80 Jahre UN-Charta: Was die Vereinten Nationen besser machen als der Völkerbund
Vor 80 Jahren wurde mit der Charta der Vereinten Nationen der Grundstein für eine neue Weltordnung gelegt – als Lehre aus dem Scheitern des Völkerbunds. Heute steht das System kollektiver Zusammenarbeit erneut unter Druck: Charta Machtspiele, blockierte Reformen und schleppende Fortschritte bei den globalen Entwicklungszielen werfen die Frage auf, ob die UN noch zeitgemäß sind – oder gerade jetzt unverzichtbar.
01.07.2025

Am 26. Juni 1945, nur Wochen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, unterzeichneten 50 Staaten in San Francisco die Charta der Vereinten Nationen. 80 Jahre später sind die Vereinten Nationen zu einem festen Bestandteil der internationalen Ordnung geworden – und zugleich ein Symbol für die Herausforderungen multilateraler Zusammenarbeit in einer zunehmend fragmentierten Welt. Ein Blick zurück und nach vorn zeigt, was die UN aus dem Scheitern ihres Vorgängers, des Völkerbunds, gelernt haben – und warum ihre Rolle heute dringender ist denn je.
Vom Völkerbund zu den Vereinten Nationen: Ein Systemfehler mit Lehren
Der Völkerbund, 1919 im Rahmen des Versailler Vertrags gegründet, war ein frühes Experiment kollektiver Sicherheit. Doch schon in den 1930er-Jahren zeigte sich seine strukturelle Schwäche: zentrale Akteure wie die USA traten nie bei, Beschlüsse waren nicht bindend, Sanktionen oft zahnlos. Im entscheidenden Moment – der Aggressionen Japans, Italiens und Deutschlands – blieb der Völkerbund wirkungslos. 1946 wurde er formell aufgelöst.
Die UN dagegen basieren auf einer robusteren Struktur: Alle wichtigen Weltmächte – insbesondere die fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats – sind eingebunden, auch wenn das Vetorecht ihre Handlungsfähigkeit regelmäßig blockiert. Im Unterschied zum Völkerbund verfügen die UN zudem über eine deutlich breitere Agenda: Neben Frieden und Sicherheit stehen auch Menschenrechte, Entwicklung und humanitäre Hilfe im Zentrum ihrer Arbeit. Die institutionelle Vielfalt – von UNICEF über UNHCR bis hin zum Umweltprogramm UNEP – verleiht den UN ein globales Netzwerk, das weit über klassische Diplomatie hinausreicht.
Multilateralismus in der Krise – und doch alternativlos
Heute steht die UN-Ordnung unter Druck. Autoritäre Mächte setzen zunehmend auf Machtpolitik, regionale Allianzen verdrängen globale Gremien, und internationale Abkommen werden infrage gestellt oder blockiert. Auch innerhalb westlicher Demokratien wächst die Skepsis gegenüber multilateralen Institutionen. Die UN, so der Vorwurf, seien ineffizient, bürokratisch und oft machtlos gegenüber den großen Interessen der Weltpolitik.
Gleichzeitig erleben wir globale Herausforderungen, die ohne multilaterale Antworten nicht lösbar sind: Klimawandel, Pandemien, internationale Konflikte und wirtschaftliche Ungleichheit. Nationale Alleingänge bieten hier keine Lösung – vielmehr zeigen sie die Grenzen egoistischer Politik. Die UN bieten zumindest den Rahmen, innerhalb dessen Kompromisse ausgehandelt und gemeinsame Ziele formuliert werden können.
SDGs unter Druck – und doch von zentraler Bedeutung
Die 2015 verabschiedeten Sustainable Development Goals (SDGs) sind ein Paradebeispiel für die globale Handlungsfähigkeit der UN. Erstmals einigten sich alle Mitgliedstaaten auf eine gemeinsame Entwicklungsagenda, die soziale, ökologische und wirtschaftliche Ziele verknüpft. Doch der Fortschritt ist ins Stocken geraten. Die Corona-Pandemie, der Krieg in der Ukraine, steigende Schulden in Entwicklungsländern und geopolitische Blockaden haben viele Fortschritte zunichte gemacht. Laut aktuellem UN-Bericht wird kein einziges der 17 Ziele bis 2030 vollständig erreicht werden.
Doch gerade das sollte kein Grund zur Resignation sein – im Gegenteil: Die SDGs bleiben ein Kompass für langfristige Transformation. Ihr Scheitern wäre ein Scheitern kollektiver Verantwortung. Nur in einem funktionierenden multilateralen Rahmen können sie vorangetrieben werden – mit verbindlichen Vereinbarungen, Finanzierung und technischer Zusammenarbeit.
Die Zukunft der UN: Reform, nicht Rückzug
Die UN sind nicht perfekt. Sie brauchen Reformen – etwa bei der Zusammensetzung des Sicherheitsrats, der Stärkung der Generalversammlung oder der Effizienz ihrer Programme. Aber die Alternative – ein Rückfall in machtbasierte, unkoordinierte Politik – wäre ein Rückschritt in eine Welt, die wir längst überwunden glaubten. Die Vereinten Nationen mögen alt wirken – aber ihre Grundidee ist aktueller denn je.
Zum 80. Jahrestag der UN-Charta geht es deshalb um mehr als eine historische Rückschau. Es geht um die Verteidigung eines Prinzips: dass internationale Zusammenarbeit nicht naiv, sondern notwendig ist – für Frieden, Gerechtigkeit und nachhaltige Entwicklung. Wer die UN für verzichtbar hält, riskiert eine Zukunft, in der globale Probleme ohne globale Antworten bleiben.