Erster Lockdown brachte bessere Luft
Mehrere Studien haben bereits gezeigt: Die Konzentrationen typischer Luftschadstoffe wie Stickoxide und Feinstaub sind während der coronabedingten Lockdowns weltweit gesunken. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums Hereon haben jetzt in einer umfassenden Studie für Mitteleuropa insgesamt berechnet, wie stark dieser Effekt bei den ersten Lockdowns war und inwiefern die Wetterbedingungen für die bessere Luft sorgten.
19.10.2021
Ein Ergebnis: Die Menge an Stickoxiden ist aufgrund des Lockdowns teilweise um mehr als die Hälfte gesunken. Die Arbeit erschien jetzt im Fachmagazin Atmospheric Chemistry and Physics.
Corona hat mittelbar für bessere Luft gesorgt. Während des Jahres 2020 haben Forscherinnen und Forscher tatsächlich weltweit einen Rückgang der Schadstoffkonzentrationen in der Luft gemessen. Wie sehen diese Werte konkret für Mitteleuropa aus? Und inwiefern war wirklich der Lockdown die Ursache – und nicht etwa die Wetterbedingungen? Mit diesen Fragen haben sich Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums Hereon beschäftigt. Das Team um Dr. Volker Matthias hat sich auf Stickoxide (NOx), Feinstaub und Ozon konzentriert.
Vergleich mit den vergangenen fünf Jahren
Zunächst haben sich die Forschenden konkrete Daten von 13 Messstationen aus sieben Ländern, darunter beispielsweise an der Sternschanze in Hamburg, angesehen. Da der erste Lockdown von März bis Mai (in den einzelnen europäischen Ländern variieren die exakten Daten teilweise) ging, haben sie Daten von Januar bis Juni für die Jahre 2015 bis 2020 betrachtet. Für ihre Berechnungen haben sie zusätzlich die jeweiligen Wetterbedingungen in ihre Modellsimulationen einbezogen. Denn: Je weniger es regnet, desto schlechter ist die Luft. „In längeren Trockenperioden können sich Schadstoffe besser in der Luft ansammeln. Viel Niederschlag wäscht die Luft buchstäblich rein“, so Volker Matthias, Leiter der Abteilung Chemietransportmodellierung im Hereon-Institut für Umweltchemie des Küstenraumes und Erst-Autor der Studie.
Es zeigt sich: „Der Februar 2020 war extrem nass, die Schadstoffkonzentration verhältnismäßig gering. Der darauffolgende März und besonders der April waren recht trocken, was normalerweise zu einem Anstieg der Konzentrationen führt. Da aber auch hier weniger Stickoxide zu sehen sind, muss die Ursache eine andere sein“, erklärt Co-Autor Ronny Badeke, Doktorand in der Chemietransportmodellierung.
Grundsätzlich kommen für die Emissionen verschiedene Quellen in Frage. Deshalb haben die Forscher in ihrer Studie verschiedene Sektoren untersucht: unter anderem Industrie, Straßenverkehr, Luftverkehr, Hochseeschifffahrt, Energieerzeugung und Gebäudeheizungen. Denn auf einige Bereiche wie den Straßen- und Luftverkehr hatte der Lockdown erwiesenermaßen einen großen Einfluss.
Berechnungen mit und ohne Lockdown
Die Simulation hat das Team anschließend einmal mit und einmal ohne Lockdown-Einflüsse durchgeführt. Auch andere Wetterbedingungen, wie sie in den Vorjahren herrschten, wurden miteinbezogen. „Im Vergleich sehen wir, dass wir zum Beispiel in Frankreich und Italien, wo der Lockdown sehr viel strenger umgesetzt wurde als in Deutschland, Reduktionen der Stickoxid-Konzentrationen bis zu 55 Prozent haben. In Deutschland macht sich der Unterschied mit bis zu 20 Prozent bemerkbar. Da wir ein sehr hochaufgelöstes Modell genommen haben, können wir Unterschiede zwischen Stadt und Land, aber auch Schiffsrouten und große Straßen gut abbilden. Im, was den Verkehr angeht, sehr ruhigen und nicht sehr bevölkerungsreichen Mecklenburg-Vorpommern ist der Effekt nur bei fünf bis zehn Prozent zu sehen“, sagt Volker Matthias. Hier trägt allerdings auch die Wetterlage im April maßgeblich zu den geringen Schadstoffkonzentrationen bei. Durch die vorherrschenden nordöstlichen Winde wurde sehr saubere Luft nach Norddeutschland geführt. Volker Matthias erklärt hierzu: „Dies hat besonders beim Feinstaub zu sehr geringen Konzentrationen geführt. Der Lockdown hatte hierauf nur einen geringen Einfluss.“
Die Studie zeigt, wie stark die Stickstoffdioxidkonzentrationen besonders in Städten zurückgingen, würden die Emissionen des Straßenverkehrs reduziert – und wenn weiter deutlich mehr Menschen von zu Hause aus arbeiten könnten. Andere Schadstoffe wie Ozon und Feinstaub hängen allerdings so stark vom Wetter ab, dass langfristige Veränderungen aufgrund des Klimawandels eine größere Rolle spielen könnten als Änderungen bei den Emissionen durch den Verkehr.
Die komplette Studie können Sie hier nachlesen.