Wie viel Polykrise verträgt Nachhaltigkeit?
Die Klimakrise hat Konkurrenz bekommen - angesichts der Vielzahl weiterer Probleme spricht man deshalb heute von Polykrisen. Verschärft wirkt sich die ständige Änderung der Spielregeln durch die Politik aus - sei es durch die Trump-Administration oder auch die gefühlte Rückabwicklung des EU Green Deal. Unternehmen müssen sich anpassen und neu ausrichten. Welche Rolle spielt dabei künftig Nachhaltigkeit? Der „Audi Club of Progress“-Abend in Hamburg gab dazu wichtige Debattenimpulse.
14.05.2025

Rebecca Tauer, Programmleiterin für Kreislaufwirtschaft beim WWF, sieht im Rückzug der Politik keinen echten Rückschritt – zumindest nicht auf Unternehmensebene. Ihrer Einschätzung nach ist Nachhaltigkeit zwar weniger prominent im politischen Diskurs, dafür jedoch im operativen Geschäft vieler Unternehmen deutlich weiter: „Wir sind aus der Phase der Narrative heraus. Viele Unternehmen setzen heute konkrete Pilotprojekte um und beginnen mit der Skalierung.“
Tauer plädiert dafür, Berichtspflichten nicht vorschnell als bürokratische Last abzutun. Im Gegenteil: Die Diskussion um ihre Abschaffung sei ein Rückschritt, weil die Berichtspflichten zahlreiche Firmen erstmals dazu gebracht hätten, sich überhaupt mit ihrer Wirkung auf Klima, Umwelt und Lieferketten auseinanderzusetzen. „Das war der Anstoß, um Prozesse zu überdenken – das hätte sonst kaum jemand freiwillig gemacht.“
Der Zielkonflikt ist systemimmanent – seit 50 Jahren
Prof. Dr. Estelle Herlyn von der FOM Hochschule warf einen historischen Blick zurück. Schon bei der ersten Umweltkonferenz 1972 wurde deutlich, dass es nicht nur um Umweltschutz geht. Damals sagte Indiens Premierministerin Indira Gandhi sinngemäß: Umweltpolitik darf wirtschaftliche Entwicklung nicht verhindern. Herlyn verwies darauf, dass Nachhaltigkeit von Anfang an ein Spannungsfeld war – zwischen ökologischer Tragfähigkeit und menschlichen Bedürfnissen.
Dieser Zielkonflikt wirkt bis heute: Unternehmen stehen unter dem Druck, gleichzeitig wettbewerbsfähig zu bleiben, sozial zu agieren und Umweltwirkungen zu reduzieren – und das in einem global instabilen Umfeld. Fehlt politische Verlässlichkeit, wird Transformation zum Risiko. Doch Herlyn sieht darin auch eine Chance: „Das ursprünglich geplante EU-Lieferkettengesetz hätte nur mehr Transparenz gebracht. Was oft fehlte, war die konkrete Veränderung vor Ort. Das können wir es jetzt besser machen.“
Glaubwürdigkeit entsteht am Produkt – nicht im Strategiepapier
Wie ernst ist es den Unternehmen wirklich? Für Dr. Johanna Klewitz, Nachhaltigkeitsleiterin bei Audi, ist Glaubwürdigkeit keine Frage des Marketings, sondern der technischen Umsetzung. Statt sich in abstrakten Strategien zu verlieren, setzt Audi auf konkrete Nachhaltigkeitsleistung – und zwar am Produkt. Über 14.000 direkte Lieferanten arbeiten mit dem Autobauer daran, CO₂-Emissionen zu senken, Recyclingquoten zu steigern und den Materialeinsatz – etwa von Aluminium – nachhaltiger zu gestalten. „Die Frage ist nicht, wie wir Nachhaltigkeit kommunizieren, sondern wie sie sich im Produkt widerspiegelt.“
Klewitz betonte, dass zu viel regulatorischer Aktionismus gefährlich sein kann. „Wenn sich die politischen Spielregeln dauernd ändern, verlieren Unternehmen den Fokus – und damit auch ihre Transformationsfähigkeit.“ Statt immer neuen Berichtsanforderungen brauche es mehr Wirkung. Entscheidend sei, wo Unternehmen ansetzen, um Emissionen und Ressourcenverbrauch tatsächlich zu reduzieren.

Resilienz durch Klarheit und Kooperation
In einem Umfeld multipler Krisen rückt ein anderer Begriff in den Vordergrund: Resilienz. Gemeint ist nicht nur wirtschaftliche Robustheit, sondern die Fähigkeit, mit Unsicherheiten produktiv umzugehen. Für Unternehmen heißt das: Sie müssen sich auf das Wesentliche konzentrieren – und mehr kooperieren. Kooperation wird damit zum Schlüssel: Nicht als politisches Schlagwort, sondern als Notwendigkeit. In einem Umfeld, in dem politische Instanzen an Durchsetzungskraft verlieren, sind es gerade die „Koalitionen der Willigen“, die Fortschritt ermöglichen können.
Audi etwa organisiert Stakeholder-Dialoge entlang der gesamten Lieferkette. Recyclingbetriebe, Verwerter und Teilehersteller sprechen über gemeinsame Standards und effiziente Kreisläufe. Der WWF moderiert vergleichbare Plattformen, zum Beispiel zur Fahrzeugverwertung. Ziel ist es, nicht nur Ideen zu entwickeln, sondern skalierbare Lösungen – etwa gemeinsame Verwertungszentren oder Standards für Batterien. Damit, so die Hoffnung, ließe sich der Kreislaufgedanke auch im industriellen Maßstab umsetzen.
Transformation oder Greenwashing?
Bleibt die Frage, wie man den Unterschied zwischen echter Transformation und Greenwashing erkennt. Rebecca Tauer bringt es auf den Punkt: „Jeden Tag hören wir von guten Ideen – aber wie sehen die konkreten nächsten Schritte aus? Gibt es Pläne, das Projekt zu skalieren? Oder bleibt es bei einer Einzelmaßnahme, die sich kommunikativ gut erzählen lässt, aber nichts verändert?“ Die Unterscheidung liegt im Weg, nicht im Wort.
Gerade in Zeiten politischer Zurückhaltung gewinnt diese Frage an Schärfe. Denn wenn Nachhaltigkeit aus der politischen Agenda verschwindet, liegt es an Unternehmen und Zivilgesellschaft, für Wirkung zu sorgen. Nicht in Sonntagsreden – sondern im Alltag, auf der Straße, im Produkt. Wer das schafft, wird nicht nur resilient, sondern auch relevant bleiben.

Nachhaltigkeit im Produkt: Was den Audi A6 e-tron zukunftsfähig macht
Mit dem A6 e-tron präsentiert Audi nicht nur ein vollelektrisches Fahrzeug der Oberklasse, sondern auch ein Modell, das Nachhaltigkeit in mehreren Dimensionen verfolgt. Bereits in der Produktion setzt der Hersteller auf Ressourceneffizienz: Gefertigt wird der A6 e-tron im Werk Ingolstadt, das bilanziell CO₂-neutral arbeitet und bestehende Fertigungsanlagen weiter nutzt – ein Plus in puncto Flächen- und Energieverbrauch.
Besonderes Augenmerk liegt auf der Materialwahl: Rezyklate aus Sekundärrohstoffen finden sich in verschiedenen Bauteilen, ergänzt durch Initiativen wie das Projekt „MaterialLoop“, das auf die Rückführung von Werkstoffen aus Altfahrzeugen in den Neuproduktzyklus zielt. Mit einem cW-Wert von bis zu 0,21 ist der A6 e-tron zudem eines der aerodynamisch effizientesten Modelle seiner Klasse – ein Beitrag zur Reichweitenoptimierung und CO₂-Reduktion im Fahrbetrieb.
Darüber hinaus thematisiert Audi auch die sozialen Aspekte entlang der Lieferkette. Im Rahmen unternehmensweiter Sorgfaltspflichten werden direkte Lieferanten nach Umwelt- und Sozialkriterien bewertet. Ziel ist es, Transparenz zu schaffen, Risiken frühzeitig zu erkennen und menschenrechtliche Standards systematisch abzusichern – insbesondere bei kritischen Rohstoffen wie Aluminium oder Batteriematerialien.