Biodiversität

Umwelt-DNA verrät heimliche Riffbewohner

Ein internationales Forschungsteam weist anhand von Meerwasserproben nach, wo welche tropischen Riff-Fische vorkommen. Um Arten und Familien zu identifizieren, nutzten sie im Wasser vorhandene DNA-Spuren der Tiere. Doch nicht alle Fische lassen sich auf diese Weise aufspüren.

09.05.2022

Umwelt-DNA verrät heimliche Riffbewohner

Tropische Korallenriffe sind bunt, schön – und artenreich. Besonders groß ist die Fischvielfalt. Forschende schätzen, dass weltweit bis zu 8000 Fischarten in Korallenriffen vorkommen. Doch weltweit verschwinden Korallenriffe aufgrund der Klimaerwärmung und menschlicher Eingriffe in horrendem Tempo, und nach wie vor ist unklar, wo welche Rifffische vorkommen. Wie viele Arten es insgesamt gibt, ist ebenfalls nicht genau bekannt. Das hat unter anderem damit zu tun, dass viele Fischarten ein sehr heimliches Leben führen, sich stark ähneln oder teilweise im offenen Meer leben. Solche Arten sind daher nur schwer nachweisbar. Um Fische in einem Gebiet nachzuweisen, war die Biodiversitätsforschung meist auf Sichtbeobachtungen von Taucher:innen oder auf Fangfisch angewiesen.

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Nun hält in der Ökologie eine neue Methode Einzug, die solche Schwierigkeiten umgeht: Umwelt-DNA (environmental DNA, eDNA). Die Idee dieses neuen Ansatzes ist, dass Lebewesen ihr Erbgut oder Teile davon in der Umwelt hinterlassen. Die Forschenden müssen dann an einem Ort nur Wasserproben nehmen, die darin enthaltenen DNA-Fragmente isolieren und diese sequenzieren, also die Abfolge der DNA-Bausteine bestimmen. Schliesslich können sie die ermittelten Sequenzen mit Referenzsequenzen vergleichen, die von sicher bestimmten Belegexemplaren stammen – und schon wissen die Biodiversitätsforschenden, ob eine Art am fraglichen Ort vorkommt.

Genau dieses Verfahren hat ein internationales Forschungsteam unter der Federführung von Forschenden der Universität Montpellier (F) und der ETH Zürich nun genutzt, um das Vorkommen von Rifffischen zu untersuchen. Die Forschenden sammelten in den Jahren 2017 und 2019 an 26 Standorten in fünf tropischen Meeresregionen 226 Wasserproben und analysierten die daraus isolierte DNA, die sie dann den bekannten Arten oder Familien zuordneten.

Vielfältiger als vermutet

Auf diese Weise fanden die Forschenden eine um 16 Prozent höhere Vielfalt an Rifffischen als durch konventionelle Erhebungsmethoden wie Sichtbeobachtungen bei Tauchgängen. „Dank der eDNA-Methode können wir viele Fischarten und -familien viel schneller nachweisen als mittels Beobachtungen“, betont Loïc Pellissier, Professor für Ökosysteme und Landschaftsevolution der ETH Zürich und einer der beiden Hauptautoren einer Studie. Diese wurde in der Fachzeitschrift „The Proceedings of the Royal Society“ veröffentlicht.

So waren die DNA-Analysen nach nur zwei Jahren abgeschlossen. Die Sichtbeobachtungen, die in die Studie einflossen, stammen jedoch von unzähligen Beobachter:innen und umfassen 13 Jahre Bestandserhebungen. Mit dem neuen Ansatz entdeckten die Forschenden insbesondere mehr im Freiwasser schwimmende (pelagische), riffgebundene und Arten, welche die zahlreichen Höhlen und Spalten von Riffen bewohnen (kryptobenthische). Taucher:innen bekommen solche Fische seltener zu Gesicht.

Viele der nachgewiesenen pelagischen Arten bevorzugen das offene Meer oder tiefere Gewässer – oder sie gehören zu Familien, welche Menschen meiden oder nicht permanent in Korallenriffen leben, wie Makrelen und Thunfische aus der Familie Scombridae sowie Haie aus der Familie der Carcharhinidae (Requiemhaie, etwa der Schwarzspitzen-Riffhai). Die Entdeckung dieser Arten ist wichtig, da sie durch ihre nächtlichen Wanderungen zum Riff aktiv an der Funktion eines Korallenriffs beteiligt sind. Die Rolle dieser Fische für das Ökosystem wird deshalb oft unterschätzt.

Ohne Sichtbeobachtungen geht es (noch) nicht

Allerdings lassen sich mittels eDNA nicht alle Arten gleich einfach erfassen, wie beispielsweise Lippfische Labridae oder Schleimfische Blenniidae. Referenzdatenbanken decken diese artenreichen Familien nur teilweise ab, sagt der Biodiversitätsforscher. Aufgrund dieser Lücken konnte ein erheblicher Teil der in den Wasserproben gefundenen eDNA bisher nicht zugeordnet werden. Die Forschenden sind jedoch mit Hochdruck daran, den eDNA-Ansatz weiterzuentwickeln, die DNA von weiteren Fischarten zu sequenzieren und die Daten in die Referenzdatenbanken einzuspeisen. Dennoch wird es auch weiterhin Tauchgänge brauchen, um gewisse Arten, die mittels eDNA nur schlecht entdeckt werden können, zu erfassen, aber auch, um biometrische Informationen wie Grösse und Biomasse zu erheben.

Internationale Zusammenarbeit

Für diese Studie wurde das Forschungskonsortium unter anderem von Monaco Explorations, einer Organisation des Prinzen von Monaco, unterstützt. Diese stellte den Wissenschaftlerinnen für den ersten Teil des Projekts ein Forschungsschiff zur Verfügung. Damit konnten sie Wasserproben in der Karibik und vor der Küste Kolumbiens sammeln. Weitere Proben wurden auf separaten Reisen, die ebenfalls durch den monegassischen Hof finanziert wurden, gesammelt.

„Für mich als Schweizer Forscher war es enorm wichtig, Teil einer internationalen Kollaboration zu sein“, sagt Pellissier. Ohne Vernetzung mit Partnern in Frankreich, Kolumbien, Indonesien und Australien hätte er diese Studie nicht durchführen können. Und: «Wir können in der Schweiz nicht isolierte Forschung auf diesem Niveau betreiben.»
Noch in diesem Jahr ist eine weitere Expedition zum Sammeln von Wasserproben geplant. Dieses Mal wollen die Forschenden die tropischen Gewässer des Indischen Ozeans zwischen Südafrika und den Seychellen beproben. Diese Expedition, die nun die Proben aus den Vorjahren ergänzen wird, musste zudem wegen Covid vertagt werden.

Quelle: UD/fo
 

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