Produktion

Wasser als Menschenrecht und Verpflichtung

Sauberes Trinkwasser ist die wichtigste Ressource der Menschen. Experten warnen seit Langem, dass viele Konflikte zukünftig um den Zugang zu frischen Wasserquellen geführt werden könnten. In Deutschland hat sich die Diskussion um die Verfügbarkeit des kostbaren Nass im vergangenen Jahr auch an der EU Wasserrahmenrichtlinie und der Geschäftsstrategie von Nestlé entzündet. Dabei wurde dem Unternehmen phasenweise sogar unterstellt, sein Geschäftsfeld auf die kommunale Wasserversorgung ausweiten zu wollen. Nicht nur in diesem Punkt zeigen die Fakten, dass der Streit an den realen Problemen häufig vorbeizugehen scheint.

13.12.2013

Der Zugang zu sauberem Wasser ist ein elementares Menschenrecht aber für viele noch immer Luxus. Foto: UN Photo/Fred Noyzoom
Der Zugang zu sauberem Wasser ist ein elementares Menschenrecht aber für viele noch immer Luxus. Foto: UN Photo/Fred Noy

Der Zugang zu Wasser ist ein elementares Menschenrecht. Das haben die Vereinten Nationen 2010 offiziell erklärt. Trotzdem leiden etwa 700 Millionen Menschen in 43 Ländern an akutem Wassermangel. Gleichzeitig berichtet die UNESCO, dass mehr als 2,5 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sanitären Anlagen haben. Das Problem liege dabei oftmals nicht an der Menge des global zur Verfügung stehenden Trinkwassers, sondern an fehlerhaften Strukturen, berichtet Roland Bernecker, Generalsekretär der Deutschen UNESCO-Kommission: „Wasser gibt es weltweit genug. Es ist jedoch ungleich verteilt. Oft wird Wasser auch gedankenlos verschwendet, weil es vielerorts nur wenig kostet.“

Landwirtschaft mit größtem Verbrauch

Gerade in Industrie- und Schwellenländern ist der individuelle Wasserverbrauch pro Einwohner zu hoch. So verbraucht ein deutscher Durchschnittsbürger pro Tag etwa 124 Liter. Dies sind zwar rund 20 Liter weniger als noch 1991, allerdings verschleiern diese Zahlen den Bedarf an Wasser zur Nahrungsmittelproduktion. Die Food and Agriculture Organization (FAO) vermutet, dass „2000 bis 5000 Liter Wasser nötig sind, um die tägliche Nahrung für einen Menschen zu produzieren“.

Für Dr. Judy Libra, Leibniz Institute für Agricultural Engineering (ATB) in Potsdam, ist daher auch die Landwirtschaft der wichtigste Hebel zur Reduzierung des globalen Wasserverbrauchs. Diese ist für über 70 Prozent [PDF - 2,5MB] des weltweiten Wasserverbrauchs verantwortlich. Auf dem diesjährigen World Food Day Colloquium 2013 betonte Libra: „Um den künftigen Herausforderungen effektiv begegnen zu können,  müssen wir die Effizienz innerhalb der gesamten Produktionskette erhöhen." 

Neben der Landwirtschaft ist die Industrie mit mehr als 20 Prozent des global geförderten Wassers der zweitgrößte Wassernutzer. Für viele Produkte wird Wasser im Herstellungsprozess oder zur Kühlung der Anlagen verwendet. Der direkte Wasserverbrauch von Privathaushalten - zu dem auch das tatsächliche Trinkwasser gehört - fällt mit weniger als sechs Prozent vergleichsweise bescheiden aus.

Eine fehlgeleitete Diskussion

Trotz dieser Zahlen wird eine der emotionalsten Diskussionen dennoch um das Abfüllen von Wasser als Mineral- oder Tafelwasser geführt. Dabei geht es um Umweltkosten der Verpackungen, Schadstoffmigration aus Kunststoffflaschen, Qualität im Vergleich zu Leitungswasser, Gewinnspannen der Unternehmen - und nicht zuletzt um die Frage von Wassernutzungsrechten und der grundsätzlichen Legitimität, mit Wasser Geld zu verdienen, wenn in Teilen der Welt das Menschenrecht auf Wasser nicht gewährleistet ist. Auffällig ist, dass diese Diskussionen meistens dort stattfinden, wo Wasser nicht wirklich knapp ist - während in Regionen, wo trinkbares Wasser Mangelware ist, Wasser in Flaschen von Betroffenen häufig als Teil der Lösung, und nicht als Teil des Problems gesehen wird.

Die Hersteller von Flaschenwasser können und wollen sich der Diskussion jedoch nicht entziehen. Deutlich wurde das in den letzten Monaten, als eine Kampagne rund um den Film „Bottled Life“ dem Lebensmittelkonzern Nestlé schwere Verfehlungen im Bereich Wasser vorwarf. Trotz einer Stellungnahme des Unternehmens führte die sich anschließende Debatte zu teilweise absurden Vorstellungen. Auf dem Höhepunkt der Diskussion warfen Gegner dem Konzern vor, auch in die kommunale Wasserversorgung einsteigen zu wollen, was Nestlé kategorisch verneinte, da dies nicht zum Geschäftsmodell des Unternehmens passen würde.

Gereinigtes und aufbereitetes Trinkwasser in Flaschen ist für Unternehmen heute auch ein Geschäftsmodell. Der Lebensmittelkonzern Nestlé verkauft von seiner erfolgreichen Marke Pure Life mehr als fünf Milliarden Liter im Jahr. Foto: Marion Lenzenzoom
Gereinigtes und aufbereitetes Trinkwasser in Flaschen ist für Unternehmen heute auch ein Geschäftsmodell. Der Lebensmittelkonzern Nestlé verkauft von seiner erfolgreichen Marke Pure Life mehr als fünf Milliarden Liter im Jahr. Foto: Marion Lenzen

Wasser als Grundrecht - Wasser als Business Case

Fakt ist allerdings, dass Nestlé mit dem Verkauf von Flaschenwasser mittlerweile viel Geld umsetzt. Der Anteil dieser Geschäftssparte am Gesamtumsatz belief sich nach eigenen Angaben auf etwa acht Prozent. 2008 verkaufte das Unternehmen alleine von seiner erfolgreichen Marke „Pure Life“ über fünf Milliarden Liter. Dabei greift Nestlé bei der Entnahme von Grundwasser häufig auf eigens angelegte Tiefbrunnen zurück - teilweise werden aber auch kommunale Quellen mitgenutzt. Der Generalverdacht: Durch die Nutzung des Grundwassers sinke der Wasserspiegel so stark, dass die Bevölkerung nicht mehr hinreichend Wasser zur Verfügung habe.

Etwa nahe der pakistanischen Stadt Sheikhupura, wo Nestlé eine Fabrik zur Abfüllung von „Pure Life“ betreibt. Der Film „Bottled Life“ berichtet von austrocknenden Brunnen in der Nachbarschaft und einer generellen Absenkung des Grundwasserspiegels. Nestlé verweist hingegen auf ein Umweltgutachten, dass vor der Inbetriebnahme der Fabrik erstellt wurde und auf die intensive Landwirtschaft, die in der Region mit mehr als 680.000 Brunnen für 95 Prozent der Wasserentnahmen verantwortlich ist.

Der Film kritisiert darüber hinaus, dass das Unternehmen den umliegenden Gemeinden keinen Zugang zum hochwertigen Wasser der Tiefbrunnen gewähre, was Nestlé bestreitet: Einige der Dörfer im Umfeld des Werkes hätten allerdings nicht um direkten Zugang zum Tiefbrunnen gebeten, sondern um Wasseraufbereitungsanlagen für die Brunnen in ihren Dörfern - und diese auch bekommen. Eine funktionierende öffentliche Wasserinfrastruktur existiert in der Region nicht.

Auch den Vorwurf, Nestlé würde sich gegen Gesetze für eine strengere Regulierung von Wasserrechten stemmen, weist das Unternehmen zurück. Vielmehr betonen die Verantwortlichen die Notwendigkeit, durch klare Nutzungsregeln auch Anreize für ein verantwortungsbewusstes Wassermanagement zu setzen. Dabei dürfe die Abfüllung von Wasser nicht einseitig benachteiligt werden. Gegenüber UmweltDialog verweist Nestlé auf das kanadische British Columbia: „In Kanada haben die Provinzen British Columbia und Ontario unterschiedliche Regelungen zu Wasserrechten. In British Columbia werden bislang keine Abgaben für Wasserentnahme erhoben. Das Wasserrecht ist wie in einigen US Bundesstaaten traditionell an den Grundbesitz gebunden. Wir sind nicht der Auffassung, dass diese Regelung noch zeitgerecht ist, da hiervon keine Anreize für einen sparsamen Umgang mit Wasser ausgehen. Aktuell bereitet die Provinzverwaltung eine revidierte Gesetzgebung vor. Nestlé unterstützt dies und hat bereits öffentlich erklärt, dass man die Einführung einer Wasserabgabe ausdrücklich unterstützt.“

Nestlé verweist auf Transparenz und Engagement

Generell fühlt man sich bei Nestlé zu unrecht an den Pranger gestellt. Schließlich arbeitet das Unternehmen schon seit vielen Jahren mit unabhängigen Organisation wie dem Water Disclosure Project [PDF-1MB:] zusammen und berichtet transparent zu allen Aktivitäten im Wassersektor. Dabei sei man bestrebt, den eigenen Wasserfußabdruck kontinuierlich zu reduzieren: In der Produktion habe man den Wasserverbrauch in den letzten 10 Jahren um 28 Prozent reduziert, und auch bei den Abfüllprozessen für Wasser verbrauche man deutlich weniger zusätzliches Frischwasser: 0,63 Liter pro Liter Flaschenwasser weniger als noch 2001.

Über das eigene operative Geschäft hinaus unterstütze man unternehmensübergreifende Initiativen wie das CEO Water Mandate und die Arbeit der Water Resource Group, die mit Studien und Beratung von lokalen Gebietskörperschaften und Stakeholdern die Verbesserung des Wassermanagements in wasserknappen Regionen vorantreiben will. Noch wichtiger ist aus Sicht von Nestlé aber der Umgang mit der knappen Ressource in der Landwirtschaft. Für das Unternehmen, das eine große Bandbreite von landwirtschaftlichen Rohstoffen verarbeitet, ist das von zentraler Bedeutung zur Sicherung seiner Lieferketten. Daher hat Nestlé Wassermanagement in der Landwirtschaft in die Arbeit der eigenen Agrarberater integriert: Von Schutzmaßnahmen für das Grundwasser in Milchdistrikten bis zur Einführung effizienter Bewässerungsmethoden und von trockenheitsresistenteren Pflanzensetzlingen.

In vielen Regionen bringt ausschließlich der Nestlé-LKW sauberes Trinkwasser in die Häuser. Hier eine Szene aus dem Film Bottled Life.zoom
In vielen Regionen bringt ausschließlich der Nestlé-LKW sauberes Trinkwasser in die Häuser. Hier eine Szene aus dem Film Bottled Life.

Unterschiedliche Wahrnehmung

Wie schwierig es für die Öffentlichkeit ist, sich ein objektives Bild zu machen, verdeutlicht das Beispiel eines südafrikanischen Fabrikarbeiters, der in der WDR-Dokumentation „Wem gehört das Wasser“ in Szene gesetzt wird. Der Arbeiter wohnt mit seiner Familie in einer informellen Siedlung in der Nähe des Nestlé Werkes in Dornkloof, Südafrika. Zugang zu Leitungswasser gibt es in der nicht genehmigten Siedlung nicht. Der Vorwurf: Nestlé kümmere sich nicht einmal um den Zugang der eigenen Mitarbeiter zu Wasser - die Angestellten erhielten während ihrer Zwölfstundenschichten nur einen Liter Wasser. Nestlé hält in einer Stellungnahme dagegen: „Die Mitarbeiter haben während der gesamten Arbeits- und Pausenzeit freien Zugang zu Trinkwasser. Darüber hinaus bekommen sie pro Tag 2 Flaschen à 0,5 Liter und haben außerdem Zugang zu einer kostenlosen Trinkwasserleitung, die sich außerhalb der Nestlé-Fabrik befindet und allen Bewohnern des umliegenden Dorfes zur Verfügung steht.“ Allerdings sehe man es nicht als Aufgabe des Unternehmens an, unter einer staatlichen Schnellstraße hindurch eine Wasserleitung in den Slum selber zu legen.

Widersprüchliche Signale

Dieses Beispiel zeigt anschaulich, wie unterschiedlich die Sichtweisen von NGOs und Unternehmen bei der Bewertung von Nestlé Aufgaben in Entwicklungsländern sind. Sorgt alleine die Vermutung, Nestlé wolle auch die kommunale Infrastruktur übernehmen, in Zentraleuropa für einen empörten Aufschrei, ist das Unternehmen nach dem Willen einiger Organisationen in Entwicklungsländern genau hierfür in der Pflicht, um dem Menschenrecht auf Wasser Geltung zu verschaffen. Die Behauptung, Nestlé würde die lokale Bevölkerung stattdessen mit seinem Flaschenwasser abhängig machen, klingt vor diesem Hintergrund widersprüchlich. Das Unternehmen füllt mit dem Angebot von gereinigtem und für die Gesundheit unbedenklichem Flaschenwasser vielmehr eine Lücke, die durch das Versagen von staatlicher Infrastruktur überhaupt erst entstehen konnte.

Mittlerweile hat sich die Kontroverse auch überwiegend in die sozialen Netzwerke verlagert. Während verschiedene „Petitionen“ und Boykottaufrufe für ein lautes Grundrauschen sorgen, tauchen dabei aber auch immer mehr besonnene Stimmen auf, wie etwa im Blog von Richard Hall, Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft Zenith International, auf FoodBev - die Diskussion gehe am Ziel völlig vorbei und Nestlé sei schlicht und einfach das falsche Ziel für das eigentlich legitime Anlegen, Menschen den Zugang zu Wasser zu sichern.

Quelle: UD
 

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