Politik

Rio20+: Erwartungen und Forderungen nach Post-Rio-Prozess

Rund anderthalb Monate vor dem Start der Weltkonferenz über nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro verlaufen die Verhandlungen über ein Abschlussdokument weiter schleppend. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon sagte, die Vorgespräche befänden sich derzeit an einem „kritischen Punkt“. Viele Nichtregierungsorganisationen warnen vor einem nur schwachen Gipfel-Ergebnis.

22.05.2012

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon. Foto: UN Photo/Marco castro
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon. Foto: UN Photo/Marco castro
Nach Angaben des Rio+20-Sekretariats befürchten Entwicklungsländer im Hinblick auf eines der Leitthemen von Rio, der sogenannten „Green Economy“, nach wie vor, dass die reicheren Länder höhere Umweltstandards künftig nutzen könnten, um ihre Märkte mit Hinweis darauf abzuschotten. Uneinigkeit zwischen den Verhandlungspartnern besteht laut UN auch darüber, wie die auf der Agenda stehenden Nachhaltigkeitsziele umgesetzt werden können.

Die Weltnachhaltigkeitskonferenz findet vom 20. bis 22. Juni im brasilianischen Rio de Janeiro statt. Die UN erwarten rund 120 Staats- und Regierungschefs aus aller Welt, außerdem mehr als 50.000 Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen, Verbänden und Initiativen. Die Nachfolgekonferenz zum sogenannten „Erdgipfel“ von 1992 soll Wege in die „grüne“ Wirtschaft im Kontext von nachhaltiger Entwicklung und Armutsbekämpfung ebnen und die mit Nachhaltigkeit befassten Institutionen der UN stärken. Im Gespräch ist unter anderem eine Aufwertung des UN-Umweltprogramms UNEP zu einer mit mehr Rechten und Mitteln ausgestatteten UN-Umweltorganisation und die Einrichtung eines UN-Nachhaltigkeitsrates.

Die Bundesregierung unterstützt diese Vorhaben. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in einer Video-Botschaft vom 05. Mai, seit dem Erdgipfel von 1992 sei „Manches passiert, aber Vieles zu langsam“. Fortschritte habe es international etwa beim Klimaschutz und beim Schutz der Biodiversität gegeben. „Was ich beklage, ist, dass es bis heute keine UN-Umweltorganisation gibt“, so Merkel. Das müsse jetzt angepackt werden. An den Verhandlungen in Rio wird die Bundeskanzlerin nicht teilnehmen. Die deutsche Delegation wird von Bundesumweltminister Peter Altmaier und Entwicklungsminister Dirk Niebel geleitet.

Das deutsche Forum Umwelt und Entwicklung sieht im Fernbleiben Merkels ein „fatales Signal“. Der Verband koordiniert die Aktivitäten deutscher Nichtregierungsorganisationen in internationalen Politikprozessen zur nachhaltigen Entwicklung und fordert die Bundeskanzlerin auf, ihre Entscheidung zu revidieren.

Die Erwartungen deutscher Nichtregierungsorganisationen an das Gipfeltreffen sind gemischt. Zwar wiesen die Verhandlungsziele einige gute Ansätze auf, urteilt etwa der WWF. Sie seien jedoch „deutlich zu vage definiert“. Von einem „insgesamt schwachen Textentwurf der Schlusserklärung“ spricht der Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO). Aus Sicht von VENRO muss in Rio ein neues Konzept von „grüner“ und fairer Wirtschaft entwickelt werden. Dieses müsse der weltweiten Armutsbekämpfung Priorität einräumen und die Grenzen der Natur respektieren.

Unmut über den UN-Gipfel gärt auch in der brasilianischen Zivilgesellschaft. „Viele Nichtregierungsorganisationen fürchten, dass das Gipfeltreffen lediglich den bisherigen Wirtschaftsweisen einen ‚grünen’ Anstrich verpassen soll“, sagt Dawid Bartelt, der das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Rio de Janeiro leitet. Mit einem sogenannten „People’s Summit“ werden die Organisationen im Vorfeld der Rio-Konferenz einen „Gegengipfel“ veranstalten. Ihre Teilnahme an einer von der brasilianischen Regierung geplanten Rio-Vorbereitungskonferenz haben sie jüngst abgesagt, auch aus Protest gegen die stark auf Wirtschaftswachstum, weniger auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Regierungspolitik. „Dafür wollen sie sich nicht von der Regierung vereinnahmen lassen“, so Bartelt.

Dass es in Rio zu einer Stärkung der UN-Umweltorganisation UNEP kommt, erwartet der Experte der Böll-Stiftung nicht mehr. „Viele arme Länder erachten das als Versuch der Einführung eines neuen Öko-Protektionismus durch die Hintertür.“ Eine Chance sieht er noch für die Verabschiedung globaler Nachhaltigkeitsziele. Die Vereinten Nationen wollen damit ihre Ziele zur Armutsbekämpfung flankieren. Die konkrete Ausgestaltung dieser Ziele - welchen Anteil erneuerbarer Energien die Weltgemeinschaft zum Beispiel bis wann erreichen will - könne die Konferenz aber nicht mehr leisten, meint Bartelt. „In Rio kann höchstens noch ein Fahrplan zur Konkretisierung dieser Ziele angestoßen werden.“

Die Vorsitzende des Nachhaltigkeitsrates Marlehn Thieme sieht die Möglichkeit, dass in Rio Vereinbarungen getroffen werden, die politisches Handeln zu mehr Nachhaltigkeit auf nationaler Ebene ermöglichen. „Ich erwarte, dass ein Post-Rio-Prozess eingeleitet wird. Dass die Bundeskanzlerin ihre Gipfel-Teilnahme abgesagt hat, ist zwar bedauerlich; dennoch sollte sich Deutschland weiter als Vorreiter und Orientierungsmodell in Sachen Nachhaltigkeit einbringen, nicht nur in Europa, sondern auch in internationalen wirtschaftlichen und politischen Beziehungen.“

Die Ergebnisse der Weltnachhaltigkeitskonferenz werden ein Schwerpunkt der diesjährigen Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE) sein, die am 25. Juni im Berliner „Haus der Kulturen der Welt“ stattfindet.

Quelle: RNE
Quelle: UD / pm
 
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