Klimawandel

COP21: Energiesektor hat oberste Priorität

Die Konzentration der Treibhausgase in der Atmosphäre ist seit Beginn der Industrialisierung stark angestiegen. Dabei hat insbesondere der Energiesektor durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe erheblich zur globalen Erderwärmung und damit dem Klimawandel beigetragen. 2015 könnte nun ein wegweisendes Jahr werden, denn die internationale Staatengemeinschaft hofft auf ein neues Klimaschutzabkommen. Und um hier zwingend erforderliche Emissionsreduktionen zu erreichen, geht kein Weg am Energiesektor vorbei.

07.07.2015

Im Dezember dieses Jahres wird Paris Schauplatz für etwas, das sich COP21 nennt – die 21. Konferenz der Vertragsparteien des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen. Der neusten Auflage des UN-Klimagipfels wird eine enorme Wichtigkeit beigemessen, soll es hier doch zur Verabschiedung einer neuen Klimaschutzvereinbarung in Nachfolge des Kyoto-Protokolls kommen. Und diese soll dabei erstmals für alle 196 Länder verbindliche Ziele beinhalten, um die globale Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu beschränken. Hohen Erwartungen steht dabei die Sorge gegenüber, dass sich die Kopenhagen-Konferenz aus dem Jahr 2009 wiederholen könnte, bei der man vergeblich versuchte, ein neues Regelwerk zu beschließen. Doch die Vorzeichen scheinen diesmal vielversprechend.

Erst vor ein kurzem äußerte sich Ban Ki-moon, Generalsekretär der Vereinten Nationen, im Rahmen des 17. Kongresses der Weltorganisation für Meteorologie in Genf: „Dieses Jahr werden Regierungen wegweisende Entscheidungen in Bezug auf nachhaltige Entwicklung und Klimawandel treffen. 2015 muss ein Jahr für globale Aktionen sein.“ Dabei appellierte er an die Wissenschaft, dass diese Regierungen und Unternehmen alle erforderlichen Erkenntnisse für Entscheidungen zur Eindämmung des Klimawandels liefern müssten.

Auf dem Weg nach Paris ist dies ist nur eines von mehreren ermutigenden Anzeichen, dass Politik, Wirtschaft und Gesellschaft dem Thema Klimawandel zurzeit eine zentrale Bedeutung zusprechen. Ob das historische Abkommen zwischen den USA und China zur Reduktion ihres CO2-Ausstoßes, die Umwelt-Enzyklika des Papstes oder der G7-Beschluss zur Dekarbonisierung – Klimaschutz ist momentan hoch oben auf der Agenda.

Nun hat sich auch die Internationale Energieagentur (IEA) zu Wort gemeldet und ihren neusten Weltenergie-Bericht in Form einer Sonderausgabe zum Thema Energie und Klimawandel veröffentlicht. Im Jahr 1974 von Industrienationen als autonome Institution gegründet, galt die IEA lange als Fach- und mitunter sogar als Lobby-Organisation, die sich für eine sichere Energieversorgung basierend auf fossilen Energieträgern aussprach. Doch ihr neuester Bericht kommt nun wie ein Paukenschlag daher – und das in einer Zeit, in welcher von uns als letzter Generation gesprochen wird, die den Klimawandel noch effektiv zu bekämpfen vermag.

Die Zeit dränge, leitet die IEA ihren 200-Seiten-Bericht unter Verweis auf frühere Studien ein, welche bereits die jährlich steigenden Kosten sowie die zunehmende Schwierigkeit der Minderung von Treibhausgasemissionen zeigten. Produktion und Nutzung von Energie machten zwei Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen aus, weshalb dieser Sektor auch eine zentrale Rolle im Kampf gegen den Klimawandel und damit bei COP21 übernehmen müsse. Dabei sei es notwendig, dass tiefe Einschnitte bei diesen Emissionen zustande kämen, während das globale Wirtschaftswachstum erhalten bliebe. Auch müsse die weltweite Energieversorgungssicherheit gewährleistet sein, indem vor allem die ärmsten Menschen der Welt Zugang zu modernen Energietechniken erhielten. Zusagen dieser Art seien dabei nicht nur dringend erforderlich, sondern machten auch wirtschaftlich Sinn.

Abb. 1: Global errichte Stromerzegungskapazität nach erneuerbaren Energieträgern, 2000-2014.
Abb. 1: Global errichte Stromerzegungskapazität nach erneuerbaren Energieträgern, 2000-2014.

Seit letztem Jahr können wir eine Entwicklung beobachten, wie sie seit 40 Jahren nicht möglich war – die Entkopplung von Wirtschaftswachstum und energiebezogenen Emissionen. In 2014 wuchs die Weltwirtschaft um ca. drei Prozent, während die Kohlendioxid (CO2)-Emissionen des Energiesektors konstant blieben. Dies hat prinzipiell zwei Gründe: Zum einen haben wir eine schnelle Expansion kohlensoffarmer Technologien: Erneuerbare Energieträger, wie z.B. Wind, Solar oder Wasserkraft, machten fast die Hälfte der in 2014 neu geschaffenen Stromerzeugungskapazität aus (vgl. Abb. 1) – vor allem aufgrund des Wachstums in China, gefolgt von den USA, Japan und Deutschland. Zum anderen kam es zu einer Reduzierung der weltweiten Energieintensität (im Durchschnitt um 2,3 Prozent), was sich neben der verbesserten Energieeffizienz auch auf strukturelle Änderungen in einigen Volkswirtschaften zurückzuführen lässt.

Ein weiterer an Bedeutung gewinnender Aspekt im Rahmen der Bekämpfung des Klimawandels im Energiesektor ist die Einpreisung von Kohlenstoff. Laut IEA-Angaben stammen ca. elf Prozent der weltweit energiebezogenen CO2-Emissionen aus Regionen, in welchen ein entsprechender CO2-Markt bzw. ein Emissionshandelssystem (Emission Trading Scheme, ETS) vorhanden ist. Diesem stehen jedoch 13 Prozent gegenüber, welche in Regionen mit Subventionen für fossile Brennstoffe emittiert werden. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die auf internationalen Finanzmärkten gehandelte Tonne CO2 für momentan rund 7 US-Dollar implizit mit 115 US-Dollar bezuschusst wird (vgl. Abb. 2).

Abb. 2: Energiebezogene CO2-Emissionen in ausgewählten Regionen.
Abb. 2: Energiebezogene CO2-Emissionen in ausgewählten Regionen.

Doch auch in diesem Zusammenhang zeichnen sich immer mehr positive Trends ab. Nicht nur kommt es derzeit zu der Reform bereits bestehender Emissionshandelssysteme (bspw. EU), auch ziehen immer mehr Staaten nach und führen eigene Systeme ein (bspw. Südkorea, China). Des Weiteren nutzten Länder wie z.B. Indien, Indonesien, Malaysia und Thailand die gegenwärtig niedrigen Ölpreise, um ihre Subventionen für fossile Brennstoffe abzubauen.

Vor diesem Hintergrund argumentiert die IEA, dass um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen – und das sind ungewohnt deutliche Töne – bereits im Jahr 2020 der Scheitelpunkt globaler energiebezogener CO2-Emissionen erreicht werden müsse. Dieses sog. „Bridge Szenario“ ließe sich mit bekannten Technologien und Richtlinien, als auch ohne jegliche Einschränkung der Wirtschafts- und Entwicklungsaussichten der Staaten umsetzen. Fünf Maßnahmen sowie deren kurzfristige Umsetzung seien erforderlich, damit das Bridge Szenario einträfe:

  • Anstieg der Energieeffizienz im Industrie-, Gebäude- und Transportsektor
  • Progressive Reduzierung des Gebrauchs der am wenigsten effizienten Kohlekraftwerke und Verbot ihres Baus
  • Erhöhung der Investitionen in erneuerbare Energietechnologien im Energiesektor von 270 Milliarden Dollar im Jahr 2014 auf 400 Milliarden Dollar im Jahr 2030
  • Allmähliche Abschaffung von Subventionen für fossile Brennstoffe für Endnutzer bis 2030
  • Reduzierung der Methanemissionen bei der Öl- und Gasproduktion

Im Rahmen der letztjährigen Klimakonferenz in Lima wurde beschlossen, dass alle Mitglieder im Vorfeld von COP21 eigene nationale Beiträge (sog. Intended Nationally Determined Contributions, INDCs) vorlegen, welche dann Basis für die Verhandlungen in Paris werden.

In Anbetracht der Tatsache, dass – Stand 14. Mai – erst ein Bruchteil der Staatengemeinschaft (verantwortlich für 34 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen) Zusagen bei der UN vorgelegt hat, betont die IEA die absolute Notwendigkeit ambitionierter Beiträge. Jedoch verweist sie an dieser Stelle auch auf ländertypische Ausgangsbedingungen, welche im Zuge der Verhandlungen und des Beschlusses berücksichtigt werden müssen.

Generell ist eine Grundvoraussetzung für den Erfolg der bevorstehenden Klimakonferenz die Eigeninitiative der teilnehmenden Staaten. Anstatt allgemeine Grenzen für Emissionen zu bestimmen und darauffolgend zu deren Einhaltung zu zwingen, sollten sich Länder proaktiv mit eigenen Plänen engagieren, welchen dann im Zweifel mehr Ambition nahegelegt werden kann. Hierdurch können Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft gleichermaßen in die Pflicht genommen werden, einen Beitrag in Form von zukunftsfähigen Lösungen zu leisten.

Klar ist auch, dass checks and balances, also die gegenseitige Kontrolle, von elementarer Bedeutung für die weltweite Transformation hin zu einem kohlenstoffarmen Energiesektor sind. Aus diesem Grund schlägt die IEA auch einen Fünfjahresplan mit regelmäßiger Revision vor, in dessen Rahmen die nationalen Fortschritte bei der Reduktion der Treibhausgasemissionen geprüft und gegebenenfalls neue Anreize geschafft werden können.

Letzten Endes kann die Frage, ob 2015 das Jahr wird, in dem die staatlichen Eliten ernst gemeinte Schritte in Sachen Klimaschutz unternehmen, momentan noch nicht beantwortet werden. So groß die Herausforderungen erscheinen mögen, es präsentiert sich parallel auch eine enorme Chance, der langfristig gesehen wahrscheinlich größten Gefahr für unseren Planeten mit einer glaubwürdigen Vision entgegen zu treten. Die zentrale Botschaft des IEA-Berichts bringt es auf den Punkt: „Die Welt muss schnell lernen, innerhalb ihrer Grenzen zu leben, wenn diese Generation sie mit einem reinen Gewissen der nächsten übergeben soll."

Quelle: UD
 

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