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Nachhaltigkeit im Angebot – Realität oder Reklame?

Zwischen Kühlregal und Aktionsfläche wird Verantwortung zur Angebotszeile: Discounter wie zum Beispiel ALDI SÜD möchten nachhaltige Produkte so selbstverständlich machen wie jedes Standardangebot. Entscheidungen mit Umwelt- oder Sozialbezug sollen beim Einkauf so niedrigschwellig und sichtbar sein, dass sie ohne Mehraufwand getroffen werden können. Aber wie realistisch ist es überhaupt, den nachhaltigen Einkauf zum Alltag zu machen?

27.11.2025

Nachhaltigkeit im Angebot – Realität oder Reklame?

Wer nachhaltig einkaufen will, muss meistens tiefer ins Portemonnaie greifen. Denn Produkte mit besseren Umwelt- oder Sozialstandards sind der Regel teurer als konventionelle Waren. Und das ist vor allem in der derzeitigen Wirtschaftslage der größte Knackpunkt. „Für die Mehrheit der Verbraucher:innen ist der Preis das wichtigste Kriterium beim Einkauf“, erklärt Frank Waskow, Teamleiter Lebensmittelqualität und Nachhaltigkeit bei der Verbraucherzentrale NRW gegenüber UmweltDialog. Die meisten könnten sich nachhaltigere Produkte aktuell schlicht nicht leisten. Das zeigt auch eine in diesem Jahr veröffentlichte PwC-Studie: 61 Prozent der Menschen in Deutschland achten beim Lebensmitteleinkauf vor allem auf den Preis; nur 31 Prozent wären bereit, für nachhaltigere Lebensmittel mehr zu zahlen. Zwar machen sich 75 Prozent Sorgen über den Klimawandel und 48 Prozent über den Einsatz von Pestiziden, doch im Alltag dominiert das knappe Budget.

Jeder zweite berichtet laut PwC, dass insbesondere die hohen Lebenshaltungskosten Sorgen bereiten. „Inflation und gestiegene Preise treffen vor allem Menschen mit wenig Einkommen“, sagt Waskow: „Derzeit achten Viele stärker auf Rabatte, Angebote und kaufen seltener, dafür gezielter ein. Damit Nachhaltigkeit für alle erschwinglich wird, braucht es neue Preismodelle und soziale Ausgleichsmechanismen, etwa für Familien mit geringem Budget.“

ALDI SÜD: Nachhaltigkeit als „normalste Sache der Welt“

Nachhaltige Produkte bei ALDI SÜD

Genau an dieser Stelle setzt ALDI SÜD an. Das Unternehmen verfolgt seit Jahren das Ziel, nachhaltigere Produkte aus der Nische zu holen und in den Massenmarkt zu bringen. Nachhaltigkeit soll nicht wie ein Zusatz wirken, sondern wie eine ganz normale Option im Regal. Sichtbar wird dieser Anspruch im Sortiment – von Bio über „Krumme Dinger“ bis hin zu veganen und pflanzenbasierten Artikeln. „Jeder Mensch trifft im Alltag unzählige Entscheidungen. Manche davon sind groß, andere auch ziemlich klein — das beginnt schon bei der Wahl der Milch für den morgendlichen Kaffee“, erklärt Christian Göbel, stellvertretender Geschäftsführer Marketing & Communication bei ALDI SÜD: „Unser Ziel ist es, das Leben unserer Kund:innen einfacher zu machen. Deswegen bieten wir eine große Auswahl an nachhaltigeren Lebensmitteln, die für alle leistbar sind. Und so machen wir Nachhaltigkeit zur normalsten Sache der Welt.“

Gestartet mit Bio-Eiern hat ALDI SÜD sein nachhaltiges Sortiment in den vergangenen Jahren deutlich ausgeweitet. Mittlerweile umfasst es über 1.000 Bio-Produkte und mehr als 1.400 vegan gekennzeichnete Artikel über das Jahr verteilt, wie der aktuelle Fortschrittsbericht zeigt. Damit ist der Discounter Bio-Händler Nr. 1 in seinem Vertriebsgebiet und auch Vegan-Händler Nr.1 bei Eigenmarken in seinem Vertriebsgebiet, teilt ALDI SÜD UmweltDialog auf Anfrage mit. Der pflanzenbasierte Anteil am gesamten Food-Sortiment liegt bei über 56 Prozent. Auch im Bereich Tierwohl setzt der Discounter Standards: Die Eigenmarken-Trinkmilch stammt seit 2025 vollständig aus den Haltungsformen 3 bis 5, ebenso rund die Hälfte des Frischfleischs. Bei gekühlten Fleisch- und Wurstwaren liegt der Anteil höherer Haltungsstufen bei etwa einem Drittel.

Nachhaltigkeit zu Discounter-Preisen – kann das funktionieren?

Ein großer Hebel, um nachhaltigere Produkte leistbarer zu machen, sind die Eigenmarken. Sie machen bei ALDI SÜD rund 90 Prozent des gesamten Sortiments aus. Solche Handelsmarken können in der Regel günstiger angeboten werden als klassische Markenprodukte – egal ob Bio oder konventionell. Denn bei Eigenmarken entfallen Marketing- und Vertriebskosten, Zwischenhändler werden umgangen, Verpackungen sind einfacher gestaltet und die Logistik effizienter. Laut NDR sind Eigenmarken im Durchschnitt rund 45 Prozent günstiger als Markenprodukte. Angenehmer Nebeneffekt für die Händler: Ihre Marge liegt bei Eigenmarken höher.

„Die Eigenmarken ermöglichen es ALDI SÜD, hohe Qualitätsstandards zu sichern, flexibel auf Kund:innenwünsche einzugehen und durch den Einkauf großer Mengen Preisvorteile direkt weiterzugeben“, heißt es von ALDI SÜD gegenüber UmweltDialog. Es gibt aber noch weitere Hebel, um die Produkte möglichst günstig anzubieten: „Von den Einkaufsprozessen über die Logistik bis in die Filiale setzt ALDI SÜD auf Einfachheit und effiziente Prozesse“, erklärt das Unternehmen. „Durch intelligente Bedarfs- und Routenplanung fährt beispielsweise kein LKW leer. Die Filialen von ALDI SÜD sind im Schnitt rund 1.000 qm groß und damit mehr als 50 Prozent kleiner als Supermärkte. Daraus erfolgen effiziente Betriebskosten.“

Gleichzeitig stoßen auch Discounter an Grenzen. Tierwohlstandards, Bio-Zertifizierungen oder steigende Rohstoffpreise lassen sich nur begrenzt kompensieren. Sie verursachen real höhere Aufwände, die sich nicht einfach in günstigere Verkaufspreise übersetzen lassen. Und an den insgesamt gestiegenen Lebensmittelkosten kommen selbst Discounter kaum vorbei: So sind die Preise für Eigenmarken zuletzt fast doppelt so stark gestiegen wie bei Markenprodukten, berichtet der NDR. Es gibt aber auch positive Tendenzen: Pflanzliche Alternativen sind inzwischen häufig günstiger als tierische Produkte, wie die ProVeg-Preisstudie 2025 zeigt. „Innerhalb von drei Jahren hat sich das Preisverhältnis beim pflanzlichen Einkauf umgedreht: Aus 52 Prozent Aufpreis ist ein Preisvorteil von 5 Prozent geworden“, sagt ProVeg-Marktexpertin Virginia Cecchini Kuskow.

Preiskampf 2025 – Wer zahlt ihn eigentlich?

Eine Frau mit einer Papiertüte mit Lebensmitteln steht in einem Einkaufszentrum und blickt erstaunt auf eine Rechnung mit hohen Preisen.

Aldi und Lidl überzogen 2025 den Markt mit großen Preisankündigungen. Doch laut Handelsblatt und einer Auswertung des Preisvergleichsdienstes Smhaggle sparen Kund:innen im Schnitt weniger als einen Euro pro Einkauf. 

Auch an der tatsächlichen Anzahl der reduzierten Produkte gibt es Zweifel. So reichte die Verbraucherzentrale Hamburg Klage wegen irreführender Werbung gegen Lidl ein. Es gebe keine überprüfbare Liste der angekündigten 500 Produkte, die im Preis gesenkt werden sollten. „Das ist für Kundinnen und Kunden nicht nur intransparent, sondern aus unserer Sicht auch rechtlich unzulässig“, meint Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Wer mit so konkreten Zahlen und Versprechen wirbt, muss sie auch belegen.“ Außerdem sieht er in der Aktion reines Marketing: „Schlussendlich dienen die aufgeblasenen Rabattaktionen vor allem der Absatzförderung.“

Für die Händler selbst bedeutet der Preiskampf laut Schätzungen Umsatzeinbußen von über 1,6 Milliarden Euro. Offen bleibt, inwieweit auch die Hersteller und Lieferanten durch die Preissenkungen belastet werden.

Wird der nachhaltige Einkauf wirklich zum Standard?

Die Ambitionen, einen nachhaltigen Warenkorb zur Selbstverständlichkeit zu machen, sind da. Beim Nachhaltigkeitsvergleich zwischen Supermärkten und Discountern haben Letztere die Nase vorn. Das zeigt die aktuelle Superlist Umwelt Deutschland 2025 des Thinktanks Questionmark, die die Nachhaltigkeitsstrategien der größten deutschen Lebensmitteleinzelhändler untersucht. ALDI SÜD rangiert dabei auf Platz zwei und zählt damit zu den fortschrittlichsten Akteuren im Markt. Gleichzeitig macht die Untersuchung deutlich, dass der Wandel bislang punktuell bleibt. Über 90 Prozent der in Prospekten beworbenen proteinreichen Produkte stammen nach wie vor aus tierischen Quellen. Auch bei Transparenz und messbaren Zielen sehen die Studienautor:innen weiterhin Nachholbedarf.

„Viele Konsument:innen wollen gesunde, nachhaltige und regionale Produkte, aber bisher trifft das vor allem für einzelne Warengruppen zu. Es gibt Fortschritte bei Eigenmarken, Regionalware oder umweltfreundlicher Verpackung – aber Handel und Politik müssen mehr tun, damit Nachhaltigkeit wirklich überall ankommt“, sagt auch Waskow von der Verbraucherzentrale NRW. „Uns fehlt eine konsequent systematische Umsetzung im gesamten Sortiment. Mehr Transparenz und Auswahl für nachhaltige, gesunde Produkte sind wichtig – vor allem in Sortimenten wie Tiefkühlkost, Fertiggerichten oder Süßwaren.“

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Quelle: UmweltDialog
 

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