Reporting

Prüfstandards sind für die meisten Betriebe eine Herausforderung

Europa beschließt eine erweiterte Berichtspflicht. Das hat erheblichen Einfluss auf den Prüfauftrag – sowohl durch externe Wirtschaftsprüfer wie auch intern durch Vorstand und Aufsichtsrat. UmweltDialog sprach darüber mit Kai Beckmann von der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Mazars.

04.06.2021

Kai Michael Beckmann ist Division Manager Governance, Risk, Compliance & Sustainability at Mazars Germany; Head of Sustainability
Kai Michael Beckmann ist Division Manager Governance, Risk, Compliance & Sustainability at Mazars Germany; Head of Sustainability

UmweltDialog: Die EU-Kommission macht beim Thema Nachhaltigkeit ernst. Erst die Klimataxonomie, dann die Berichtspflicht. Ihnen müssten doch neue Kunden nur so zufliegen?

Kai Beckmann: Ich formuliere es andersherum: Dass großer Beratungsbedarf bezüglich Nachhaltigkeitsberichterstattung existiert, wird in den Unternehmen eher noch nicht überall gesehen. Wer aber nicht spätestens jetzt anfängt, sich um die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu kümmern, gerät in gehörigen Zugzwang.

UD: Woran liegt das Zögern?

Beckmann: Es ist verrückt, aber in Unternehmen außerhalb des DAX wird die Bedeutung dessen, was gerade alles passiert, noch nicht so recht wahrgenommen. Zum Beispiel in den Unternehmen, die im Rahmen des CSR-RUG und laut Taxonomie schon in diesem Jahr ihre grünen Umsatzerlöse CapEx/OpEx veröffentlichen müssten. Ich kenne aber nur wenige Unternehmen, die sich an dieses Thema schon herangewagt haben. Dabei drängt die Zeit. Der Countdown für die Non Financial Reporting Directive läuft und viele Unternehmen sind schon jetzt zu spät dran. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Anforderungen der Direktive deutlich verschärft werden – hinsichtlich der organisatorischen Einbindung, die Überwachung und auch der Harmonisierung von Lagebericht und nicht-finanzieller Erklärung – müssen sich jetzt selbst CSR-RUG-erfahrene Unternehmen sputen. Für Unternehmen, die dahingehend noch nichts angestoßen haben, weil sie von der Gesetzgebung noch nicht erfasst wurden, ist es mittlerweile aus meiner Sicht schon sehr zeitkritisch.

UD: Wir haben uns vor einer Weile schon einmal zum Thema Geschäftsführer- beziehungsweise Aufsichtsratshaftung unterhalten. Ändert sich hier künftig Wichtiges?

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Beckmann: Hier ist die Sanktionierung ein Thema. Die zentrale Bedeutung der Non-Financial Reporting Directive ist schlicht und einfach, dass von den Prüforganen im Unternehmen künftig per Gesetz eine gleichwertige Berücksichtigung finanzieller (Financial) und nicht-finanzieller (Non-Financial) Erklärungen eingefordert wird. Bisher konnten Aufsichtsräte ihre Verantwortung in diesem Punkt gut umschiffen. Sie waren zwar in der offiziellen Prüfpflicht, aber haben einen Wirtschaftsprüfer mit einer Limited-Assurance-Prüfung beauftragt – das hat bisher gereicht. Künftig hat der Prüfungsausschuss jedoch die Verpflichtung, eine gleichwertige Betrachtung vorzunehmen. Das bedeutet, dass der Ausschuss jetzt die Einbindung der sogenannten „Non-Financials“ in das interne Kontrollsystem und in das Risikomanagement sicherstellen muss. Dabei geht es auch um die Bewertung von Angemessenheit und Wirksamkeit – ein echter Qualitätsgewinn. Gleichzeitig müssen die konkreten Funktionen des Aufsichtsrats und Vorstands beziehungsweise der Geschäftsführung bei der Erstellung der Nachhaltigkeitsberichterstattung benannt werden. Es muss künftig also genau zugeordnet, wer welche Aufgaben und Rollen hat. Dadurch ist genau nachvollziehbar, wer welche Verantwortung trägt und das hat wiederum Konsequenzen für den sogenannten Bilanzeid des Vorstandes.

UD: Eine Nachfrage zur Wirksamkeit: Was genau ist da neu? Der Begriff ist einigen Lesern noch nicht geläufig. Wesentlichkeit hört man oft, Angemessenheit ist aus der Sorgfaltspflichten-Diskussion bekannt, aber Wirksamkeit sollten Sie kurz erläutern!

Beckmann: Um zu verstehen, was Wirksamkeit in diesem Kontext bedeutet, muss der Begriff der Angemessenheit deutlich sein. Angemessenheit bedeutet hier lediglich, dass etwas vorhanden ist: Es gibt eine Compliance- oder Risikomanagement-Abteilung. Ob sie aber funktioniert und ihre Aufgaben im Sinne der Unternehmensregeln oder des Verhaltenskodex tatsächlich umsetzen kann, wird meistens nicht hinterfragt. Die Prüfung der Wirksamkeit erfordert jetzt aber genau das. Nehmen wir Volkswagen und den Dieselskandal als Beispiel: Compliance- und Risikomanagement-Abteilungen sind in dem Konzern vorhanden und trotzdem konnte der Skandal nicht verhindert werden. Die Kontrollmechanismen waren hier nicht wirksam, weil sie von einer Unternehmenskultur überlagert wurden, in der andere Ziele wichtiger waren als die Nachhaltigkeit.
Wenn jetzt die Aufsichtsräte Verantwortung dafür tragen, dass die Wirksamkeit gegeben ist, dann müssen sie in Zukunft ganz andere Prüfaufträge an die interne Revision oder an externe Prüfer rausgeben. Deswegen ist künftig in der Direktive zunächst auch eine erste verpflichtende Limited-Assurance-Prüfung vorgesehen. Im Anschluss daran wird in der nächsten Verschärfung der Regeln eine Reasonable-Assurance-Prüfung gefordert. Damit entsprechen die Prüfstandards der nicht-finanziellen Erklärungen denen des Geschäftsberichts. Das ist absolut neu und wird viele Unternehmen vor große Herausforderungen stellen. Denn das Thema Integration von Nachhaltigkeit respektive ESG ins Risiko- und Compliance Management beziehungsweise in interne Kontrollsysteme ist in Deutschland bei vielen Unternehmen bislang eher rudimentär ausgeprägt.

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UD: Steht damit nicht vor allem der Finanzvorstand in der Pflicht?

Beckmann: In dem Moment, wo es um die Zahlen und um das Reporting geht, ist sicherlich der Finanzvorstand (CFO) stärker gefragt. Immerhin reden wir über die direkte Angleichung von Financial und Non-Financial Reportings. Allerdings spielt künftig der Vorstandsvorsitzende aus meiner Sicht eine immer größere Rolle. Schon deshalb, weil der Kapitalmarkt – auch bedingt durch die neue EU-Taxonomie – deutlich weiterführende Ansprüche an die Unternehmen stellen wird. Da wird dann nämlich gefragt werden, welche konkreten Konzepte und Strategien ein Unternehmen hat, um seine Zukunftsfähigkeit unter Beweis zu stellen. Und das nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Realität. Hier ist klar der Vorstandsvorsitzende in der Pflicht.

UD: Das Zusammenführen von finanziellen und nicht-finanziellen Werten ist aber mehr als die reine Addition von Zahlen, denn da treffen sich ja auch Umsatz und Moral.

Beckmann: Ja, ich glaube, das wird für viele Unternehmen noch einige Konflikte bedeuten. Nehmen wir das Beispiel Gesichtserkennungs-Software: Die ist am Hamburger oder Frankfurter Flughafen akzeptiert und unterstützt uns bei der Terrorabwehr. Wird sie aber bei großen öffentlichen Versammlung eingesetzt, um Gefahren zu identifizieren, ist die Akzeptanz kaum gegeben. Wir kommen also zunehmend in Situationen, die nicht mehr alleine rechtlich zu entscheiden sind. Wir werden auch immer öfter ethische Fragen berücksichtigen müssen. Darauf sind viele Unternehmen aus meiner Sicht heute noch nicht gut vorbereitet.

UD: Herzlichen Dank für das Gespräch!

Quelle: UmweltDialog
 

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