Verteilungsgerechtigkeit

"Pay what you want": Viele bezahlen wegen Fairness

Das menschliche Gehirn schaltet in einen anderen Verarbeitungsmodus, wenn bei ökonomischen Entscheidungen auch soziale Erwägungen eine Rolle spielen. In einer Pilotstudie der Universität Bonn konnten 25 Probanden in einem Experiment Musikstücke erwerben, den dafür zu zahlenden Preis aber selbst festlegen. Die Forscher zeichneten dabei die Hirnaktivität der Teilnehmer auf.

01.07.2016

Dr. Sebastian Markett (links) und Simon Waskow von der Universität Bonn.
Dr. Sebastian Markett (links) und Simon Waskow von der Universität Bonn.

Aus ökonomischer Sicht war das Experiment teilweise ein Erfolg: Zwar gaben manche Musikliebhaber der Verlockung nach, die Songs unentgeltlich herunterzuladen. Andere zahlten aber freiwillig für das Album - einige bis zu 20 Dollar, also gut doppelt so viel, wie es vermutlich normalerweise gekostet hätte. Bei derartigen "Pay what you want"-Angeboten scheinen also nicht nur ökonomische Interessen eine Rolle zu spielen, sondern auch soziale Erwägungen, wie zum Beispiel Fairness.

"Im Fixpreis-Szenario fanden wir Aktivierungsmuster, die genau unseren Erwartungen entsprachen", so Sebastian Markett von der Abteilung Differentielle und Biologische Psychologie der Universität Bonn: "Direkt beim Hören des Musikstückes wurden bei den Probanden bestimmte Hirnstrukturen aktiv, die zum sogenannten Belohnungssystem zählen. Je besser ihnen das Stück gefiel, desto stärker fiel diese Aktivierung aus - und desto höher war im Anschluss die Summe, die sie für das Album boten." Der Musikgenuss diktierte in dem Fall also das Gebot.

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Lingualer Gyrus in Höchstform

Ganz anders sah es aus, wenn den Teilnehmern nach dem Hören des jeweiligen Musikstückes mitgeteilt wurde, dass sie über den Preis selbst bestimmen konnten. In diesen Fällen ließ sich aus der Aktivierungsstärke des Belohnungssystems nicht auf die Summe schließen, die die Probanden später zahlen würden. Stattdessen lief bei ihnen eine Gehirnregion zur Höchstform auf, die unter Fixpreis-Bedingungen völlig unauffällig gewesen war: der sogenannte linguale Gyrus, wie die Bonner Wissenschaftler in ihrer Studie schreiben.

"Wir haben Datenbanken nach Studien durchforstet, in denen der linguale Gyrus ebenfalls aktiv wurde, und die Treffer - immerhin einige hundert - statistisch analysiert", verdeutlicht der Erstautor der Studie, Simon Waskow. "Demnach handelt es sich dabei um ein Areal, das sehr frühzeitig auf visuelle Reize reagiert, die eine soziale Komponente beinhalten." Beispielsweise schlägt der linguale Gyrus immer dann sofort Alarm, wenn Menschen in einem Gesicht einen ablehnenden Ausdruck entdecken oder diesen entsprechend interpretieren.

"Wenn unsere Probanden lasen, dass sie den Preis für das eben gehörte Stück selber wählen konnten, wurde bei ihnen der linguale Gyrus aktiv", erläutert Waskow. "Diese Aktivierung bewirkte möglicherweise, dass ihr Gehirn in einen anderen Modus schaltete: In die Entscheidungsfindung wurden nun nicht mehr nur ökonomische und affektive Überlegungen, sondern auch soziale Erwägungen wie eben der Fairness-Gedanke einbezogen." Noch ist diese Erklärung nur eine Hypothese. Weitere Studien sollen die Theorie nun erhärten.

Quelle: UD/pte
 

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