Politik

Fortschritte beim Kampf gegen Wirtschaftskriminalität

Die Compliance-Kultur hat in deutschen Unternehmen offenbar zu einem ehrlicheren Geschäftsgebaren geführt –dennoch wird nach wie vor getrickst. So hat es in den vergangenen zwei Jahren in jedem siebten Unternehmen hierzulande einen bedeutsamen Betrugs- oder Korruptionsfall gegeben. 2014 registrierte noch jedes vierte Unternehmen größere Betrugs- und Korruptionsfälle.

23.05.2016

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Damit ist die Zahl der entdeckten Fälle immer noch höher als im internationalen Vergleich. Weltweit wurden nur in etwa jedem achten Unternehmen größere Betrugs- und Korruptionsfälle entdeckt – das ist der gleiche Stand wie noch vor zwei Jahren.

Weltweiter Spitzenreiter bei entdeckten Betrugs- und Korruptionsfällen ist aktuell die Ukraine, wo in den vergangenen beiden Jahren immerhin 48 Prozent der Unternehmen nach eigenen Angaben einen bedeutsamen Fall verzeichneten. Auf den Plätzen folgen Kenia (36 Prozent) und Südafrika (26 Prozent). Die wenigsten Fälle wurden in der Slowakei (keiner), in der Türkei und in Indonesien (jeweils zwei Prozent) entdeckt.

Während Deutschland bei den konkreten Fällen über dem weltweiten Durchschnitt liegt, ist die Eigenwahrnehmung deutlich besser. Nur sechs Prozent der Manager halten Bestechung beziehungsweise korrupte Methoden in Deutschland für weit verbreitet. Weltweit sagen 39 Prozent der Manager, dass Korruption in ihrem jeweiligen Land weit verbreitet ist. Damit hat sich weder in Deutschland noch in der Welt die Eigeneinschätzung der Manager gegenüber der Umfrage 2014 verändert.

Trauriger Spitzenreiter ist Brasilien, wo neun von zehn Managern Korruption für verbreitet halten. Knapp dahinter folgen die Ukraine (88 Prozent) sowie Thailand und Nigeria (jeweils 86 Prozent).

Besonders gut schneiden die skandinavischen Länder ab. In Finnland hält kein einziger Manager Korruption für verbreitet, in Schweden und Dänemark nur vier Prozent – ebenso wie in Saudi Arabien.

Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young (EY), für die über 2.800 Finanzvorstände, Leiter der Revision, der Rechtsabteilung und des Compliance-Managements aus 62 Ländern befragt wurden, davon 50 aus Deutschland.

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Es liegt noch viel Arbeit vor den Unternehmen

Für Stefan Heißner, Leiter Fraud Investigation & Dispute Services bei EY, zeigen die Zahlen, dass in Deutschland das Thema Compliance mittlerweile zwar sehr ernst genommen wird, allerdings noch viel Arbeit vor den Unternehmen liegt: „In Deutschland ist die wahrgenommene Korruption im weltweiten Vergleich traditionell außerordentlich niedrig. Jetzt hat auch die Zahl der tatsächlich aufgedeckten Betrugs- und Korruptionsfälle stark abgenommen. Das ist zunächst ein gutes Zeichen. Die Durchsetzung von Compliance ist ein langwieriger Prozess, der auf allen Unternehmensebenen gelebt werden muss. Nach den großen öffentlichkeitswirksamen Betrugs- und Korruptionsfälle der Vergangenheit haben viele Unternehmen Compliance zur Chefsache gemacht und sich entsprechende Richtlinien gegeben.“

Allerdings warnt Heißner auch davor, sich auf den guten Ergebnissen auszuruhen und mahnt die Unternehmen zu größeren Anstrengungen: „Nur wenn jeder Mitarbeiter überzeugt ist, dass ein Unternehmen mit strikteren Compliance-Vorschriften am Ende auch bessere und nachhaltigere Geschäfte macht, kommen Antikorruptions- und Antibestechungsbemühungen auch auf allen Ebenen an. Das heißt, dass Manager diese Kultur für alle vorleben müssen. Für die Unbelehrbaren muss es harte Strafen geben. Die Unternehmen müssen klare Zeichen setzen, dass sie Korruption und Bestechung nicht tolerieren. Und wir dürfen eines nicht vergessen: Deutsche Unternehmen sind ‚Global Player‘. Die Länder mit den höchsten Korruptionsrisiken, sind auch die Länder, in denen die deutsche Industrie tätig ist. Zweierlei Maß ist nicht zulässig!“

Compliance-Regeln meist unverbindlich

Fast jedes deutsche Unternehmen hat Compliance-Richtlinien – allerdings sehen nur 68 Prozent klare Sanktionen vor Heißner verweist darauf, dass zwar 98 Prozent der deutschen Unternehmen mittlerweile Antibestechungs- beziehungsweise Antikorruptionsrichtlinien haben. Weltweit liegt der Anteil bei 84 Prozent. Allerdings seien die Regeln hierzulande oftmals zu unverbindlich. Nur 68 Prozent der Manager nehmen klare Sanktionsandrohungen bei einem Verstoß gegen die Richtlinien wahr. Damit ist der Wert gegenüber 2014 sogar um acht Prozentpunkte zurückgegangen und liegt auch unter dem weltweiten Durchschnitt von 75 Prozent.

Dass klare Sanktionen nach wie vor nötig sind, zeigt ein Blick auf das Unrechtsempfinden so mancher Manager. Jeder fünfte deutsche Manager würde entweder Unterhaltungsdienstleistungen finanzieren oder persönliche Geschenke machen, um sein Unternehmen über einen Wirtschaftsabschwung zu retten.

„Der wahre Wert von Compliance-Richtlinien zeigt sich, wenn dunkle Wolken aufziehen, also Unternehmen drohen, ihre Ziele zu verfehlen“, so Heißner. „Dass jeder fünfte Manager in so einem Fall bestechen würde, um den Geschäften auf die Sprünge zu helfen, ist alarmierend. Eigentlich sollte inzwischen jeder sensibilisiert sein: Der Schaden, den Bestechung und Korruption anrichten können, kann für das Unternehmen aber auch den beteiligten Manager existenzbedrohend werden. Nicht nur die Strafverfolgungs- und sonstige Behörden ahnden Verstöße. Hinzu kommen der Imageschaden sowie etwaige Schadensersatzforderungen. Bestechung und Korruption entwickeln sich also fast immer zum Bumerang. Davon abgesehen ist es ganz einfach das falsche Mittel: Korruption kompensiert häufig fehlende Innovation!“

Weltweit wenig Skrupel: 13 Prozent würden für Unternehmenserfolg sogar Bargeld zahlen

Da sei es auch kein Trost und erst recht keine Rechtfertigung, dass Manager in anderen Ländern weniger Skrupel kennen, betont Heißner. Weltweit würde mehr als jeder dritte Manager (36 Prozent) Unterhaltsdienstleistungen zahlen oder persönliche Geschenke machen. 13 Prozent würden sogar Bargeld zahlen und vier Prozent Finanzergebnisse absichtlich falsch darstellen. Vor beiden letztgenannten Methoden würden in Deutschland alle befragten Manager zurückschrecken. In China würde jeder zweite Manager mit Bargeld bestechen, in Spanien immerhin noch 28 Prozent und in Indien 16 Prozent.

Zudem sei die Gefahr, entdeckt und bestraft zu werden, hierzulande sehr hoch. Das wissen auch die Manager selbst. 60 Prozent sind der Ansicht, dass die deutschen Strafverfolgungsbehörden Fälle von Bestechung und Korruption verfolgen und zu einer Verurteilung bringen. Weltweit sind nur 33 Prozent dieser Ansicht. Jeder achte Manager weltweit sagt sogar, dass die Behörden nicht bereit oder in der Lage seien, solche Fälle zu verfolgen. In Deutschland glaubt das gerade mal jeder 25. Manager. Besonders gering ist das Vertrauen in die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden in der Ukraine, wo 44 Prozent der Manager an der Fähigkeit oder Motivation der lokalen Behörden zweifeln, in Südafrika und Argentinien sind es 42 beziehungsweise 40 Prozent.

„Die hohe Effektivität der hiesigen Strafverfolgungsbehörden gibt auch den Korruptionsfällen in Deutschland einen hohen Glaubwürdigkeitswert. In anderen Ländern dürfte die Dunkelziffer an unentdeckten Straftaten wesentlich höher sein“, sagt Heißner. „Für Manager in Ländern mit funktionierender Strafverfolgung kann das frustrierend sein. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass der Ehrliche der Dumme ist.“

16 Prozent sehen eigene Wettbewerbsposition beeinträchtigt

So mancher Manager könne aber genau zu dem Eindruck gelangen. 16 Prozent der deutschen Manager sagen, dass ihre Compliance-Richtlinien bereits ihre Wettbewerbsposition negativ beeinträchtigen. Weltweit ist der Anteil mit zwölf Prozent geringer. „Angesichts volatiler Märkte und internationaler Krisen werden schwere Zeiten für viele Unternehmen zum Normalfall“, sagt Heißner. Die Versuchung, zu unlauteren Mitteln zu greifen, mag da groß sein.“

Dem müssten Unternehmen auch mit Whistleblower-Hotlines einen Riegel vorschieben. „Hinweise aus dem Unternehmen sind fast immer der Auslöser, um Korruptionsfälle aufzudecken. Deswegen müssen in mehr Unternehmen Whistleblower-Hotlines eingerichtet werden“, fordert Heißner. Derzeit setzen 60 Prozent der Unternehmen in Deutschland auf Whistleblowing-Hotlines. Die meisten (90 Prozent) nutzen regelmäßige interne Überprüfungen.

Quelle: UD/cp
 

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