Business Case

Küchenmöbelindustrie meistert Corona-Krise recht gut

Ostwestfalen-Lippe ist das Zentrum der deutschen Küchenmöbelindustrie. Zwar ist auch diese Branche von der Corona-Krise betroffen, die Aussichten sind aber vergleichsweise günstig. Das liegt auch daran, dass mit der „Küchenmeile A30“ ein Format existiert, das als Vorbild für Messen in Pandemie-Zeiten dienen könnte.

08.06.2020

Küchenmöbelindustrie meistert Corona-Krise recht gut
area30 2019

Nordrhein-Westfalen sei das „Land der Küchenbauer“, sagte NRW-Ministerpräsident Armin Laschet laut WDR und erntete dafür viel Kritik. Tatsächlich ist nach Einschätzung des NRW-Wirtschaftsministeriums aber gerade Ostwestfalen-Lippe ein Zentrum des deutschen Möbelbaus sowie der Küchenmöbelproduktion und verantwortlich für zwei Drittel der gesamten deutschen Umsätze in diesem Marktsegment. Das entspricht laut Regionalmarketinggesellschaft OWL GmbH rund 2,5 Milliarden Euro pro Jahr.

Die Corona-Krise hat natürlich auch der Möbelindustrie schwer zugesetzt. Bereits Mitte April meldete der Verband der Deutschen Möbelindustrie (vdm), dass 40 Prozent seiner Mitgliedsbetriebe die Produktion wegen mangelnder Auftragseingänge eingeschränkt und 15 Prozent sie sogar eingestellt hatten. Nahezu alle Unternehmen beklagten gestörte Lieferketten. In Ostwestfalen-Lippe sind unter anderem Häcker-Küchen in Rödinghausen und Eggersmann in Hiddenhausen von Kurzarbeit betroffen, wie das Westfalen-Blatt und moebelmarkt.de berichteten. Ende April musste der schon zuvor kriselnde Herforder Hersteller Poggenpohl sogar Insolvenz anmelden. Auch Brigitte Küchen aus Hiddenhausen hatte Kurzarbeit eingeführt und eine Insolvenz in Eigenverantwortung beantragt, die mittlerweile erfolgreich abgeschlossen wurde.

Küchenmöbelindustrie steht recht gut da

Trotzdem steht die Küchenmöbelindustrie nach Einschätzung von Jan Kurth, Geschäftsführer des Verbands der deutschen Küchenmöbelindustrie (VdDK), noch recht gut da: „Küchenmöbel sind das Segment mit den geringsten Umsatzrückgängen.“ Die Branche sei wegen längerer Planungsfristen und einem recht konstanten Bedarf an Küchen bei Neu- und Umbauten vergleichsweise weniger störanfällig. Noch zehrten die „Küchenmöbler“ von hohen Auftragsbeständen zu Jahresbeginn. Andere Hersteller beklagten hingegen bereits jetzt rückläufige Auftragseingänge im hohen zweistelligen Prozentbereich.

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In dieser Situation wären Messen „essentiell, um die Wirtschaft zügig und nachhaltig wieder in Gang zu bringen“, betont der Verband der Messewirtschaft AUMA. Sie gehören laut AUMA-Messe-Trend 2019 zu den wichtigsten Marketing-Instrumenten in der B2B-Kommunikation. Jan Kurth vom VdDK sieht das genauso. Im B2B- wie auch im B2C-Küchenmöbelgeschäft sei der persönliche Kontakt unverzichtbar. Die Materie sei „deutlich komplexer“ als beispielsweise der Verkauf von Kleinmöbeln und könne durch Online-Angebote nur schlecht ersetzt werden.

Allerdings sind Großveranstaltungen wie Messen noch bis in den Spätsommer hinein untersagt. Internationale Möbel-Leitmessen wie die Mailänder Möbelmesse mit der Eurocuccina oder die China International Furniture Fair waren davon betroffen, anders als die „imm cologne“. Denn die wichtigste deutsche Möbel-Fachmesse, findet jährlich im Januar statt, dieses Jahr also knapp bevor die Pandemie das Wirtschaftsleben durcheinander brachte.

Küchenmeile A30 hat „echte Alleinstellung“

Derzeit sieht es also so aus, dass auch das Messegeschäft der deutschen Küchenmöbelindustrie nur wenig durch die Corona-Krise beeinträchtigt wird. Bereits am 19. September 2020 startet mit der dezentralen Küchenfachmesse Küchenmeile A30 ein weiteres wichtiges Branchenevent. Für die Küchenmeile A30 haben sich regionale Küchenmöbelhersteller zu einer Marketinggemeinschaft zusammengeschlossen und präsentieren bereits seit 1998 ihr Angebot in eigenen, werksnahen Ausstellungsräumlichkeiten oder an Orten wie dem Gut Böckel bei Rödinghausen. Erst Ende Mai bekräftigten 21 Unternehmen auf der Mitgliederversammlung laut VdDK-Mitteilung, dass sie an den Hausmessen zur Küchenmeile A30 festhalten wollen. Acht Hersteller verzichten hingegen auf eine Beteiligung, darunter auch der Küchengeräte-Produzent Miele.

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Das Internet-Portal moebelkultur.de bescheinigt der Küchenmeile eine „echte Alleinstellung“. Die Besucherströme konzentrieren sich nicht auf ein Messezentrum, sondern verteilen sich auf verschiedene Orte entlang der Autobahn 30. Wichtige Industrie- und Handelspartner werden im kleineren Rahmen mit passgenauen Angeboten direkt angesprochen. Davon profitieren beide Seiten, was auch den etwas höheren Aufwand für diese Art von Hausausstellungen rechtfertigt, wie vom VdDK verlautet. Die Küchenmeile A30 erscheint somit geradezu als Prototyp für Marketing- und Vertriebsevents in Pandemie-Zeiten.

Begleitet wird die Küchenmeile von der zehnten Fach- und Ordermesse area30 in Löhne mit etwa 150 Ausstellern und etwa 15.000 Besuchern. Nur einen Tag später öffnet außerdem in Bad Salzuflen die Möbelmesse „M.O.W.“ mit über 400 Ausstellern. Für eine gute Woche wird OWL also zum Möbel-Messe-Hot-Spot.

Angesichts des vollen Messe-Kalenders der nächsten Monate sind die Aussichten auf neue Aufträge für die Küchenmöbelindustrie recht günstig. Sogar einen leichten Nachfrageboom hält Jan Kurth für möglich. Immerhin hätten viele Menschen zu Hause nun Zeit gehabt, Ideen und Träume für ihre Küchen zu entwickeln. Der Staat könne die Konjunktur durch gezielte Maßnahmen wie die Abschaffung des „Soli“ unterstützen – „aber bitte branchenneutral!“, um nicht einseitig die Autoindustrie zu bevorzugen.

 
 

Miele verzichtet auf die Küchenmeile A30

Miele-Messestand auf der Küchenmeile A30 2019zoom
Miele-Messestand auf der Küchenmeile A30 2019

Auch der Gütersloher Küchengeräteproduzent Miele, der in OWL weitere Werke in Bielefeld und Bünde unterhält, ist natürlich von der Corona-Krise betroffen. Zum 1. April wurde Kurzarbeit an allen Standorten eingeführt – nach einem laut Unternehmensmitteilung „sehr erfolgreichen Start in das Geschäftsjahr“. Bereits nach drei Wochen nahmen aber alle Werke die Produktion wieder auf. Weil die Zuliefersituation teilweise kritisch sei, könne sich dies für einzelne Unternehmensteile aber auch wieder ändern, sagte Miele-Technik-Geschäftsführer Dr. Stefan Breit Ende April. „Wir produzieren auf Sicht, fest planbar sind maximal zehn Tage“, fügte er hinzu.

Während die Küchenmöbelhersteller sich bereits auf die regionalen Messen im Herbst vorbereiten, plant Miele anders. Für die Gütersloher ist unter anderem die internationale Messe für Consumer Electronics und Home Appliances IFA in Berlin besonders wichtig, erklärt Bernhard Hörsch, Leiter Vertrieb der Miele Vertriebsgesellschaft Deutschland, gegenüber UmweltDialog. Diese falle aber aus.

Obligatorisch sei für die Gütersloher normalerweise auch die Beteiligung an der Küchenmeile A30. „Jedoch machen die Corona-bedingten Erschwernisse den gewohnten persönlichen Austausch und die angenehmen und effektiven Gespräche auf dem Messestand praktisch unmöglich!“, sagt Bernhard Hörsch: „Wir haben daher entschieden, dass unsere gewohnte Ausstellung auf Gut Böckel in diesem Jahr nicht stattfinden wird. Zugleich überlegen wir intensiv, in welcher Form sich im Umfeld dieser Küchenmeile der Austausch mit dem Küchenfachhandel pflegen lässt, zum Beispiel auch mit digitalen Maßnahmen.“

Quelle: UmweltDialog
 

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