Energiewende

Woher kommt Deutschlands Wasserstoff?

Wer sich mit der Energiewende beschäftigt, kommt um das Thema Wasserstoff nicht herum. Das Element eignet sich nämlich als CO2-neutraler Energieträger. Für die nachhaltige Herstellung braucht man allerdings Erneuerbare Energien – und die werden in Deutschland nicht ausreichen, um unseren Bedarf bis 2030 zu decken. Sind also Wasserstoffimporte eine Lösung?

07.02.2022

Woher kommt Deutschlands Wasserstoff?

Im Periodensystem ist er nur ein Buchstabe und eine Zahl, in der Nachhaltigkeitsdebatte gilt er als klimaneutraler Energieträger der Zukunft: Wasserstoff (H2) ist das häufigste Element in unserem Universum. Immerhin 75 Prozent der gesamten Masse in unserem Sonnensystem bestehen daraus, erklärt der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Der große Vorteil von Wasserstoff ist, dass er Energie speichern und abgeben kann ohne dabei CO2 auszustoßen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWi) bezeichnet Wasserstoff daher als „Schlüsselelement für die Energiewende“. Klimafreundlich hergestellt ermögliche er es, dort CO2-Emissionen zu verringern, wo die Nutzung von erneuerbaren Energien und mehr Energieeffizienz nicht ausreichen, beispielsweise in Industrie und Verkehr.

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So kann Wasserstoff in der Energiebranche als transportierbarer Speicher für erneuerbare Energien eingesetzt werden, weiß der BDEW. Auch für die Wärmeversorgung biete er sich an. Derzeit sei es möglich, Wasserstoff bis zu fünf Prozent in die hiesigen Gasnetze einzuspeisen (Pilotprojekte testen bereits die Einspeisung von bis zu 20 Prozent). Im Bereich Mobilität kann das Element gemeinsam mit der Brennstoffzelle als Kraftstoff Emissionen im Schwerlastverkehr reduzieren und ihn so klimafreundlicher machen. Großes Potenzial hat Wasserstoff auch in der Industrie: Prozesse, für die Erdgas oder Kohle benötigt werden, könnten zukünftig ebenfalls auf den nachhaltigen Energieträger umgestellt werden. Dazu zählt zum Beispiel die energieintensive Stahlproduktion (mehr dazu lesen Sie auch in unserem Beitrag „Wasserstoff: die ‚grüne Batterie der Energiewende‘?“).

Grüne Energie für Grünen Wasserstoff

Aber damit wir Wasserstoff überhaupt nutzen können, müssen wir ihn herstellen, denn auf der Erde kommt das Element nur gebunden vor, zum Beispiel in Wasser, Methan oder auch Erdöl, so der BDEW. Der Energieträger kann unter anderem aus Erdgas unter Zugabe von Wasserdampf erzeugt werden. Dabei entsteht allerdings CO2. Deutlich nachhaltiger ist die Elektrolyse (das wird auch als Power-to-Gas-Verfahren bezeichnet). Dabei wird Wasser mit Hilfe von Strom in die Bestandteile Sauerstoff und Wasserstoff zerlegt. Das Verfahren ist, wenn der eingesetzte Strom aus erneuerbaren Energien stammt, CO2-neutral – der Wasserstoff wird dann als „grün“ bezeichnet. „Nur Grüner Wasserstoff ist wirklich klimafreundlich. Denn nur Grüner Wasserstoff ist ohne fossile Rohstoffe produzierbar“, meint daher das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Auch in der Nationalen Wasserstoffstrategie ist vor allem von grüner Wasserstofferzeugung die Rede.

Diese grüne Wasserstoffproduktion ist derzeit aber noch nicht wirtschaftlich. Es gibt aktuell keine industrielle Produktion, berichtet die Deutsche Welle. Die klimaneutrale Herstellung sei daher dreimal teurer als die Herstellung von Grauem Wasserstoff (das heißt bei der Erzeugung entsteht CO2). Die meisten Elektrolyseanlagen sind laut dem Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) Demonstrations- und Pilotprojekte in kleinem Maßstab. Insgesamt stünden hierzulande 34 solcher Power-to-Gas-Anlagen. In Hamburg gebe es aber eine erste Industrieanlage, die fünf Megawatt Grünen Wasserstoff erzeugt. Weitere Anlagen – darunter auch eine 100 Megawatt-Anlage – seien in Planung.

Die Windkraft ist ein wichtiger Baustein der Energiewende.

Es fehlt an Erneuerbaren

Neben der fehlenden Wirtschaftlichkeit liegt in der klimaneutralen Produktion eine weitere Schwierigkeit: Die Bundesregierung erwartet bis 2030 einen Wasserstoffbedarf von 90 bis 110 Terrawattstunden. Die in Deutschland erzeugte Menge an erneuerbaren Energien wird aber nicht ausreichen, um den benötigten Wasserstoff klimaneutral herzustellen, zeigt die Nationale Wasserstoffstrategie. Um den zukünftigen Bedarf zu decken, will die Bundesregierung daher auch auf Wasserstoffimporte und internationale Kooperationen setzen. Das Problem: Auch mit Importen können wir die Versorgungslücke voraussichtlich nicht schließen, hat eine Studie vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW), dem Fraunhofer UMSICHT und dem Wuppertal Institut ergeben. Laut den Forschenden liegt das unter anderem daran, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Ländern wie den Niederlanden, Chile, Marokko und Spanien nur langsam vorangeht. Die anvisierten Elektrolysekapazitäten in diesen Beispielländern sind außerdem nicht ausreichend, „um sowohl die eigene Nachfrage als auch mögliche Exporte vollumfänglich abdecken zu können“, heißt es in der Studie.

Wie kann man Wasserstoff nachhaltig transportieren?

Auch der Transport von Wasserstoff ist mit Herausforderungen verbunden. Generell lässt sich der Energieträger in verschiedenen Formen transportieren, zum Beispiel in Gasform über Pipelines oder auch das bereits vorhandene Erdgasnetz. Dies ist allerdings relativ unflexibel, da Pipelines „nur angeschlossene Nutzer versorgen können“, meint die Forschungsstelle für Energiewirtschaft (FfE). Möglich sei auch der Transport per Lkw von Wasserstoff in komprimierter oder flüssiger Form. Das Verflüssigen des Elements erfolge unter sehr niedrigen Temperaturen, was wiederum viel Energie erfordere. Der Lkw-Transport eigne sich vor allem für kürzere Strecken, da für jede einzelne Fahrt hohe Kosten anfallen würden. Für lange Strecken sei eher der Transport per Schiff sinnvoll, ebenfalls in flüssiger Form. „Gleichzeitig bleibt das Problem der hohen Verluste für die Verflüssigung bestehen.“ Darüber hinaus könne man Wasserstoff in andere chemische Verbindungen wie Ammoniak oder flüssige organische Wasserstoffträger (LOHC) umwandeln, um ihn zu transportieren. Bei der Umwandlung gehe aber ebenfalls Energie verloren, zudem seien die nötigen Anlagen teuer.

Die Nationale Wasserstoffstrategie sieht daher den Ausbau der Transportlösungen und die Einführung von Transportstandards vor. Auf den Wasserstoffimport bezogen, meinen die Forschenden vom IW, dem Fraunhofer Umsicht und dem Wuppertal Institut allerdings, dass der Transport vor allem größerer Mengen per Schiff oder Pipeline nicht schnell genug umgesetzt werden kann. Diese Art der Wasserstoffbeförderung sei noch in der Entwicklungs- und Genehmigungsphase. „Stand heute wäre der Transport nur über LKW denkbar. Diese können jedoch pro Fahrt nur geringe Mengen transportieren und stoßen dabei aktuell selbst noch CO2 aus, wodurch die Nachhaltigkeit des Wasserstoffs gemindert wird“, äußert sich das Fraunhofer UMSICHT gegenüber der Presse.

Wir brauchen mehr, schneller, gemeinsam

Die inländische nachhaltige Produktion von Wasserstoff muss also deutlich erhöht werden, fordern die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. In diesem Zusammenhang brauche es auch mehr grüne Energie. Zudem sollten die Genehmigungsverfahren für Erzeugungs- und Transportlösungen schneller werden. Sich von Importen gänzlich abzuwenden wäre aber ein Fehler, findet Dr. Christoph Glasner, Studienautor des Fraunhofer UMSICHT. „Auch, wenn ein großskaliger Import von Wasserstoff in 2030 im Prinzip nicht möglich sein wird, so müssen trotzdem insbesondere die Infrastrukturen für die Wasserstoffherstellung, -logistik und ggf. Umwandlung in Derivate jetzt schon geplant und Genehmigungsverfahren eingeleitet werden.“ Langfristig könnten nämlich „durchaus bedeutsame Mengen an grünem Wasserstoff nach Deutschland geliefert werden.“ Hierzu bräuchte es aber ein gemeinsames Vorgehen in Europa.

Kommt in Deutschland eine Wasserstoff-Gigafabrik?

Belgische Investoren wollen bei Wilhelmshaven einen großen Umschlagsplatz für Wasserstoff und CO2 errichten, berichteten kürzlich mehrere Medien, beispielsweise die Welt. Ab 2027 sollen dort etwa eine halbe Millionen Tonnen Wasserstoff aus synthetischem Methan (entsteht aus Wasserstoff und CO2), das im dem Mittleren Osten hergestellt wird, gewonnen werden. Das entspräche bereits fast der Menge an Wasserstoff, die die hiesige Bundesregierung für die deutsche Wasserstoffproduktion ab 2030 vorsieht. Ab 2045 solle die Anlage schließlich etwa 17 Millionen Tonnen Wasserstoff produzieren können. Gleichzeitig könne man von dort 43 Millionen CO2, das bei Unternehmen in Deutschland anfällt, abtransportieren. Dieses soll dann wiederum zur Herstellung des synthetischen Methans verwendet werden. So entsteht ein Wasserstoff-CO2-Kreislauf.

Quelle: UmweltDialog
 

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