Biodiversität

Internationale Tagung zum Insektenrückgang

Bereits 2017 hat eine Publikation zu den langjährigen Untersuchungen des Entomologischen Vereins Krefeld (EVK) zum Insektenrückgang für Aufsehen gesorgt. Am 7. und 8. November stellten Wissenschaftler nun einem internationalen Fachpublikum in Bonn erste artbezogene Auswertungen vor und diskutierten über die Ursachen und Ausmaße der dramatischen Entwicklungen.

12.11.2018

Internationale Tagung zum Insektenrückgang

Starke Rückgänge sind demzufolge in allen bislang untersuchten Insektengruppen der Hautflügler, Fliegen, Käfer und Schmetterlinge in Schutzgebieten zu verzeichnen. Eingeladen haben das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und der Entomologische Verein Krefeld (EVK). Die Tagung im Zoologischen Forschungsmuseum Koenig – Leibniz-Institut für Biodiversität der Tiere (ZFMK) ist Bestandteil eines Forschungsvorhabens, das vom BfN mit Mitteln des Bundesumweltministeriums gefördert und begleitet wird, um die Insektenrückgänge und deren Ursachen umfassender zu analysieren.

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Bereits seit drei Jahrzenten sammeln die Krefelder Entomologen Insekten nach einer standardisierten wissenschaftlichen Methode und bewahren alle Proben auf. Auf diesen Untersuchungen basiert bereits die erschreckende Botschaft der ersten Publikation zu diesem Datensatz im Wissenschaftsmagazin PLoS ONE (Hallmann, Sorg et al. 2017): Im Zeitraum von 27 Jahren sind die Biomassen der Insekten um durchschnittlich 76 Prozent zurückgegangen. Das Besondere daran: Erstmals wurden diese enormen Rückgänge für überwiegend Naturschutzgebiete und Natura 2000-Flächen quantitativ belegt. Im laufenden Projekt des EVK werden diese Daten seit 2016 neben einer Ermittlung der Biomassen der Insekten auch artbezogen ausgewertet. Außerdem werden im laufenden Projekt zahlreiche Probestellen erneut untersucht, Zeitreihen ergänzt und Hintergrunddaten recherchiert.

Bundesweites Insektenmonitoring

„Die einwandfrei erfasste und sorgfältig gepflegte Probensammlung des EVK ist von unschätzbarem Wert. Damit dieser bundesweit einzigartige Datenschatz sukzessive tiefer analysiert und ergänzt werden kann, haben wir 2016 das Forschungsprojekt ‚Biodiversitätsverluste in FFH-Lebensraumtypen des Offenlandes‘ an den Krefelder Entomologischen Verein vergeben“, sagt BfN-Präsidentin Prof. Beate Jessel. „Die Tagung und die Ergebnisse dieses laufenden Vorhabens werden dabei helfen, dem Verlust der Biodiversität gezielter entgegenzuwirken und Natura 2000-Gebiete und andere Kernflächen des Naturschutzes besser zu sichern. Erkenntnisse aus den Studien können auch in die Entwicklung eines bundesweiten Insektenmonitorings mit einfließen.“ Vor dem Hintergrund des Insektenrückgangs, den die Roten Listen Deutschlands für die Vielfalt der Insektenarten über längere Zeiträume bundesweit belegen, betont die BfN-Präsidentin: „Wenn selbst Naturschutzgebiete und europäische Natura 2000-Flächen nicht mehr in der Lage sind, als Rückzugsräume die Defizite der Artenvielfalt in der ‚normalen‘ Landschaft auszugleichen, ist eine dringende Umsteuerung in der Landwirtschaft und in der Agrarpolitik geboten.“

Die ersten Ergebnisse der artspezifischen Analysen zeigen ein differenziertes Bild, berichtet Dr. Martin Sorg, Vorstandsmitglied des Entomologischen Vereins Krefeld: „Früher schon seltene Arten sind teilweise noch vorhanden, teilweise fehlen Nachweise in den neueren Proben ganz. Häufige Arten sind meist noch nachweisbar, allerdings überwiegend in deutlich geringeren Anzahlen. Diese Daten sprechen in Fallbeispielen für eine Zunahme der regionalen Bestandsgefährdung bestimmter Arten. Außerdem zeigt sich, dass die Rückgänge nicht überall gleich hoch sind. Betrachtet man verschiedene Biotope und Situationen in der Landschaft zeichnet sich ein differenziertes Bild ab. In ersten Fallbeispielen zu Standorten, die beispielsweise durch Wald abgeschirmt sind oder aufgrund der Geländesituation begünstigt sind, sind die Abnahmen bei den Insekten von Biomassen, den Individuenzahlen vieler Arten sowie der Artenzahlen geringer bis deutlich geringer.“

Veränderungen im Ökosystem

Durch die detailliertere Auswertung und Vervollständigung der Daten im weiteren Verlauf des Projektes sind auch Aussagen zu den Veränderungen verschiedener Ökosystemleistungen, etwa den Bestäubungsleistungen einzelner Arten, zu erwarten. Sorg weiter: „Wichtig ist, das wir hier erstmals zu einer umfangreicheren Übersicht zur Bewertung der Entwicklungen über eine Auswahl von Standorten kommen. Dies lässt natürlich keine direkten Schlüsse auf das zu, was in völlig anderen Lebensraumtypen oder anderen Faunenregionen passiert. Im Projekt werden vor allem Offenlandbiotope und keine Waldstandorte ausgewertet, der Probenschwerpunkt liegt im Norddeutschen Tiefland. Die Zahl der bisher vollständig ausgewerteten Proben ist außerdem noch zu gering.“

Das ZFMK bietet den optimalen Rahmen, um erste Ergebnisse und Auswertungen zu bestimmten Artengruppen und einzelnen Arten vorzustellen und zu diskutieren. „Auch das ZFMK greift auf Proben des Entomologischen Vereins Krefeld zu. Die technischen Möglichkeiten zur Probenauswertung haben sich deutlich verbessert. Über moderne genetische Methoden des ‚Next Generation sequencing‘ werden zum Beispiel Auswertungen von Mischproben ständig verfeinert, so dass auch von wissenschaftlicher Seite neue umfangreiche Beiträge zur Auswertung und Analyse der Insektenrückgänge zu erwarten sind“, sagt der Direktor des ZFMK Prof. Dr. J. Wolfgang Wägele.

Die im Archiv der Entomologischen Sammlungen in Krefeld bewahrten Proben stehen auch nach Jahrzehnten für weitere Auswertungen bereit. Das Forschungsvorhaben des EVK wird von 2016 bis 2021 durch das BfN mit Mitteln des BMU in Höhe von 358.000 Euro gefördert. Hinzu kommen Eigenmittel des Vereins in Höhe von 72.288 Euro sowie das jahrelange Engagement zahlreicher Ehrenamtlicher.

Quelle: UD/fo
 

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