Innovation & Forschung

Wissenschaft will Bäume in Sanssouci retten

Mit einem innovativen Ansatz will ein Potsdamer Wissenschaftler:innen-Team die durch den Klimawandel gefährdeten Bäume in den historischen Parks und Gärten des Landes Brandenburg retten. Ihre Idee ist es, durch Injektionen von stärkenden Huminstoffen in den Wurzelbereich angegriffener Bäume das Wasserbindevermögen zu steigern, das aktive Boden-Mikrobiom zu unterstützen und somit die Nährstoffaufnahme der Bäume zu verbessern.

25.11.2021

Wissenschaft will Bäume in Sanssouci retten
Geschwächte Baumgruppe (Rotbuchen aus dem 19 Jhd.) im Park Sanssouci-Charlottenhof

Für die Forschung in diesem Bereich wird das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg 250.000 Euro als Anschubfinanzierung zur Verfügung stellen. Brandenburger:innen und Touristen:innen lieben die hiesigen wunderschönen Gärten und Parks.

Allerdings mussten sie in den vergangenen Jahren auch miterleben, wie stark der zum Teil unersetzliche Baumbestand unter den Folgen des Klimawandels leidet. Die Gründe dafür sind vielfältig: Lange Trockenzeiten mit Hitzerekorden im Sommer, ein Absinken des Grundwasserspiegels und der sandige Boden sorgen dafür, dass die Bäume zunehmend geschwächt werden und schließlich absterben, zum Teil noch durch Schädlingsbefall beschleunigt. Experten:innen erwarten, dass sich dieser Trend fortsetzen wird, zumal Bewässerungswasser auch nicht unbegrenzt zur Verfügung steht.

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Huminstoffe stehen im Fokus des Forschungsansatzes

In einem Forschungsprojekt haben sich wissenschaftliche Einrichtungen des Landes Brandenburg, die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und die Freie Universität zu Berlin zusammengeschlossen, um zu einer nachhaltigen Lösung zur Rettung der Bäume beizutragen. Im Fokus stehen dabei Huminstoffe.

In der Natur entstehen Huminstoffe in Folge des langsamen Abbaus von Pflanzenresten durch Bodentiere, Pilze und Mikroorganismen. Das Adsorptions- und Wasserhaltevermögen dieser natürlichen organischen Verbindungen übersteigt dasjenige von Tonmineralen deutlich.

Huminstoffe spielen eine entscheidende Rolle bei der Verbesserung der Bodenqualität in Bezug auf Wasserhaltevermögen, pH- und Redox-Pufferung und sie liefern zugleich wertvolle Nährstoffe für die Pflanzen. Damit wirken Huminstoffe als eine Art pflanzlicher Biostimulantien, die helfen, die Resilienz der Pflanzen gegenüber abiotischen und biotischen Stressoren zu verbessern.

Handelsübliche Huminstoffe werden bislang in einem technischen Verfahren durch chemische Extraktion aus Torf oder Braunkohle gewonnen. Eine deutlich nachhaltigere Lösung bietet ein Verfahren zur beschleunigten Kompostierung beziehungsweise Humifizierung, das am Max-Planck-Institut für Kolloid-und Grenzflächenforschung (MPIKG) entwickelt wurde. Mit Hilfe eines chemisch-thermischen Prozesses, der hydrothermalen Humifizierung, lassen sich mit hohem Wirkungsgrad unter nahezu vollständigem Erhalt des im Pflanzenmaterial gebundenen Kohlenstoffs aus Restbiomasse Huminstoffe gewinnen. Diese sogenannten ‚künstlichen‘ Huminstoffe (KHS) aus regenerativer Biomasse entsprechen in ihrer Wirkung den natürlichen Huminsäuren, wie Studien aus China belegen.

„Wir waren selber überrascht von den ersten, sehr positiven Ergebnissen. Das neue Verfahren sollte die natürliche Kompostierung zuerst nur technisch beschleunigen und den Umgang mit manchen biologischen Reststoffen hygienischer machen, aber die Wirkung unserer nachhaltigen Produkte ist offensichtlich nicht von den bekannten Kohle- oder Torfextrakten unterscheidbar“, so Prof. Dr. Markus Antonietti, Direktor des MPIKG. „Dabei nutzen und fixieren wir fast den gesamten Kohlenstoff-Pool der biologischen Restmassen und machen so einen großen Schritt in Richtung eines CO2-neutraleren Brandenburgs.“

In der aus Mitteln des Landes Brandenburg finanzierten Anschubphase (Nov 2021 bis Dez 2022) sollen erste Versuche durchgeführt werden und ein Forschungsantrag zur Förderung auf überregionaler Ebene erstellt werden. Die experimentellen Arbeiten in dieser ersten Phase umfassen Studien zur hydrothermalen Humifizierung von Biomasseabfällen wie Grasschnitt oder Gärreste aus Biogasanlagen bis hin zu einer ersten Anwendung der KHS in einem der Gärten der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg.

Beitrag zum Klimaschutz

„Wir freuen uns sehr über die fundierte Expertise und Zusammenarbeit mit dem Potsdamer Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie und dessen Partner:innen!“, so Prof. Dr. Michael Rohde, Leiter der Abteilung Gärten der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG). Er sieht Vorteile: „Die Nutzung des Biomassekreislaufs trägt zum Klimaschutz bei und innovative Bodenverbesserungen dienen der Bewahrung wertvoller Bäume. Mit der wissenschaftlichen Begleitung werden unsere Parks zu Laboren modellhafter Klimaanpassungsstrategien.“

Die Forschungspartner bringen ihre vielfältige Expertise in die Zusammenarbeit ein: das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPIKG) im Bereich der Synthese und Charakterisierung künstlicher Huminsäuren und Fulvinsäuren aus Biomasse-Seitenströmen, die Freie Universität Berlin (FUB) im Bereich der Stressphysiologie von Bäumen, das ATB an der Schnittstelle von Biologie und Technik unter anderem im Bereich der hydrothermalen Carbonisierung und des Bodenmikrobioms.

„Unser eigentliches Terrain ist die Landwirtschaft, wo wir mit unserer Forschung zum einen durch angepasste Managementstrategien das Klima schützen wollen, aber auch mit Hilfe technischer Innovation die landwirtschaftliche Produktion auf die Folgen des Klimawandels vorbereiten“, erläutert Prof. Dr. Barbara Sturm, die wissenschaftliche Direktorin des ATB. „Umso mehr freut es uns, wenn wir mit unserer verfahrenstechnischen Expertise aus dem Agrarbereich als Potsdamer Forschungsinstitut zum Erhalt der Potsdamer Parks und Gärten - weltweit geschätzten Kulturgütern – beitragen können“, hebt Prof. Sturm hervor.

Hintergrundinformationen

Dem Projekt „Entwicklung von Methoden zur Tiefeninjektion von künstlicher Huminstoffe gegen die Folgen des Klimawandels - Rette einen Baum in Sanssouci“ wird eine Anschubfinanzierung in Höhe von 250.000 Euro zur Verfügung stehen. Die Förderung erfolgt durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK) des Landes Brandenburg. Die Koordination hat das Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. (ATB). Partner im Projekt sind das Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung (MPIKG), die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) und die Freie Universität Berlin (FUB). Weitere Partner sollen dazukommen.

Quelle: UD/fo
 

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