Politik

„Europa muss mit einer Stimme sprechen“

Als große Prüfungs- und Beratungsorganisationen hat EY einen tiefen Einblick in Wirtschaftsprozesse rund um den Globus. Die Initiative Gesichter der Demokratie hat deshalb mit Hubert Barth über Maßnahmen zur Reduzierung von Handels- und Investitionshindernissen, das Spannungsfeld von Unternehmenslenkern und die Frage, warum Diversity jeden Tag harte Arbeit ist, gesprochen.

08.10.2019

„Europa muss mit einer Stimme sprechen“
Sven Lilienstroem, Gründer der Initiative Gesichter der Demokratie (links) und Hubert Barth, Vorsitzender der Geschäftsführung von EY Deutschland (rechts).

Mit Standorten in 150 Ländern ist EY eine globale Gesellschaft. Wie gefährlich ist der Handelskonflikt zwischen den USA und China für die Weltwirtschaft und insbesondere für die deutsche Wirtschaft?

Hubert Barth: Wirtschaftlich betrachtet haben wir einen Konflikt zwischen den beiden größten Handelsnationen der Welt. Für Deutschland als Industrienation ohne natürliche Ressourcen kann dieser Handelsstreit nicht förderlich sein. Wir verkaufen jedes dritte Auto nach Asien und insbesondere nach China. Deutschland ist wie keine andere Nation abhängig vom Außenhandel.

Wenn dieser Außenhandel in seiner Freiheit blockiert, eingeschränkt, oder mit Zöllen belegt wird - wie zwischen USA und China - belastet das zwangsläufig das deutsche Exportgeschäft und schlussendlich den gesamten Welthandel. Die Gefahr: Das globale Wirtschaftswachstum wird gehemmt! Helfen würde eine schnelle Lösung des Konfliktes. Die Ursachen und Auslöser des Handelsstreits können selbstverständlich kritisch hinterfragt werden. Aber es ist etwas anderes, solche Konflikte mit Zöllen oder Handelsbarrieren eskalieren zu lassen, anstatt sie in einem fairen Wettbewerb auszutragen.

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Welche Maßnahmen zur Reduzierung von Handels- und Investitionshindernissen innerhalb der Europäischen Union erwarten Sie von der künftigen EU-Kommissionpräsidentin Ursula von der Leyen?

Barth: Europa hat nur geeint eine Chance. Vor diesem Hintergrund erwarte ich von der EU-Kommission Akzente für ein Europa, welches sich einig ist, künftig mit einer Stimme sprechen zu wollen. Darüber hinaus erwarte ich bestehende Handelshemmnisse innerhalb Europas abzubauen und Regularien zu vereinheitlichen. Als Beispiel möchte ich die Telekommunikation aufgreifen. Wir haben etwa 28 verschiedene Telekommunikationsstandards in Europa. Wenn die Welt auf den 5G-Mobilfunkstandard umstellt, haben wir in den USA und in China jeweils einen Standard. Wenn Europa dann 28 verschiedene Standards anbietet, ist das gegenüber 1:1 äußerst ineffizient.

Also nochmal: Europa muss mit einer Stimme sprechen! Dazu gehört auch das Abgeben gewisser staatlicher Hoheiten der EU-Mitglieder an die Europäische Union. Diese Bereitschaft muss gegeben sein. Andernfalls sprechen wir nicht mit einer Stimme, und jedes einzelne Land in Europa ist für sich gesehen zu klein, um mit den USA oder China schritthalten zu können. Vereint jedoch sind wir ein wahrzunehmender Markt mit einer gewichtigen Stimme!

Siemens-Chef Joe Kaeser erregte Aufsehen, weil er politisch Stellung bezog - eine Ausnahme. Warum behalten so viele Top-Manager ihre Meinung zu politischen und gesellschaftlichen Themen lieber für sich?

Barth: Unternehmen sind Teil der Gesellschaft und haben diesbezüglich auch Verantwortung zu übernehmen. Brechen wir diese Verantwortung hingegen auf einzelne Unternehmenslenker herunter, stellt sich immer die Frage, für wen diese sprechen: Für sich persönlich oder für das Unternehmen? Im Fall Siemens hat Joe Kaeser auch für das Unternehmen gesprochen. Unternehmen haben auf der einen Seite fest definierte Werte, auf der anderen Seite aber auch Organe, die gewisse Erwartungen an das Management dieser Unternehmen haben. Diesem Spannungsfeld muss Rechnung getragen werden.

Als globales Unternehmen hat Siemens natürlich Interesse am Freihandel unter Berücksichtigung demokratischer Werte. Vor diesem Hintergrund begrüße ich das mutige Statement von Joe Kaeser sehr. Die Einzelperson des Unternehmenslenkers befindet sich aber immer in einem Spannungsfeld und muss für sich die Frage beantworten: Wie weit kann ich gehen? Das ist die Herausforderung!

Auf der anderen Seite: Jeder hat das Recht auf freie Meinungsäußerung. Also warum nicht auch einmal ein klares Statement von einem Unternehmenslenker? So wie der Politiker der Vertreter der Bürgerinnen und Bürger ist, so ist ein Unternehmenslenker letztendlich der Vertreter der Werte, für die das Unternehmen steht. Und wenn alle Stakeholder des Unternehmens diese Werte vertreten und man sich diesbezüglich äußert - warum denn nicht?

Bei EY Deutschland arbeiten über 80 Nationen. Das Engagement Ihrer Gesellschaft im Bereich „Diversity & Inclusiveness“ wurde mehrfach ausgezeichnet. Wie gelingt ein erfolgreiches Diversity Management?

Barth: Bei uns arbeiten viele verschiedene Nationen, und jeder Einzelne hat eine andere Prägung, die er mitbringt. Wir haben das Thema Diversity ganz oben auf die Agenda gesetzt. Warum? Weil die Summe vielfältiger Sichtweisen und Perspektiven meist die besten Lösungen ergibt. Themen, die ganz oben auf der Agenda stehen und die volle Unterstützung des Managements haben, werden meistens auch beachtet - mit dem Resultat einer wahrnehmbaren Verhaltensänderung des Einzelnen und im Team. Und so wiederum findet Integration und Teambildung statt. Wie gelingt Diversity? Meine Antwort: Es ist jeden Tag harte Arbeit!

Das Interview führte Sven Lilienstroem, Gründer der Initiative Gesichter der Demokratie.

Quelle: UD/cp
 

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