„Mit EMAS Klimaneutralität erreichen“
Das Umweltbundesamt (UBA) möchte treibhausgasneutral werden. Wie und bis wann kann das gelingen? Wie will das UBA andere Organisationen motivieren, seinem Beispiel zu folgen? In einem Interview erläutert Dr. Burkhard Huckestein, Umweltmanagementbeauftragter des UBA, woran man ernstzunehmendes Klimamanagement erkennt und warum das Umweltmanagement und Auditsystem EMAS Grünfärberei verhindern kann.
18.07.2018
Das UBA hält in einer Studie von 2014 ein treibhausgasneutrales Deutschland bis 2050 für möglich. Bis wann will das UBA denn selbst treibhausgasneutral werden?
Dr. Burkhard Huckestein: Formal können wir unsere CO2-Emissionen kompensieren, sobald wir hierzu eine entsprechende Haushaltsermächtigung haben, theoretisch also noch 2018. Aber das allein wäre wenig vorbildlich, zumal wir die dafür zu verwendenden Steuergelder nicht selbst erwirtschaften müssen. Wir verfolgen einen deutlich anspruchsvolleren Ansatz, indem wir mit dem Abschluss geplanter Baumaßnahmen – ich hoffe bis 2030 – unsere CO2-Emissionen um 70 Prozent reduzieren und unseren Energiebedarf vollständig aus erneuerbaren Energien decken. Das schließt nicht aus, dass wir bereits deutlich früher kompensieren.
Sie setzen sich in der Umwelterklärung des UBA anspruchsvolle Ziele in den Bereichen Gebäude, Mobilität, Beschaffung und Veranstaltungen. Was sind dabei Ihre größten Baustellen, und wie wollen Sie ihre Ziele erreichen?
Huckestein: Baustellen ist ein gutes Stichwort. Mit den laufenden und geplanten Baumaßnahmen an unseren Standorten zielen wir auf einen weitgehend treibhausgasneutralen Betrieb unserer Liegenschaften. In Dessau-Roßlau entsteht derzeit ein Erweiterungsbau als Plus-Energie-Gebäude. In Berlin-Marienfelde und Bad Elster planen wir große Laborgebäude ebenfalls als Plus-Energie-Gebäude, was extrem ehrgeizig ist. Schließlich wollen wir mit der Sanierung unseres Standortes Berlin-Grunewald zeigen, welche Energieeffizienzstandards an einem denkmalgeschützten Altbau möglich sind. Und das, obwohl uns die Gebäude nicht selbst gehören und wir auch nicht für den Bau verantwortlich sind. Wann genau diese Baumaßnahmen fertig werden, liegt daher nicht allein in unserer Hand.
Und außerhalb des Gebäudebereichs? Wie sieht’s zum Beispiel im Verkehr aus?
Huckestein: Bis 2030 sollen unsere Dienstfahrzeuge kein CO2 mehr emittieren. Das erreichen wir zum einen, indem wir Verkehr vermeiden, etwa durch das Zusammenlegen von Standorten. Genau das steckt ja hinter unseren Baumaßnahmen. Daneben wollen wir nur noch emissionsfreie Fahrzeuge nutzen. Hier vertrauen wir darauf, dass bis 2030 solche Fahrzeuge auch angeboten werden. Eine weitere Baustelle, um in Ihrem Bild zu bleiben, sind unsere Dienstreisen. Künftig werden wir noch stärker Dienstreisen vermeiden, etwa durch Videokonferenzen oder das Zusammenlegen von Dienstgeschäften. Daneben bevorzugen wir die Bahn statt zu fliegen. Um unsere internationale Rolle in der Umweltpolitik zu erhalten oder gar auszubauen, werden wir allerdings auch künftig nicht auf Flüge verzichten. Eine Reform des Bundesreisekostenrechts wäre für unsere Ziele sehr hilfreich, indem es z.B. mobiles Arbeiten berücksichtigt und unsere Mitarbeitenden nicht mehr zwingt, Billigflieger und subventionierte Shuttle-Flüge statt der Bahn zu nutzen.
Wie beziehen Sie die Beschaffung ein. Ermitteln Sie hierzu die Klimabilanz für alle beschafften Produkte und Dienstleistungen?
Huckestein: Nein, hier gehen wir ganz anders vor. Künftig wollen wir relevante Produkte und Dienstleistungen klimaneutral beschaffen. Für manche Produkte ist das bereits heute möglich, z.B. Druck- und Vervielfältigungsaufträge oder Transportleistungen. Das wollen wir auch für Aufträge an Rechenzentren und IT-Dienstleister oder für Forschungs- und Entwicklungsvorhaben tun, deren Vergabe wir an überprüfbare Anforderungen an die Klimaneutralität knüpfen. Das soll künftig auch für unseren Kantinenbetrieb gelten.
„Wer sich klimaneutral nennt und EMAS hat, betreibt keine Grünfärberei.“
Welche Rolle spielt das Umweltmanagement- und Audit-System EMAS auf dem Weg zur Klimaneutralität?
Huckestein: EMAS spielt in meinen Augen eine ganz zentrale Rolle, um ernstes Klimaschutzengagement von Grünfärberei zu unterscheiden. Ein Großteil der aktuellen Initiativen zur Klimaneutralität dient leider dazu, nicht nachhaltige Geschäftsmodelle grün zu färben. Denken Sie an die Initiativen mancher Automobilhersteller, Fluggesellschaften oder Heizölhändler. Wenn sich das Klimaengagement eines Unternehmens darauf beschränkt, sich von einem Beratungsbüro seine Klimabilanz ermitteln und kompensieren zu lassen, ist das eher Marketing als Klimaschutz. Das bringt den ganzen Ansatz der Klimaneutralität in Verruf, auch von denen, die den Klimaschutz ernst meinen, denn die gibt es ja auch. EMAS kann das verhindern. Das liegt vor allem an der strengen Zulassung und Überwachung der Umweltgutachterinnen und Umweltgutachter, die ja sehr differenziert nach Branchen erfolgt. Aber auch die Pflicht zur kontinuierlichen Verbesserung der Umweltleistung, die Umwelterklärung mit ihren validierten Kennzahlen und Informationen zum Umweltmanagement sowie das EMAS-Register tragen dazu bei. Wer sich klimaneutral nennt und EMAS hat, betreibt keine Grünfärberei.
Trau keinem ohne EMAS?
Huckestein: Definitiv!
Woran lässt sich denn Grünfärberei durch Klimaneutralität erkennen?
Huckestein: Der Verdacht auf Grünfärberei liegt bereits nahe, wenn eine Organisation kein anspruchsvolles und überprüfbares Ziel zur CO2-Minderung hat. Ein anderes Kriterium ist, ob ein Klimamanagement etabliert ist, das die Zuständigkeiten und Verfahren für den betrieblichen Klimaschutz systematisch definiert und in alle Entscheidungen einbindet. Ohne ein solches Managementsystem bleibt es bei punktuellen Investitionen oder symbolischen Maßnahmen, etwa LED-Beleuchtung oder einen Hybrid-Firmenwagen. Weitere Indizien sind, ob die Methoden zur CO2-Bilanzierung transparent offengelegt werden, ob auch vor- und nachgelagerte Bereiche einbezogen werden, z.B. Dienstreisen oder Veranstaltungen, und ob über die Wirksamkeit von Klimaschutzmaßnahmen berichtet wird. Schließlich sollten diese Informationen ebenso wie das Klimamanagement von einer fachkundigen und unabhängigen Person überprüft werden. EMAS gewährleistet dies alles.
Inwieweit lassen sich Ihre Erfahrungen auch auf andere Organisationen oder Unternehmen übertragen?
Huckestein: Ich hoffe doch sehr, dass möglichst viele unsere Erfahrungen übernehmen. Das ist ja eine wesentliche Motivation für unsere Initiative. Unser praktisches Vorbild soll andere Organisationen bewegen, selbst aktiv Klimaschutz zu betreiben. Als Vater weiß ich, dass ich meine Kinder stärker beeinflusse durch das, was ich tue, weniger durch Reden. Auf Basis der praktischen Erfahrungen werden wir bis Ende 2019 Empfehlungen für klimaneutrale Organisationen erarbeiten und veröffentlichen.
Fließen darin auch die Erfahrungen anderer Organisationen mit ein?
Huckestein: Auf jeden Fall, schließlich bauen wir selbst ja auf den Erfahrungen anderer auf. Das UBA ist ja sozusagen auf einen fahrenden Zug aufgesprungen, der schon eine Weile Richtung Klimaneutralität unterwegs ist. Neben zahlreichen Unternehmen sitzen darin zehn Bundesländer, die Ziele zur klimaneutralen Landesverwaltung mit mehreren tausend Behörden verabschiedet haben. Die Bundesregierung hat im Klimaschutzplan 2050 ebenfalls angekündigt, den Zug zu besteigen. Und das Bundesentwicklungsministerium sitzt schon drin und will bereits bis 2020 klimaneutral werden. Neue Passagiere können von den Erfahrungen aller Fahrgäste profitieren. Deshalb werden wir auch einen Erfahrungsaustausch zur Klimaneutralität initiieren.
Welche Rolle sehen Sie für das UBA in diesem Zug? Sind Sie der Lokführer?
Huckestein: Eine reizvolle Vorstellung. Als Sohn eines Bahnbeamten weiß ich, dass der Lokführer zwar das Tempo, nicht aber die Richtung bestimmt. Das UBA sollte daher auch die Weichen in Richtung eines wirksamen Klimaschutzes stellen, damit der Zug nicht nur mit grün gestrichenen Waggons auf gewohnten Trassen fährt. Zu dieser Rolle gehört, dass wir der Bundesregierung bis Ende nächsten Jahres Vorschläge machen, wie sie die Rahmenbedingungen für treibhausgasneutrale Organisationen verbessern kann. Da gibt es noch einiges zu tun, vom öffentlichen Baurecht über das Reisekostenrecht bis hin zum Haushalts- und Vergaberecht. Dazu gehört auch, Grünfärberei wirksam auszuschließen. Am besten mit EMAS.