Kölner Stakeholder-Dialog: Von der Circular Economy zur Circular Society
Die Kreislaufwirtschaft gilt als Schlüssel für Rohstoffsicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Doch zwischen politischem Anspruch und betrieblicher Wirklichkeit liegt ein weiter Weg. Beim Stakeholder-Dialog „Kreislaufwirtschaft: Königsweg oder Feigenblatt?“, zu dem toom Baumarkt und UmweltDialog nach Köln eingeladen hatten, diskutierten Experten aus Wirtschaft, Beratung und Wissenschaft, wie sich die Vision einer zirkulären Ökonomie in die Praxis übersetzen lässt – und warum der Umbau nicht nur technische, sondern vor allem kulturelle Veränderungen verlangt.
17.10.2025
„Machen Sie einmal die Augen zu und denken Sie an Ihr liebstes kreislauffähiges Produkt“, eröffnete Michael Kuhndt, Executive Director des Centre for Sustainable Consumption and Production (CSCP), seine Keynote beim Stakeholder-Dialog „Kreislaufwirtschaft: Königsweg oder Feigenblatt“ in Köln. Dann nannte er Beispiele aus dem Alltag und aus handwerklicher Wiederverwendung – und fragte: „Was ist eigentlich drin in der Kreislauffähigkeit, und was findet man vielleicht irgendwann im Baumarkt?“ Damit lenkte er den Blick auf die Frage, wie konkret Kreislaufprinzipien in Produktion, Handel und Konsum sichtbar werden können.
Ein Begriff – sechs Thesen
Kuhndt skizzierte sechs Thesen, die den Wandel beschreiben. Erstens: Kreislaufwirtschaft verändert Geschäftsmodelle grundlegend. Noch produziere die Industrie weitgehend linear, künftig bräuchten wir eine neue Denkweise von der Produktinnovation hin zur Kreislaufinnovation. Beispiele wie Repair-Ecken in Baumärkten, Maker-Spaces oder Start-ups, die derzeit an jeder Ecke entstehen, zeigten die Richtung; Handelsriesen wie IKEA testen beispielsweise schon in Schweden Filialen, die ausschließlich Produkte aus Sekundärmaterialien anbieten. Zweitens schaffe Kreislaufwirtschaft zusätzliche Mehrwerte – von Klimaneutralität, bei der man die stofflichen Kreisläufe mitdenken müsse, bis zur Rohstoffsouveränität. Drittens brauche es neue Kooperationen: Städte würden zu Ressourcenlagern und Partnern der Transformation. Aachen mit seinem Circular Hub oder Duisburg mit Tausch- und Reparaturstationen verdeutlichten, wie Kommunen Urban Mining und Sharing-Konzepte ermöglichen.
In seiner vierten These erklärte Kuhndt, dass Regulierungen Transparenz schaffen. Der EU-Rahmen setze durch den Circular Economy Act Spielregeln. Als „Gamechanger“ sah Kuhndt aber die öffentliche Beschaffung. Denn Städte und Kommunen müssen zukünftig auch selbst nachhaltiger einkaufen. Fünftens brauche die Circular Economy neue Fähigkeiten – die Natur könne hier als Vorbild für funktionierende Kreisläufe dienen. Und in seiner sechsten und letzten These forderte Kuhndt ein generelles Umdenken: Aus der Circular Economy müsse eine Circular Society werden. „Circular Economy kann einer der Königswege sein“, schlussfolgerte Kuhndt: „Über das Feigenblatt sind wir schon längst hinaus. Wir brauchen Mut, Experimente zu machen.“
Kreislaufwirtschafft ist eine Notwendigkeit
In der anschließenden Podiumsdiskussion, moderiert von Dr. Elmer Lenzen, Chefredakteur bei UmweltDialog, wurde deutlich, wie unterschiedlich die Perspektiven auf diesen Wandel ausfallen und welche Herausforderungen es noch zu meistern gilt. Dominique Rotondi, Geschäftsführer Ware & Logistik toom Baumarkt, machte klar, dass Circular Economy in der Gesellschaft noch nicht den Stellenwert habe, den man sich wünsche. Dabei müsse man sich gerade jetzt damit beschäftigen, denn der Druck durch zunehmende Rohstoffengpässe – etwa bei den Seltenen Erden – wachse. „Manchmal braucht es die Krise, um etwas zu beschleunigen“, sagte er. „Viele haben noch nicht verstanden, dass wir keine Alternative haben“, meinte auch Carolina E. Schweig, Verpackungsberaterin aus Hamburg. Circular Economy sei keine „nette Idee“, sondern eine Notwendigkeit in den um Rohstoffe konkurrierenden Wirtschaftsräumen. Außerdem ordnete sie die Regulatorik ein: Viele EU-Bausteine greifen wie ein Puzzle sinnvoll ineinander – wenn an einer Stelle gelockert werde, fordere eine andere Reglung es wieder ein.
Andere Länder seien beim gesetzlichen Rahmen weitaus pragmatischer als Deutschland, warf Kuhndt ein. Rotondi sah das ähnlich und forderte auf, Belohnungen zu setzen, statt ein politisches „Bestrafungssystem“ zu verfolgen. Denn Kundinnen und Kunden seien, so seine Praxiserfahrung, leider nicht bereit, für Nachhaltigkeit mehr zu bezahlen. Die Unternehmen müssten das subventionieren. Besonders Mittelständler bräuchten hierbei mehr Unterstützung.
Die Transformation kann nur gemeinsam gelingen
Laura Scherer, Inhaberin der Lernplattform Circu:Culture, stellte vor allem im konkreten Fachwissen rund um Circular Economy noch Lücken fest. Es gebe derzeit keine einheitlichen Standards für das Berufsbild des „Circular Economy Managers“, erklärte sie. Dieser bräuchte dafür besondere Kompetenzen und entsprechende Weiterbildung. Organisationen müssten sich fragen, ob sie für die Kreislaufwirtschaft fit genug seien, fand Kuhndt. Denn das aktuell vorherrschende Denken in Silos erschwere Querschnittsthemen. Rotondi betonte, dass der Wandel erlebbar werden müsse – für Mitarbeitende ebenso wie für Kundschaft. toom setze auf Schulungen, Botschafterprogramme und sichtbare Maßnahmen im Markt. „Das ist ein kontinuierlicher Prozess. Jeden Tag.“
Eindrücke des Abends
Einigkeit herrschte über den Bedarf an neuen Formen der Zusammenarbeit. „Allein wird es keiner schaffen“, sagte Rotondi. Kuhndt sprach von einer „Kulturfrage der Kooperation“: Der europäische Green Deal erfordere ein völlig neues Verständnis von Zusammenarbeit. Die Transformation müsse „ein Herzanliegen“ werden. Scherer brachte die gesellschaftliche Dimension ins Spiel: Nach Jahrzehnten des Konsumierens müsse sich der Fokus verschieben – hin zu Teilen, Reparieren und gemeinschaftlichem Nutzen. „Nachhaltigkeit muss einfach, offensichtlich und fair sein.“ Schweig ergänzte: „Es geht dabei auch um Kommunikation und Gemeinschaft.“
In der Schlussrunde waren sich alle einig: Der Wandel von der Circular Economy zur Circular Society gelingt nur gemeinsam. Auf diesen Zug aufspringen müssen alle – Politik und Wirtschaft, verschiedene Branchen und Berufsgruppen, Fachleute sowie ältere und junge Generationen gleichermaßen. Oder, wie Michael Kuhndt es formulierte: „Es ist eine Lernerfahrung auf der Reise mit einer vielfältigen Gruppe.“