Politik

Digitale Zivilcourage gegen die Spaltung der Gesellschaft

Hate Speech im Internet ist nicht nur lästig. Sie gefährdet den demokratischen Wertekonsens. Viele Initiativen werben für mehr digitale Zivilcourage gegen den zunehmenden Hass im Netz. Sie sind überzeugt: Hass-Postings sollten nicht unwidersprochen bleiben, denn das macht Hass zur Normalität!

22.07.2020

Digitale Zivilcourage gegen die Spaltung der Gesellschaft

Von UmweltDialog

Wenn man auf der Straße spazieren geht, passiert zum Glück sehr selten, dass man ohne Grund angepöbelt und auf das Übelste beschimpft wird. Im Internet ist die Wahrscheinlichkeit wesentlich höher und schon erst recht, wenn man zu einer bestimmten Gruppe wie Migranten, Seenotrettern, Journalistinnen, Politikerinnen, Transgender gehört. Hate Speech ist eines der großen Probleme der digitalen Kommunikation und ein gesellschaftliches Problem. 96 Prozent der jungen Internetnutzer zwischen 14 und 24 Jahren haben bereits Hass-Postings wahrgenommen, zitiert klicksafe.de die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen. Davon betroffen waren laut Amadeu-Antonio-Stiftung bereits acht Prozent. Am meisten trifft es junge User und Menschen mit Migrationshintergrund, berichtet belltower.news.

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Gegen „Hassrede“, also gemäß der Definition der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg „Äußerungen, die Einzelne oder Gruppen diskriminieren, zum Beispiel wegen ihrer Herkunft, Religion, ihrer sozialen Zugehörigkeit, wegen einer Behinderung oder wegen ihres Geschlechts“, haben sich zahlreiche, auch internationale Initiativen formiert. So haben etwa die Vereinten Nationen eine Hate-Speech-Strategie formuliert, und der Europarat hat das auch in Deutschland aktive No-Hate-Speech-Movement initiiert.

Die Kampagnen versuchen, ein Bewusstsein für die Gefahren von digitaler Hass-Kommunikation zu schaffen. Denn hier geht es nicht um persönliche Animositäten, sondern um strategischen Hass, der bestimmte Akteure aus dem Diskurs drängt, Meinungsmache betreibt und die Spaltung der Gesellschaft zum Ziel hat. „Gerade Menschen, die durch ihre gesellschaftliche Stellung exponiert sind, die einer marginalisierten Gruppe angehören, die durch persönliche Eigenschaften öfter das Ziel menschenfeindlicher Attacken werden oder die sich kritisch oder kontrovers äußern wollen, denken häufig schon die maßlosen Reaktionen mit, die auf einen Post erfolgen könnten“, erläutert belltower.news.

Zeigen, dass es auch andere Sichtweisen gibt

Eine durch Hate Speech gefährdete Gesellschaft braucht Menschen, die couragiert auftreten und für den fairen Umgang miteinander eintreten. Davon ist Barbara Costanzo, Vice President Group Social Engagement bei der Deutschen Telekom, überzeugt. „Oftmals geht es dabei gar nicht um ein Wortduell, sondern darum, im Namen der schweigenden Mehrheit ein Zeichen für die digitale Demokratie zu setzen und zu demonstrieren, dass es auch andere Sichtweisen gibt“, sagte sie auf der IFA 2019, als sie die Aktivitäten des Telekommunikationskonzerns für Digitale Zivilcourage vorstellte.

 
 

Der Bonner Telefon-, Internet- und Medienanbieter setzt sich mit der Kampagne „#DABEI – Gegen Hass im Netz“ für Vielfalt und Toleranz in der digitalen Kommunikation ein. Unterstützt wird diese von zahlreichen fachkundigen Organisationen wie etwa #ichbinhier und Gesicht zeigen!. Die Kampagne wendet sich an die Gesellschaft und setzt ein klares Zeichen für demokratisches Zusammenleben im Netz. Der Aufklärungsbedarf ist nämlich hoch, weil sich digitale Zivilcourage scheinbar nicht lohnt, wie das Institut für Soziologie der Universität Wien im Forschungsprojekt „Zivilcourage im Internet- Zuschauen oder Handeln?“ herausgefunden hat: „Denn während klassische Zivilcourage gesellschaftlich belohnt und heroisch gefeiert wird, was den Eingreifenden ein gutes Gefühl gibt, bleibt dieser Effekt online völlig aus, da es hier auch keine sichtbare Entspannung der Situation gibt.“ Indes deuten vorläufige Ergebnisse einer Studie des Santa Fe Institutes aus New Mexico in den USA an, dass konzertierte Gegenrede-Aktivitäten auf Hate Speech dabei helfen kann, den polarisierenden und hasserfüllten Diskurs auszugleichen, berichtet netzpolitik.org.

Motivierende Geschichten für Multiplikatoren

Mit ihrer Kampagne wie auch mit weiteren Aktivitäten will die Deutsche Telekom die Aufmerksamkeit für die Bedeutung von digitaler Zivilcourage steigern und Interessierten zielgruppenspezifische Hinweise geben, wie am besten mit Hass im Netz umzugehen ist. Im Zentrum steht dabei ein Modul der „#DABEI-Geschichten“. Dabei handelt es sich um didaktisch aufbereitete Online-Workshops für Erwachsene, die es Multiplikatoren leicht machen, Workshops in unterschiedlichen Längen sowie auf Deutsch, Englisch und auch in Einfacher Sprache durchzuführen.

Für Kinder und ihre pädagogischen Begleiter gibt es die Initiative Teachtoday mit Interviews, Umfragen und Informationsmaterialien und neu auch mit einer Toolbox mit Formaten, Videos und vielseitigem Material für 9-12 und 13-16-Jährige. Teachtoday wurde 2008 als europäisches Netzwerk zur Förderung der sicheren und kompetenten Mediennutzung gegründet und wird seit 2014 von der Deutschen Telekom weitergeführt. Ein Angebot von Teachtoday ist das Magazin „Scroller“ für neun- bis zwölfjährige Kinder. Ausgabe 10 befasst sich kindgerecht mit dem Thema Zivilcourage unter dem Titel „Mut im Netz“.

Insbesondere die Kommunikation zu #DABEI überzeugte die Jury.

Die verschiedenen Aktivitäten der Deutschen Telekom eint die Überzeugung, dass sich digitale Zivilcourage erlernen lässt, hebt Barbara Costanzo in einem Unternehmenspodcast hervor. Diese Erfahrung habe man auch intern gemacht. In ihrem Team gebe es beispielsweise die „Challenge“, dass jeder mindestens drei Mal am Tag auf problematische Beiträge im Netz reagiere. Hate Speech, Cybermobbing und Shitstorms dürften nicht unwidersprochen bleiben: „Jeder Einzelne ist gefragt, aus der eigenen Schockstarre auszusteigen und aktiv zu werden. Das Netz sind wir auch selbst und bestimmen mit, was daraus wird.“

Wichtig sei bei jeder Reaktion, dass sie konstruktiv ausfalle, denn es geht darum alternative Sichtweisen zu bieten und differenzierte Meinungsbildung zu fördern. Hass soll niemals mit Hass begegnet werden. Der Widerspruch gegen beleidigende oder diskriminierende Äußerungen habe natürlich nicht vorrangig zum Ziel, die „Hater“ zu bekehren. Stattdessen sollten die unentschlossenen Mitlesenden einen Denkanstoß erhalten. Außerdem solle Solidarität mit den Opfern der Hassredner gezeigt werden, denn fehlende Solidarität schmerzt fast so viel wie der Hass selbst.

Generell sei es wichtig, im Netz aufmerksam zu sein und etwaige Probleme nicht zu ignorieren, rät Barbara Costanzo darüber hinaus. Bestehe etwa der Verdacht, dass eine Falschnachricht verbreitet würde, sollte darauf mit Verweis auf eine Faktencheck-Quelle reagiert werden. Zahlreiche Tipps zum Erkennen von „Fake News“ habe das „Citizen Evidence Lab“ von Amnesty International zusammengetragen. FakeNews können auch bei der Reporterfabrik des Telekom-Kooperationspartners correctiv.org geprüft werden. Ob und wie reagiert werden solle, müsse jeder für sich selbst ausprobieren. Eingeschritten werden sollte aber auf jeden Fall, wenn gegen Gesetze verstoßen werde. Auf jeder Social-Media-Plattform könnten die Nutzer missbräuchliche Postings melden. Im Zweifel sollte aber auch Anzeige erstattet werden, denn was viele übersehen: das Netz ist kein rechtsfreier Raum und Meinungsfreiheit oft missverstanden, wenn sie über die Freiheit anderer einschränkt oder verletzt.

Quelle: UmweltDialog
 

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