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Gelebte Verantwortung und aussagekräftige Zahlen

Rechnungslegungsstandards und die Tendenz zur Inszenierung haben die Geschäftsberichte großer Kapitalgesellschaften in den vergangenen Jahren immer stärker aufgebläht. Dabei werden die drängenden Fragen der Zeit im CSR-Bericht behandelt.

05.10.2015

Gelebte Verantwortung und aussagekräftige Zahlen

Heute denken wir, er sei in Stein gemeißelt vom Himmel gefallen. Tatsächlich aber hat auch der Geschäftsbericht eine Historie. War er bis vor wenigen Jahren noch ein reiner HGB-Rechenschaftsbericht für die Gläubiger der Kapitalgesellschaften, erlebte er inzwischen, im Windschatten angelsächsischer Vorbilder, eine Bilderbuchkarriere als investorenorientierte Publikation. Fortan galt der Geschäftsbericht in Fachkreisen als Königsdisziplin der Unternehmenskommunikation. Denn er stellte (jedenfalls in der Theorie!) nicht nur die Zahlen eines abgelaufenen Geschäftsjahres sauber dar, sondern gab durchaus auch Prognosen für den weiteren Geschäftsverlauf und die damit verbundenen Risiken ab – eine wirksame Werbemaßnahme, um das Vertrauen der Interessengruppen zu gewinnen. Der Geschäftsbericht wurde somit zu einem Werk, das den Spagat zwischen Information und Inszenierung vollzog, ein Januskopf zwischen Rechenschaftsbericht und Imagekampagne.

Nach dem Paradigma ist vor dem Paradigma

Aber alles hat seine Zeit, und deshalb möchte ich mich hier mit einem bescheidenen Vorschlag aus dem Fenster lehnen: Anstatt mit Hochdruck und manchmal auf Biegen und Brechen an den Möglichkeiten der Einarbeitung nichtfinanzieller Indikatoren in den Geschäftsbericht zu arbeiten – wie wäre es, wenn man stattdessen die wesentlichen Zahlen und Informationen in den CSR-Bericht integrierte? Das wäre nicht nur im Reporting ein Paradigmenwechsel. Es wäre auch ein Indiz dafür, dass die Wirtschaft die Zeichen der Zeit verstanden hat. Was wir brauchen, ist eine unternehmerische Philosophie, in der Geschäft und nachhaltiges Wirtschaften auf das Gleiche hinauslaufen.

Funktion versus Korsett

Mit dieser Idee stehe ich natürlich nicht allein. Wo es um integrierte Berichterstattung geht, schwirrt manchem der Kopf vor innovativen Ideen. Seit Jahren arbeitet beispielsweise das International Integrated Reporting Council (IIRC) an einer Handlungsanleitung für den Aufbau einer Berichtsarchitektur, bei der die Darstellung von finanziellen und nichtfinanziellen Kennzahlen sinnvoll verknüpft wird. Unterstützung findet die branchenübergreifende Initiative gleichermaßen bei Vorständen wichtiger globaler Konzerne wie bei Verbänden, Finanzinstituten und Standardisierungsorganisationen. Auch die Global Reporting Initiative (GRI) und die großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften stellen sich hinter den Vorstoß.

Wie wäre es, wenn man stattdessen die wesentlichen Zahlen und Informationen in den CSR-Bericht integrierte?

 
 

Was mit der praktischen Umsetzung des IIRC-Rahmenkonzepts bisher kollidiert: der Anspruch an Vergleichbarkeit und Verifizierbarkeit von Daten, dem weder die CSR-Berichte der vergangenen Jahren noch die ersten integrierten Berichte deutscher Konzerne wirklich gerecht werden. Auf der anderen Seite war es dieser Anspruch, der den Geschäftsbericht in den vergangenen Jahren in sein Formkorsett zwängte. Denn die Globalisierung der Finanzmärkte verlangte nach verlässlichen, international vergleichbaren Informationen, um das Risiko der Fehlallokation finanzieller Mittel zu minimieren. Seit rund zehn Jahren ist deshalb für kapitalmarktorientierte Unternehmen in Deutschland eine Bilanzierung nach den International Financial Reporting Standards vorgeschrieben – die eine praktikable Vergleichbarkeit allerdings auch nur bedingt gewährleisten.

Geschäftsberichte mit Adipositas

Was die internationalen Rechnungslegungsstandards in den vergangenen Jahren definitiv nicht erreicht haben ist eine Verschlankung der Geschäftsberichte. Die Anhänge mit den ergänzenden IFRS-Erklärungen zu den Positionen im Jahresabschluss sind kontinuierlich gewachsen und haben die Berichte der großen Konzerne zu üppigen Werken anschwellen lassen. Hinzu kommt, dass die Komplexität und die regelmäßigen Anpassungen der IFRS durch das International Accounting Standards Board (IASB) häufig für Fragen zur Auslegung und zum notwendigen Umfang bei der praktischen Umsetzung sorgen und die Erstellung des IFRS-Anhangs für die Unternehmen sehr zeitintensiv macht.

In jedem Fall ist der Geschäftsbericht aber nur eine freiwillig gewählte Form, mit der Aktiengesellschaften ihrer Informationspflicht nachkommen können. Er selbst ist keine Pflichtpublikation und seine inhaltliche und formale Homogenität eher auf Konventionen beziehungsweise mangelnden Mut für neue Kommunikationslösungen zurückzuführen. Besonders der Printbericht bräuchte eigentlich nicht zur Fettleibigkeit tendieren. Der Anhang beispielsweise könnte ebenso gut online platziert werden – so, wie mittlerweile auch viele Unternehmen den GRI-Index auf ihren Webseiten den interessierten Fachleuten zur Verfügung stellen, anstatt die Printversionen der Nachhaltigkeitsberichte damit aufzublähen.

Standard senkt die Kosten

Ein besonderes Interesse an standardisierten Berichten haben die Wirtschaftsprüfer, denn sie wollen standardisierte Inhalte verifizieren und möglichst aufwandsarm Glaubwürdigkeit testieren. Und diese Tendenz zeichnet sich auch bei den Modellen des integrierten Reportings ab. Eine weitere standardisierte Form ließe sich nämlich auch wieder standardisiert (und somit sehr kosteneffizient) prüfen.

Immerhin: Ein Anspruch des IIRC ist die Verschlankung der Berichte – weniger Ballast, weniger Seiten und nur wesentliche Informationen zur Geschäftsentwicklung, zum Risikomanagement, zu den Chancen und den Leistungen der gemanagten ESG-Faktoren. Qualität soll vor Quantität stehen, die Belange der Investoren ebenso wie die anderer Anspruchsgruppen kompakt berücksichtigt werden und die Berichte mehr eine summarische Kombination von Finanz- und Nachhaltigkeitsbericht sein.

Gesucht: der Hybrid-Bericht

Die Situation ist verfahren. Die reine Finanzberichterstattung fokussiert vornehmlich die finanziellen Leistungsindikatoren und kann damit die Stärken und Schwächen eines Unternehmens angesichts der heutigen gesellschaftlichen Herausforderungen nicht mehr angemessen darstellen. Und die CSR-Berichterstattung, das muss man so offen sagen, schafft es immer noch nicht, der Financial Community die Zusammenhänge unternehmerischer Nachhaltigkeit und finanzieller Performance überzeugend darzulegen. Eine wirklich tragfähige, allen Interessen gerecht werdende Lösung für dieses Dilemma wird wohl noch eine Weile auf sich warten lassen. Unumgänglich ist sie nichtsdestoweniger.

Quelle: UD
 

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