EU Reporting

„Für Hersteller bedeutet die Verifizierung Sicherheit“

Nach der Gründung folgt die Umsetzung: Die IBU Verify GmbH will sich als unabhängige Prüfstelle für Ökobilanzen und Umwelt-Produktdeklarationen langfristig etablieren. Im zweiten Teil des UmweltDialog-Interviews erklärt Geschäftsführer Stefan Zwerenz, welche Ziele er sich gesetzt hat, warum Datenqualität für Glaubwürdigkeit und Akzeptanz entscheidend ist und vor welchen Herausforderungen Unternehmen wie auch Prüfer aktuell stehen.

08.10.2025

„Für Hersteller bedeutet die Verifizierung Sicherheit“

UmweltDialog: Herr Zwerenz, vorige Woche haben wir über die Gründung der IBU Verify GmbH und den Plan, notifizierte Stelle zu werden, gesprochen. Welche langfristigen Ziele haben Sie sich als Geschäftsführer darüber hinaus vorgenommen?

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Stefan Zwerenz: Zunächst gilt es natürlich darum, die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen – konkret das sogenannte AVCP-3-+-System bzw. das AVS 3+ System, nach dem künftig geprüft wird. Ein weiteres wichtiges Ziel ist es, unsere Prozesse effizienter zu gestalten, sowohl was die Zeit als auch die Kosten betrifft. Dafür haben wir bereits erste Schritte eingeleitet, etwa durch den gezielten Einsatz unserer Fachleute und die Optimierung interner Abläufe. Darüber hinaus steht für mich im Vordergrund, die IBU Verify GmbH als eigenständiges Unternehmen im Markt zu etablieren und langfristig zu verankern. Und zuletzt, aber ganz entscheidend, wollen wir die Qualität unserer Prüfungen auf höchstem Niveau sichern. Denn unser Anspruch ist, dass die Ergebnisse unserer Arbeit absolut belastbar und nicht angreifbar sind.

Welche Rolle spielt denn die unabhängige Verifizierung für Glaubwürdigkeit und Akzeptanz – sowohl bei Herstellern als auch bei Planern, Architekten und Investoren?

Zwerenz: Eine ganz entscheidende. Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast, kann man auch bei Ökobilanzen sagen. Hier passieren Fehler oft nicht absichtlich, sondern weil etwas übersehen wird oder es schnell gehen musste. Genau deshalb braucht es die unabhängige Prüfung, damit die Daten belastbar sind.

Für Hersteller bedeutet die Verifizierung Sicherheit: Sie wollen nicht angreifbar sein und ihre tatsächliche Performance nachweisen, gerade wenn sie viel in Innovation und Nachhaltigkeit investieren. Aber auch für Planer, Architekten und Investoren ist es entscheidend, dass die Zahlen stimmen. Mit der neuen EU-Gebäuderichtlinie, die Umweltinformationen künftig verpflichtend auf Gebäudeebene vorsieht, wird das noch wichtiger – auch finanziell. Bei Ausschreibungen zählen dann belastbare Umweltkennzahlen, und ohne glaubwürdige Daten drohen Auftragsverluste oder sogar rechtliche Konflikte. Kritisch sehe ich, dass es derzeit am Markt teilweise große Qualitätsunterschiede gibt – das kann das ganze System der Umweltproduktdeklarationen oder Ökobilanzen in Verruf bringen, obwohl lange daran gearbeitet wurde, hohe Standards aufzubauen.

Stichwort Qualität: Oft hängt die Verlässlichkeit einer EPD von den zugrunde liegenden Daten ab. Wie gehen Sie als Verifizierer mit unvollständigen oder wenig belastbaren Angaben um?

Zwerenz: Hier gelten klare Standards, an die wir gebunden sind. Maßgeblich sind vor allem die EN 15804+A2, die auch für die Bauproduktenverordnung relevant ist, und die EN 15941, die explizit die Anforderungen an die Datenqualität für EPDs beschreibt. Diese Normen legen fest, welche Mindestqualität vorliegen muss und wie sie nachzuweisen ist. Wenn Daten unvollständig oder zu schwach belastbar sind, können wir kein Auge zudrücken. Dann darf unser Prüfsiegel nicht vergeben werden – wir tragen die Verantwortung, nur glaubhafte und nachvollziehbare Informationen in den Markt zu lassen. Jede EPD enthält zudem ein eigenes Kapitel zur Datenqualität, das künftig noch ausgeweitet werden soll. So können auch Nutzerinnen und Nutzer besser einschätzen, wie belastbar die Angaben sind.

Blickpunkt IBU EDP Kachel

Wie läuft denn der Verifizierungsprozess bei Ihnen ab?

Zwerenz: Zunächst muss das Unternehmen seine Hausaufgaben machen und alle Material- und Energieströme detailliert erfassen und darstellen, um die Umweltauswirkungen nachvollziehbar zu machen. Wenn uns dann alles vorliegt, beginnen unsere unabhängigen Verifiziererinnen und Verifizierer mit der Prüfung. Dafür nehmen wir uns in der Regel vier Wochen Zeit, um die Dokumente durchzuarbeiten und Kommentare zu verfassen. Eine Rückmeldeschleife gibt es immer, meist auch eine zweite. Wichtig ist: Wir geben keine Beratung, sondern zeigen nur auf, wo Fehler oder Lücken bestehen.
Anschließend hat das Unternehmen wieder etwa vier Wochen, um die Anmerkungen umzusetzen. Spätestens nach der dritten Runde muss die Verifizierung abgeschlossen sein – sonst greift das Programmregelwerk, und das Verfahren wird abgebrochen. Das heißt: Auch wenn Kosten entstehen, gibt es dann keine gültige EPD. Deshalb ist es entscheidend, dass die Vorarbeiten sauber erledigt sind, damit der Prozess reibungslos läuft.

Wo sehen Sie aktuell die größten Hürden – sowohl für Unternehmen bei der Erstellung von EPDs als auch für Sie als Verifizierer im Prüfprozess?

Zwerenz: Im Moment herrscht noch viel Unsicherheit über die Gesetzeslage, weil nicht alle Details der neuen Bauproduktenverordnung geklärt sind. Für die Unternehmen liegt die größte Hürde aber eindeutig in der Erstellung der Ökobilanz. Das ist aufwendig und teuer – vor allem, wenn man von null anfängt und sämtliche Daten erst erheben muss. Wer seine Verbräuche, Materialströme oder Abfälle bereits gut dokumentiert, hat hier einen klaren Vorteil und kann Zeit und Kosten sparen. Besonders für kleinere Unternehmen mit nur wenigen Mitarbeitenden ist das jedoch eine echte Herausforderung. Es wird spannend, wie KMU hier in die Lage versetzt werden, die Anforderungen zu erfüllen – und ich denke, da ist auch der Gesetzgeber gefragt.

Hinzu kommt: Der Markt an Dienstleistern wächst stark, aber die Qualität ist sehr unterschiedlich, wie ich ja vorhin schon sagte. Manche haben viel Erfahrung, andere weniger – das macht es für Unternehmen schwer, den richtigen Partner zu finden. Deshalb empfehle ich Unternehmen, Know-how möglichst im eigenen Haus aufzubauen. Wer seine Prozesse intern versteht und dokumentiert, hat nicht nur für die EPD, sondern auch für die künftige Verbesserung seiner Umweltleistung einen großen Hebel in der Hand.

Vielen Dank für das Interview!

Quelle: UmweltDialog
 

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