehmen über das ReEntry-Programm zurück. Je nach Zustand und Materialzusammensetzung werden die alten Beläge wiederverwendet, recycelt oder energetisch verwertet. Seit 2016 hat Interface so rund 38.000 Tonnen Teppichfliesen aus dem Markt zurückgeholt.
Lesen Sie mehr darüber, wie Interface die Kreislauffähigkeit in der Bauindustrie fördert im UmweltDialog-Beitrag: „Interface: Mit ReUse zur Kreislaufwirtschaft in der Baubranche“.
Innovative Materialien und Herstellungsmethoden sind ein weiter Hebel, um CO2-Emissionen zu reduzieren. Im gesamten Bodenbelagsportfolio kommen daher recycelte und biobasierte Komponenten zum Einsatz. Sie machen insgesamt 52 Prozent der genutzten Materialien bei allen Bodenbelägen aus. So konnte Interface den CO2-Fußabdruck etwa bei den Teppichfliesen bisher um rund 35 Prozent senken, bei LVT-Bodenbelägen sogar um 46 Prozent. Einige der Bodenbeläge sind sogar bereits CO2-negativ: 2020 stellte das Unternehmen die erste Teppichfliese, die mehr CO2 speichert als bei der Rohstoffgewinnung und Herstellung entstehen, vor. Mittlerweile gibt es 39 solcher Produkte. Anfang 2025 präsentierte Interface erstmals auch einen CO2-negativen Prototyp für nora-Kautschukböden. Die Markteinführung ist für 2026 geplant.
CO2 als Ressource
Kohlenstoff lässt sich aber nicht nur reduzieren, sondern auch als Rohstoff nutzen. Der Bodenbelagshersteller setzt seit Kurzem gebundenen Kohlenstoff gezielt als Material in seinen Teppichfliesen ein. Grundlage ist ein Verfahren, bei dem CO2 aus Produktionsabfällen abgeschieden und in bestehende Rohstoffe zurückgeführt wird. So gelangen diese Emissionen nicht in die Atmosphäre, während gleichzeitig Komponenten mit deutlich reduziertem CO2-Fußabdruck entstehen.
Wie Kohlenstoff Teil der Lösung sein kann, lesen Sie im UmweltDialog-Beitrag „Ressource statt Klimarisiko: Interface setzt auf gebundenes CO2“.
„Wir werden weiterhin neue Rohstoffe und innovative Lösungen erforschen, um mehr Kohlenstoff in unseren Produkten und Betriebsabläufen sowie entlang unserer gesamten Lieferkette zu vermeiden, zu reduzieren und zu speichern“, schreibt Interface im Impact Report. „Indem wir diese Materialien weiter erforschen und in sie investieren, hoffen wir, einen Dominoeffekt für unsere Branche und darüber hinaus zu erzielen, da andere die Möglichkeit erkennen, von neuen und fossilen Brennstoffen basierten Materialien wegzukommen.“
Gemeinsam zu mehr Nachhaltigkeit
Aber auch die gesamte Produktion wird effizienter. 80 Prozent der gesamten Produktionsenergie stammt aus erneuerbaren Quellen; Abfälle von der Herstellung wurden 2024 um zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesenkt, 60 Prozent davon wurden recycelt; Wassermanagementsysteme sollen den Wasserverbrauch reduzieren. Neben der eigenen Produktion nimmt Interface auch die Lieferkette in den Blick. Ein 2024 erstmals durchgeführtes Carbon Maturity Assessment etwa bewertete den Dekarbonisierungsgrad der wichtigsten Zulieferer, um gezielt deren Nachhaltigkeitsaktivitäten zu fördern und eine sinnvolle Zusammenarbeit für mehr Klimaschutzmaßnahmen zu erreichen. Ganz groß schreibt Interface außerdem Transparenz. Für nahezu alle Produkte liegen Environmental Product Declarations (EPDs) und Health Product Declarations (HPDs) vor; projektspezifische CO2-Daten unterstützen die Kunden bei der Wahl klimafreundlicher Produkte.